Die G7 und die Klimakrise

16.06.2022, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Dogora Sun / Shutterstock.com

In etwas über einer Woche treffen sich die führenden imperialistischen Industrienationen in Deutschland zum G7-Gipfel. Unter anderem sollen mögliche Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise besprochen werden, doch wird bereits im Vorfeld klar, was die eigentlichen Interessen des Gipfels sind.

Die Regierungschefs der USA, Kanadas, Großbritanniens, Deutschlands, Italiens, Japans und Frankreichs, also der führenden imperialistischen Industrienationen, treffen sich Ende Juni als G7 im Schloss Elmau nahe Garmisch-Partenkirchen. Angeblich kommen sie zusammen, „um mit ihren internationalen Partnern zentrale Fragen der multilateralen Zusammenarbeit, den Zusammenhalt in und zwischen Gesellschaften sowie gemeinsame Herausforderungen anzugehen.“

Letztendlich geht es dabei darum, Strategien und Zukunftspläne für die Durchsetzung der Machtinteressen der G7-Staaten zu entwickeln. Besonders die Klimakrise soll beim diesjährigen Gipfel zentraler Diskussionspunkt sein. Dabei stellt sich die deutsche Bundesregierung gemeinsam mit den USA als Verfechter des Klimaschutzes dar und will laut ihres G7-Präsidentschaftsprogramms die „Gründung eines offenen, kooperativen Klimaclubs anstoßen“. Zukünftig werde sich das G7-Bündnis „als Vorreiter und durch die Schaffung starker Allianzen […] für den Schutz von Klima, Umwelt und Biodiversität sowie für eine beschleunigte globale Energiewende einsetzen.“

Grüne Worte, nichts dahinter

Die Agenda der Bundesregierung unter dem Motto „nachhaltiger Planet“ ist jedoch kaum mehr als eine leere Worthülse. Erst kürzlich hat die Ampelkoalition Verhandlungen über große Flüssiggasdeals mit Katar und den USA beschlossen.

Entscheidungen wie diese machen deutlich, was nun auch immer mehr Menschen sehen, die ihr Vertrauen vor der Bundestagswahl in die Grünen gesetzt hatten: Diese Regierung hat kein Interesse an einer konsequenten Bekämpfung des Klimawandels. Im Gegenteil: Sie stärkt die Rüstungs- und Automobilindustrie, sowie die fossile Brennstoffindustrie. Das neueste Geschenk an die Ölindustrie war der sogenannte Tankrabatt, der für Endverbraucher:innen nur eine kurzzeitige Entlastung bedeutete.

Die G7 und das Klima

Fakt ist, dass die G7 für einen überproportionalen Anteil der Klimakatastrophe verantwortlich sind. Während der Zusammenschluss aus nur sieben Ländern besteht, die lediglich etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, verbuchen sie knapp die Hälfte des weltweiten Bruttonationaleinkommens und aktuell ein Viertel aller CO2-Emissionen. Der Blick in die Geschichte lässt es noch deutlicher werden: Die Staaten der heutigen G7 haben seit 1850 mehr als ein Drittel aller CO2-Emissionen ausgestoßen. Die Klimaschäden treffen die Länder des globalen Südens besonders hart. Denn sie sind es, die direkt mit dem Großteil der immer gravierender werdenden Extremwetter oder dem Anstieg des Meeresspiegels sowie den daraus resultierenden Folgen, wie zum Beispiel Hungersnöte oder Vertreibung, konfrontiert werden.

Hierbei ist eine wichtige Perspektive, dass der Klimawandel nicht primär auf Regierungen zurückgeht, sondern auf den Kapitalismus und seine gewinnmaximierenden Unternehmen. So sind es nur 100 Firmen, die für über 70 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, darunter beispielsweise Chevron und ExxonMobil mit Firmensitz in den USA oder Shell und BP mit Sitz in Großbritannien.

Doch tragen auch Staaten, die ohnehin meist die Interessen der Konzerne vertreten, eine direkte Schuld. Als Beispiel: Wäre das US-Militär ein Staat, stünde es an 47. Stelle der größten Emittenten; es hat einen höheren CO2-Ausstoß als 140 andere Staaten. Gerade die G7-Regierungen schützen, unterstützen und subventionieren die kapitalistischen Klimakiller. In Bezug auf den G7-Gipfel ist es besonders wichtig, die G7-Regierungen nicht aus der Pflicht zu nehmen. Wir müssen fordern, dass sie ihre Politik radikal verändern und die klimaschädlichen Handlungen der Unternehmen konsequent unterbinden.

Kein Verlass auf die kapitalistischen Regierungen

Aber die Vergangenheit zeigt: Wir können uns in diesen zeitkritischen Veränderungen nicht auf die kapitalistischen Regierungen verlassen. Auch die Forderungen der verschiedenen Klimabewegungen, die auch dieses Jahr wieder zu Protesten aufrufen, müssen eine antikapitalistische Perspektive beinhalten und sich nicht mit Reformismus begnügen. Ziel muss sein, den kapitalistischen Rahmen zu sprengen. Denn dieser drängt das Verhalten der Unternehmen und Regierungen immer klar in eine Richtung: Konkurrenz und Profit, und damit Umweltzerstörung und Klimaschädigung.

