Der Lackmus-Test bei der Vivantes Service GmbH

16.08.2017, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

In den letzten Wochen ist es um den Arbeitskampf bei der Vivantes Service GmbH (VSG) erstaunlich ruhig geworden. Unser Gastautor, ein Beschäftigter der VSG, wird immer wieder von Kolleg*innen angesprochen, was denn nun der aktuelle Stand sei. Ein Versuch einer Antwort.

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Neulich wurde ich von einer Kollegin mit folgenden Worten angesprochen: „Na? Wie sieht es aus mit eurer Streikerei? Kommt da auch mal was bei rum? Die CFM bekommt ja jetzt immerhin 11€, aber bei uns tut sich nichts. Wir müssen für euch ja nur ständig mit ackern.“

Na, da habe ich doch einiges dazu zu sagen!

Kurz zur CFM

Michael Müller hatte am 6. Juli angekündigt, dass in der Charité Facility Management die Löhne auf 11€ die Stunde angehoben werden sollen. Am 13. Juli gab der Aufsichtsrat der Charité das dann auch bekannt. Doch auf konkrete Schritte warten die Kolleg*innen bis heute – ein tatsächliches Angebot liegt noch nicht vor, und viele Kolleg*innen halten die 11€ auch für viel zu wenig, um dafür einen Tarifvertrag zu unterschreiben – denn auch wenn es für viele ein satter Zuschlag zu ihrem aktuellen mickrigen Verdienst darstellt, bleibt es eine Abwertung ihrer Arbeit, solange es keine im Koalitionsvertrag vollmundig versprochene Angleichung an den TVöD gibt.

Trotzdem ist interessant, dass bei der CFM plötzlich die Politik über Löhne entscheiden darf, während das für die VSG „nicht darstellbar“ ist. Dort wäre nur die Geschäftsführung der VSG zuständig. Bei der Charité traut sich also unser aller eigentlicher Arbeitgeber (das Land Berlin ) für über 2000 Beschäftigte mehr zu, als bei dem Pendant Vivantes mit unheimlichen 350 VSG-Beschäftigten.

Weder die CFM noch die VSG verlangen jetzt sofort den hundertprozentigen Flächentarifvertrag. Was aber unbedingt jetzt festgeschrieben werden muss, ist ein terminierter Stufenplan in den TvöD.

Wir vertrauen den Versprechungen der Senatsparteien und den von ihnen bestellten Geschäftsführungen nicht einmal ansatzweise! Wer einen klar formulierten Text im Koalitionsvertrag hinterher mit abstrusen Textauslegungen uminterpretieren will, ist eben nicht vertrauenswürdig. Angleichung heißt und bedeutet AnGLEICHung und hat mit dem Worten Annäherung oder Anhebung weder vom Sinn noch der Buchstabenanzahl etwas gemein. Mich würde nicht wundern, wenn sie im Duden auf verschiedenen Seiten zu finden sind.

Ohne schriftlich fixierten Terminplan für eine Angleichung an den TvöD sind die 11€ nichts anderes als eine Bestechung der absichtlich Unterbezahlten. Wie bei einem Hund, dem Diebe einen Knochen vorwerfen, um an ihm vorbei zum Zaster zu kommen, sollen sie die „Störenfriede“ spalten und ablenken. Sie werden weiterhin an keiner Lohnerhöhung der TVöD-Runden teilnehmen und in absehbarer Zukunft wieder auf dem Niveau landen (trotz 11€), auf dem sie jetzt stehen. Denn die Inflation steigt weiter und ist im Gegensatz zu den 11€ nicht statisch!

Ganz „kurz“ zu ver.di

Vorab, es ist meine Gewerkschaft! Es gibt für mich keine Alternative im Arbeitskampf! Ich bin bereit, alles in meiner Macht Stehende zu tun, sie zum Erfolg zu zwingen, ob sie wollen oder nicht! Und dennoch… gerade läuft ein cooler Spruch durch ver.di:

Die VSG ist der Lackmustest im Kampf für gerechte Bezahlung im kommunalen Gesundheitswesen.

