Ein Tag des Kampfes, der Repression und der Solidarität bei PepsiCo

28.07.2017, Lesezeit 5 Min.
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Am Mittwoch versammelten sich einige hundert Arbeiter*innen und Aktivist*innen vor dem Obelisk von Buenos Aires auf der Straße des 9. Juli, eine der breitesten Straßen der Welt. Ihr Ziel: Die Straße zu blockieren, um auf die Schließung einer Fabrik des multinationalen Konzerns PepsiCo aufmerksam zu machen.

PepsiCo schloss den Betrieb im Industriegürtel nördlich der Stadt, angeblich aufgrund der fehlenden Wirtschaftlichkeit der Fabrik. Der Fakt, dass der Konzern immer noch Milliardengewinne verbucht und Produkte aus Chile einfliegen lässt, zeigt jedoch, dass es sich hierbei wohl um eine Ausrede handelt. Wahrscheinlich geht es darum, einen kämpferischen Betriebsrat loszuwerden. Schon seit Jahren tobt ein Kampf in der Fabrik: Die CEOs und die Gewerkschaftsbürokratie auf der einen Seite und kämpferische Arbeiter*innen auf der anderen.

Eine lange Tradition des Kampfes

2001 entließ der Konzern 100 outgesourcte Arbeiterinnen, woraufhin sich der Betriebsrat spaltete. Ein Teil nahm die Entlassungen hin und der andere Teil kämpfte für die Wiedereingliederung. Im Zuge davon wurden kämpferische Betriebsräte suspendiert und weitere Aktivist*innen entlassen. Eine breite Solidaritätskampagne, an der sich unter anderem auch Soziolog*innen und Psycholog*innen beteiligen, um die extreme Belastung der Arbeiter*innen aufzuzeigen, verschaffte dem Thema eine breite Öffentlichkeit und schädigte das Image des Konzerns. Letztendlich brachte diese Kampagne PepsiCo dazu, Personen mit Behinderung anzustellen und für wohltätige Zwecke zu spenden, um das Image nicht zu beflecken und nach einem langen Kampf wurden einige der Entlassenen 2004 wieder angestellt.

Diese Erfahrung politisierte große Teile der Belegschaft, die seitdem auf Selbstorganisierung setzt, um gegen die extrem prekären Arbeitsbedingungen und den Verrat der Gewerkschaftssekretär*innen zu kämpfen.

Die Belegschaft erhält massiv Solidarität

Als die Arbeiter*innen am 20. Juni zur Frühschicht kommen, erfahren sie von der Schließung der Fabrik. Diese erfolge laut PepsiCo, weil sie sich in einem Wohngebiet befinde, in dem es keine Möglichkeiten für Vergrößerungen und Modernisierungen gäbe, sowie aufgrund logistischer Schwierigkeiten und daraus resultierender Kosten.

Ein Teil der Belegschaft akzeptiert die Bedingungen, wonach die Arbeiter*innen bis zum 31. Juli ihren Lohn erhalten sollen, sowie eine Entschädigung von 200 Prozent verglichen mit der gesetzlich vorgeschriebenen. Genauso nahm die Gewerkschaft der Lebensmittelbranche unter Führung von Rodolfo Daer die Schließung ohne jeglichen Protest in Kauf.

Der Teil der Belegschaft, der für seine Arbeitsplätze kämpft, besetzte nach wenigen Tagen die Fabrik. Dies sorgte für mediale Aufmerksamkeit und eine breite Solidaritätskampagne. Umfragen ergaben, dass über 55 Prozent der Bevölkerung Sympathien für den Kampf haben. Arbeiter*innen von verschiedenen Betrieben im In- und Ausland schickten Solidaritätsbotschaften, die #NiUnaMenos-Bewegung und viele Studierende beteiligen sich am Kampf.

Als es am 13. Juli zur Räumung der Fabrik durch die Polizei kommt, tobt stundenlang eine Straßenschlacht gegen die Polizei. Hunderte haben sich ihnen in den Weg gestellt.

Wie wird weitergekämpft?

Argentinien „rettete“ sich, wie andere Länder Lateinamerikas, die 2008 „progressive“, postneoliberale Regierungen hatten, vor der Weltwirtschaftskrise. In Wahrheit hatte sich das Land jedoch nicht von der Krise befreit, sondern diese nur verzögert. Mauricio Macri, der neoliberale Präsident, der seit zwei Jahren im Amt ist, etabliert gerade eine Austeritätspolitik nach griechischer Art: Kürzungen der Staatsausgaben, Erhöhung der Lebenskosten, eine Arbeitsmarktreform wird diskutiert.

Weil viele nun gegen Armut und für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen müssen, sehen sie PepsiCo als ein Ausdruck dessen. Dazu kommt, dass ein Großteil der Beschäftigten Frauen sind und Unterstützung durch die große Frauenbewegung bekommen, die #NiUnaMenos Sin Trabajo („Nicht eine weniger ohne Arbeit“) fordern und die geschlechtliche Komponente der Krise aufzeigen.

Jedoch führt breite Unzufriedenheit mit dem Status Quo nicht automatisch zum Sieg. Die Arbeiter*innen und ihre Unterstützer*innen arbeiten hart für die Solidarität, die sie erhalten haben. Studierende der Universidad de Buenos Aires sammeln Geld für die Streikkassen und spendeten Tausende Pesos. Die Front der Linken und Arbeiter*innen (FIT) mobilisiert, im Gegensatz zu den populistischen Parteien des Kirchnerismus, Tausende für diesen Kampf. Am 18. Juli demonstrieren 30.000 gegen die Schließung, es finden Streikversammlungen und Konzerte statt.

Repression gegen Demonstration

Als sich am Mittwoch die Demonstrierenden am Obelisken treffen, um die Kreuzung zu blockieren, droht die Polizei mit einer gewaltsamen Räumung. Diese findet letzten Endes nicht statt und die Demo startet in Richtung des Kongresses, um auf die Schließung und den Widerstand aufmerksam zu machen. Kurz vor diesem blockiert die Polizei die Demonstration. Die Wut der Arbeiter*innen, die unvermummt in der ersten Reihe stehen, steht ihnen im Gesicht. Nach kürzester Zeit sprüht die Polizei Pfefferspray in die Menge und prügelt auf sie ein. Da sich Parlamentsabgeordnete und öffentliche Figuren der FIT einschalten, wird der Demo letzten Endes die Route gewährt und sie darf weitermarschieren.

Die Arbeiter*innen von PepsiCo sind sich bewusst, dass dieser Kampf sehr lange andauern könnte. Um zu gewinnen, ist mehr Unterstützung nötig. Die Perspektive für einige ist der Generalstreik sowie die Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle. Wie der Kampf gegen die Entlassungen 2001-2004 könnte es Jahre dauern, gegen den multinationalen Konzern zu gewinnen.

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