Der palästinensische Kampf um den Tempelberg

24.07.2017, Lesezeit 6 Min.
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Zum ersten Mal seit 1969 wurde in der vergangenen Woche kurzzeitig der Zugang zur Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem verboten. Als eine Reaktion auf den Mord an zwei israelischen Soldaten gedacht, zielte diese Provokation darauf ab, den unterdrückten Palästinenser*innen weitere Rechte zu beschneiden und sie abermals anzugreifen.

Inzwischen beten diejenigen, die zur Moschee wollen, nur noch draußen, da sie es nicht akzeptieren wollen, dass die israelische Besatzungsmacht in ihrer Stadt willkürlich entscheidet, wer zum Gebet darf und wer nicht. Ebenso nehmen sie es nicht hin, dass Metalldetektoren angebracht wurden, und nur noch Männer über 50 Jahren sowie Frauen Zugang zur Moschee haben. Es war schon ein reiner Skandal, dass die repressiven israelischen Einsatzkräfte den Zugang zur heiligen Stätte versperrten. Noch dazu griffen die Einsatzkräfte jegliche Demonstrationen an und sorgten für eine absolute Abriegelung des Tempelberges.

Das Ergebnis waren wütende Proteste, die mit Tränengas, Blendgranaten, Gummigeschossen und Wasserwerfern beantwortet wurden. Mittlerweile gab es allein am Freitag sechs Tote und über 400 Verletzte — Resultat der zionistischen Besatzung, die nebenbei auch alle internationalen und bilateralen Verträge verletzt. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas von der Fatah, brach sodann sämtliche Kontakte zu Israel ab. Er erklärte: „Ich erkläre für die palästinensische Führung: Alle Kontakte mit dem Besatzungsstaat Israel werden abgebrochen. Wir machen das so lange, bis Israel seine Maßnahmen gegen die palästinensische Nation, Jerusalem und die Al-Aksa Moschee beendet. Wir lehnen die Metalldetektoren ab.“ Es gehe dabei nicht um Sicherheitsmaßnahmen, so Abbas. „Das ist eine politische Maßnahme.“ Freitag Abend wurden auch drei Israelis infolge einer Messerattacke in der illegalen Siedlung Halamisch im Zentrum des Westjordanlandes getötet.

Soweit die Fakten. Was sind die Hintergrund dieser Auseinandersetzungen?

Unterdrückung und Widerstand

Nichts weiter als oberflächlich wäre es zu sagen, die jetzige Auseinandersetzung drehe sich nur um die Frage, ob Metalldetektoren angebracht werden dürfen oder nicht, oder wer überhaupt Zugang zum Tempelberg haben sollte oder nicht. Der israelische Staat nahm die Eskalation mit den zwei getöteten Besatzungssoldaten durch drei auf der Flucht erschossene israelisch-arabische Angreifer vom 14. Juli als Anlass, diese Maßnahmen in die Wege zu leiten, damit der Tempelberg – eine sowohl für jüdische als auch für muslimische Menschen heilige Stätte – am besten früher als später in die alleinigen Hände des zionistischen Staates fällt. Die anschließenden Proteste jener Menschen, die sich gegen die Besatzung ihres Landes wehren, griff sie erbarmungslos mit dem Ziel an, dass sich der Widerstand nur nicht auf andere Sektoren ausweiten sollte. Nach Zeugenberichten drangen die israelischen Streitkräfte gar bis in die Krankenhäuser ein, um die Verletzten zu suchen.

Der israelische Staat will mit dieser Maßnahme nicht nur seine Kontrolle über den Tempelberg (auf arabisch Al-Haram-Asch-Scharif) ausweiten, sondern jeglichen Widerstand gegen die Besatzungsmacht schon im Keim ersticken. Finanziell unterstützt und militärisch hochgerüstet von den imperialistischen Mächten, die mit diesem Staat eine sehr wichtige Basis im Nahen Osten haben, will die rechtskonservative Regierung um Benjamin Netanyahu Schritt für Schritt das palästinensische Volk zersplittern und ein Leben in ihren Gebieten schier unmöglich machen. Die Unterdrückung erstreckt sich dabei auf alle Ebenen: Es ist nicht genug, die Gebiete im Westjordanland und Ostjerusalem militärisch zu kontrollieren; es ist nicht genug, in der Manier der Apartheid die dortige Bevölkerung von den kolonialistischen Siedler*innen und den überlebenswichtigen Ressourcen zu trennen — was aus der Sicht des zionistischen Staates notwendig ist, ist die Brechung jeglichen Widerstandes des entrechteten palästinensischen Volkes.

Doch die Proteste gegen die Schließung des Tempelberges zeigen, dass der palästinensische Befreiungskampf nicht so einfach zu brechen ist. Seit Tagen weitete sich der Protest auf andere Städte aus, weitere Tausende demonstrierten in Gaza und anderen okkupierten Städten. „Zum Preis meiner Seele, zum Preis meines Blutes werde ich ihnen die Al-Aqsa wiedernehmen“, so eine Parole aus den kämpferischen Demonstrationen.

Es wäre falsch, diese Reaktionen als rein religiös zu erklären. Die Auseinandersetzung sind Ergebnis der jahrzehntelangen Unterdrückung, die nicht erst 1967 mit der Besatzung des Westjordanlandes begannen, sonder schon mit der gewaltsamen Staatsgründung Israels 1948. Es ist wichtig, daran angesichts der liberalen Illusion der Zwei-Staaten-„Lösung“ zu erinnern, dass die blutige Vertreibung von rund 750.000 Palästinenser*innen die Grundlage für den zionistischen Staat darstellt.

Der Widerstand gegen diese menschenverachtende Unterwerfung ist legitim und es ist eindrucksvoll, dass seit dem 14. Juli an jedem Tag demonstriert wurde – noch dazu inmitten eines Klimas der beispiellosen Repression und Militarisierung, wie es für uns in Europa unvorstellbar ist, aber für das palästinensische Volk zum bitteren Alltag gehört. Zusätzlich wurde in Verbindung zu den Freitagsgebeten der „Tag des Zorns“ ausgerufen, Tausende beteten in der Nähe des Tempelberges.

Die immer wiederkehrenden Proteste gegen die zionistische Okkupation zeigen, dass die Wut auf die Besatzungsmacht schier unendlich ist. Es ist wichtig, dass die Demonstrationen und Kundgebung weiter anhalten, um den Druck auf den Staat aufrecht zu erhalten und weitere Teile des palästinensischen Volkes zu mobilisieren.

Der heroische Befreiungskampf muss dabei auch als Anlaufpunkt dazu dienen, dass sich die revolutionäre Linke in Deutschland nicht nur mit dem Widerstand solidarisiert, sondern vor allem Druck auf die eigene Staatsführung aufbaut, die jüngst in einen korrupten Rüstungsdeal über U-Boote mit der israelischen Regierung geraten war. Zwei Seiten einer Medaille: Während Benjamin Netanyahu in den größten Korruptionsskandal in der Geschichte Israels involviert ist, müssen wir hierzulande dafür sorgen, dass diese schamlose Korruption aufgeklärt wird und jegliche Waffenlieferungen nach Israel und überall anders seitens des deutschen Imperialismus aufhören.

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