Wie dieser Test abläuft? Dazu habe ich ein Bild vor den Augen, welches ich mit euch teilen will:

Im ver.di-Hochsicherheitslabor wird ein Lackmus-Streifen auf den Tisch gelegt. Da es weder gewünscht ist, eine KLASSENKAMPF-ROTE noch eine BASIS-che blaue Reaktion zu erreichen, wird ein ver.di-Sekretär mit je einer Pipette Säure und Lauge aufgefordert, in zwei Meter Abstand am Tisch vorbei zu rennen, bevor er die kostbaren Tropfen wieder ins Lager zurück bringt. Nachdem alle ganz wichtigen hauptamtlichen ver.di-Funktionär*innen sich nun ihre Schutzbrillen aufgesetzt haben, versammeln sie sich um den Tisch mit dem jungfräulichen Teststreifen und warten volle zwei Stunden auf eine Reaktion. Da der Streifen ohne direkte Einflussnahme weiterhin gelb bleibt, sind sich sofort alle ver.di-Bürokrat*innen darüber einig, dass das ja klar war: Es wären nach wie vor viel zu wenige Teststreifen, und die paar, die es gibt, sind unfähig sich zu verfärben. Einige wussten schon immer, dass sowieso kein Teststreifen Lust hat, sich für Verfärbungen anzustrengen. Mehr als ein Gelb ist also nie erreichbar. Das wüssten sie aus Erfahrung.

Test erfolgreich und ohne gefährliche Nebenwirkungen abgeschlossen.

Nun zum Vivantes-eigenen „Verein der stinkenden Gehälter“ (kurz VSG)

Doch, wir haben schon etwas erreicht. Nur unserem Kampf ist es zu verdanken, dass die mit einem Betriebsübergang in die VSG gepressten 500 TVöD-Beschäftigten nach nur einem Jahr wieder still und leise in den Mutterkonzern Vivantes zurückgeholt wurden. Wir haben mit unseren „Besen“ wohl in Ecken gewirbelt, die besonders schmutzig waren.

Die Geschäftsführung der VSG setzt nun einseitig Verbesserungen für die 350 verbliebenen tariflosen Beschäftigten um (ohne Unterschrift und Friedenspflicht der Gewerkschaft). Diese werden zwar nach „Nase“ bezahlt, aber ohne unseren Kampf sähe so in etwa der von den „Machern“ hinter den Kulissen für uns ausverhandelte Tarifvertrag der nächsten Jahre aus. Vermutlich sogar noch schlimmer, denn ihr erstes Angebot war noch schlechter.

Dass niemand diese Erfolge wahrnehmen will, hat mehrere Ursachen.
1. Wir sind immer noch meilenweit von unserem Ziel „TVÖD für Alle“ entfernt.
2. Eine gruselige Demotivierungskampagne verschiedener gruseliger Beteiligter aus Politik, Geschäftsführung und Gewerkschaft
3. Undurchsichtige und unsinnige bürokratische Hürden, und
4. die Tatsache, dass niemand Siege wahrnehmen will, wenn sie nicht hundertprozentig sind.

Wie bei einem Fußballspiel, in dem der Favorit nur mit 1:0 gewonnen hat. Wenn er dann nicht wenigstens Weltmeister geworden ist, hat er in den Augen der „Besserbescheidwisser“ jämmerlich versagt.

Es stimmt: Den Erfolg muss man an den vorher gesetzten Zielen messen. Aber diese „Besserbescheidwisser“ halten uns auch beim Erreichen unseres Zieles auf. Ich bin überzeugt, wenn alle Gewerkschaftsmitglieder der VSG mal die Backen zusammengekniffen und bedingungslos mitgestreikt hätten (als wir noch streiken durften), hätten wir schon den TvöD 110%.

Aber wie immer verstecken sie sich hinter dem Versagen des okkulten, fremdartigen und außerirdischen ver.di-Apparates, wobei sie selbst aktiv versuchen, den oben erwähnten Lackmustest zu sabotieren. Sie haben immer eine Begründung, warum sie selber bei Streiks nicht aktiv sein können – nur sind diese Begründungen bei objektiver Betrachtung fast ausschließlich egoistischer Natur.

Sie verstehen immer noch nicht, dass nur durch ihre eigene Aktivität der IST-Zustand durchbrochen werden kann, der dazu führt, dass ver.di, ihr Lohn und ihr Arbeitsalltag so sind, wie sie jetzt sind.

Ein Schulterschluss von unten

Was wir brauchen, ist ein Schulterschluss von unten, um unsere Ziele gegen die Geschäftsführung und auch gegen den ver.di-Apparat durchzusetzen. Wer anderen die Entscheidungen überlässt, brauch sich nicht wundern, wenn diese Entscheidungen zu seinen Ungunsten ausfallen.

Noch haben wir alles selbst in der Hand, wir müssen die Faust nur schließen und zusammenstehen!

Wir haben das Ziel weiterhin im Blick und keine Sekunde aus den Augen verloren!

Eins muss aber auch klar sein: Egal, was wir am Ende erreichen werden, wir dürfen nie wieder im Kampf innehalten. Denn unsere Widersacher sind durch kapitalistische Gesetzmäßigkeit gezwungen, uns zu bestehlen. Sie werden nicht damit aufhören.

Sorgen wir dafür, dass dieser Spätsommer ein besonders heißer wird!

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