Nicht zuletzt versuchen die kapitalistischen Regierungen zum Schutze der Kapitalist:innen Maßnahmen auf die Individuen abzuwälzen und so die Arbeiter:innen alleinig in die Verantwortung zu nehmen. Die Reformen der G7 sind, wie die letzten Dekaden veranschaulicht haben, immer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Kapitalismus, mit seinen sich immer weiter vertiefenden Krisen, ist nicht reformierbar – weil die Zerstörung der Umwelt und des Klimas keine Fehlfunktion, sondern integraler Bestandteil dieser Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist. Sie basiert auf der Ausbeutung des Menschen und der Natur. Beispielsweise sicherte US-Präsident Biden erst kürzlich dem Bau von zehn neuen Flüssiggasanlagen in den USA zu, welche die Energieversorgung in Europa absichern sollen. Dabei muss allerdings festgestellt werden, dass allein die jährliche Nutzung dieser Anlagen rund 25 Millionen Tonnen Treibhausgase zusätzlich ausstoßen. Von den Ressourcen zum Bau und den weiteren Umweltschäden der Anlagen ganz abgesehen.

Wenn die Profitquelle an einer Stelle versiegt, wird anderswo eine neue erschlossen – zur Not auch mit Gewalt. Sichtbar wurde all dies durch unzählige wirtschaftliche und geopolitische Kriege, Embargos oder Freihandelsabkommen. So hängen auch Klimakrise und Imperialismus zusammen: Kapital will investiert werden, der Markt erweitert werden, ob im eigenen Land oder in anderen, ob nachhaltig oder nicht. In diesem Sinne bleibt auch die Analyse Rosa Luxemburgs aktuell, vom “tiefen fundamentalen Widerstreit zwischen Produktionsfähigkeit und Konsumtionsfähigkeit der kapitalistischen Gesellschaft […], der sich gerade aus der Kapitalakkumulation ergibt, der sich periodisch in Krisen Luft macht und der das Kapital zur beständigen Markterweiterung antreibt.” In Fortführung schreibt Lenin in seiner Abhandlung zum Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus:

„Die Notwendigkeit der Kapitalausfuhr wird dadurch geschaffen, das in einigen Ländern der Kapitalismus „überreif“ geworden ist und dem Kapital (unter der Voraussetzung der Unentwickeltheit der Landwirtschaft und der Armut der Massen) ein Spielraum für „rentable“ Betätigung fehlt.“

Kurzgesagt: Kapital beutet Menschen und Natur aus, wo es kann.

Deswegen brauchen wir einen Systemwandel, statt ewige Spielchen mit Reformen. Denn wenn wir etwas nicht haben, dann ist es Zeit. Deshalb spricht sogar der Klimabericht IPCC von der Notwendigkeit eines Systemwandels, um dem Klimawandel zu begegnen. Wir können uns nicht auf die kapitalistischen Regierungen verlassen!

Systemwandel, statt grüner Kapitalismus

Doch welche Perspektive ergibt sich, die dem Geschachere der G7 und ihrer Beschwichtigung durch Reformen entgegentreten kann? Während sich die G7 die Welt neu aufteilen, fällt die Mehrheit der Arbeiter:innenklasse hinten runter. Nicht dem Klima und nicht der Mehrheit der Bevölkerung planen die G7 die Zukunft, sondern einigen wenigen Kapitalist:innen, die jetzt schon am meisten von der Ausbeutung der Menschen und der Rohstoffe profitieren. Die Interessen der Arbeiter:innen, nämlich wahrhaftigen Klimaschutz zu betreiben und so die existentiellen Grundlagen aller zu schützen, werden für Profitmacherei und Luxussicherung Weniger ausverkauft, weswegen die Arbeiter:innen international aufstehen müssen, um sowohl für die eigene Gerechtigkeit als auch für das Klima zu kämpfen; denn sonst tut es niemand.

Dafür muss der Kapitalismus überwunden werden, welcher die Ausbeutung der Natur und der Arbeiter:innen braucht, um funktionieren zu können. Die Kontrolle über die Produktion und Interessen der Massen müssen die Arbeiter:innen selbst übernehmen, da in letzter Konsequenz der kapitalistischen Logik kein:e Kaptialist:in Klimaschützer:in sein kann. Der von Liberalen beschworene Markt kann folglich nicht so reformiert werden, dass er zu Gerechtigkeit und Klimaschutz führt. Es braucht stattdessen eine internationale Planwirtschaft, die an Stelle des derzeitigen kapitalistischen Wettbewerbs, die Klimafrage nicht als einen neu zu erschließenden Markt ansieht, sondern umweltfreundliche Produktion zugunsten aller Menschen ermöglicht. Die Ausbeutung des globalen Südens hinsichtlich seiner Rohstoffe und Arbeitskraft; Lieferketten, die Centbeträge für Arbeiter:innen bedeuten und massive Überproduktion: Das sind Probleme, die dem Kapitalismus eigen sind; das sind Probleme die nur ein internationaler, sozialistischer Plan lösen kann. Nur durch einen solchen Plan kann die Zusammenarbeit der Menschen, hin zur Bekämpfung der Klimakrise über Ländergrenzen hinweg funktionieren. Und nur durch einen Plan kann eine solche Bekämpfung gerecht verlaufen.

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