Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

20.05.2012, Lesezeit 9 Min.
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// Gegen den deutschen Imperialismus! Für eine revolutionäre Perspektive! // Flugblatt zu den Blockupy-Protesten in Frankfurt //

Die Propaganda ist dieser Tage nicht zu überhören: Griechenland könnte aus dem Euro ausscheiden, weil die griechische Bevölkerung „falsch gewählt“ hat und nicht „versteht“, dass die „Rettungsprogramme“ für Griechenland „alternativlos“ sind. Der Ton der Aussagen zeigt: Die Vorbereitungen für den Fall, dass Griechenland aus der Gemeinschaftswährung geworfen wird, werden längst getroffen.

Die Wahlen in Griechenland zeigen eine breite Ablehnung gegen das Verelendungsdiktat der Troika unter Anleitung der eisernen Lady Angela Merkel. Auch im Spanischen Staat, Portugal, Italien, Frankreich, und in geringerem Maße auch in Deutschland gibt es Proteste gegen das Programm der Herrschenden. Proteste in Deutschland haben besondere antiimperialistische Bedeutung, denn wir erleben gerade den dritten Versuch des deutschen Imperialismus in den letzten 100 Jahren, die eigene Herrschaft über ganz Europa durchzusetzen. Nachdem zwei Weltkriege – und die dadurch verursachte Barbarei – für das deutsche Kapital ja eher ungünstig ausgegangen sind, befinden wir uns nun am vorläufigen Höhepunkt eines langfristigen wirtschaftlichen und politischen Prozesses zur Etablierung einer Europäischen Union unter deutscher Hegemonie. Dieser Prozess ist jedoch riesigen Widersprüchen ausgesetzt.

Diese Widersprüche sieht man im Ausland: Auf Plakaten in Athen wird Merkel mit Hitler verglichen. Auch andere imperialistische Mächte unterwerfen sich der deutschen Führung nur, wenn keine andere Alternative zum völligen Zusammenbruch des Euros in Aussicht ist – und selbst dann sind Episoden wie der NATO-Krieg gegen Libyen, als die europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien entgegengesetzte Politik betrieben, unvermeidlich.

Diese Widersprüche gibt es aber im geringeren Ausmaß auch im eigenen Land: Es war die ArbeiterInnenklasse in Deutschland, die mit sinkenden Reallöhnen sowie zunehmender Prekarisierung diesen Prozess und den Aufstieg des „Exportweltmeisters“ finanzierte. Es wird die ArbeiterInnenklasse sein, die ausgequetscht wird, um die ungeheuren Summen für die Rettung des Euros aufzutreiben. Egal wie der Drang der deutschen Bourgeoisie nach europäischer Vorherrschaft ausgehen sollte, die Konsequenzen werden die Lohnabhängigen in Deutschland und europaweit tragen müssen.

Denn das aktuelle Wirtschaftswachstum in Deutschland ist sehr stark von der Entwicklung der Weltwirtschaft abhängig. Die sich vertiefende Wirtschaftskrise in verschiedenen Ländern der Europäischen Union (aktuell besonders in Spanien) wird früher oder später auch in Deutschland eintreffen. Denn der deutsche Imperialismus nutzt die Krise, um den Ländern der europäischen Peripherie sein Diktat aufzuzwingen und somit seine Hegemonie in Europa zu verstärken. Die sozialen Angriffe auf die ArbeiterInnen und Jugendlichen werden quasi „exportiert“ und erstmal nicht in Deutschland durchgeführt. Das bildet die Grundlage für die relative Ruhe dieser Tage.

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Diese Widersprüche in Europa sind nichts Neues. Sie basieren letztendlich auf dem Widerspruch zwischen für die Unternehmen wichtigen Nationalstaaten mit ihren engen Grenzen einerseits und einer Wirtschaftsordnung, die längst über diese Grenzen hinausgewachsen ist, andererseits. Bereits während des Ersten Weltkrieges propagierten revolutionäre MarxistInnen angesichts der Unfähigkeit der KapitalistInnen, Europa zu vereinigen, die Notwendigkeit einer sozialistischen Föderation. Nach 100 Jahren militärischer und (zumindest offiziell) friedlicher Versuche ist die Unfähigkeit der KapitalistInnen nur noch deutlicher geworden, womit die Losungen von damals aktueller denn je sind: Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Ein starker deutscher Imperialismus wird gerade zu Hause Löhne und Arbeitsbedingungen beim ersten Anlass effektiv angreifen können. Nur ein konsequenter Antiimperialismus, eine bedingungslose Solidarität mit den ArbeiterInnen in Griechenland, Portugal, Spanien usw. wird die Rechte der ArbeiterInnen hierzulande verteidigen können. Das Programm der Angriffe durch die deutsche Bourgeoisie wird, wenn es in anderen Ländern voll durchgesetzt werden kann, mit voller Wucht auch gegen die ArbeiterInnen und Jugendlichen hierzulande angewendet werden. Ein Erfolg der herrschenden Klasse Deutschlands bedeutet also keine Verbesserungen für die Arbeitenden hier (in Form von Gewinnbeteiligungen oder ähnlichem) sondern nur eine kurzzeitige Verschiebung der Angriffe. Jetzt schon fordern UnternehmerInnen einen härteren Sparkurs von der Regierung, genau wie eine Einschränkung des Streikrechts.

Aus diesem Grunde müssen wir die kleinen Ansätze für Widerstand, die es hier im „Herzen der Bestie“ gibt, vorantreiben und zu einem Kampf gegen den deutschen Imperialismus und für internationale Solidarität ausweiten. Wir brauchen klare, praktische Solidarität zwischen den Kämpfen in Europa. Daher muss von diesen Tagen des Protestes in Frankfurt ein starkes Signal des Widerstandes gegen die Pläne der deutschen Regierung ausgehen.

Diese Solidarität muss gerade in die ArbeiterInnenbewegung hineingetragen werden – auch wenn die Gewerkschaftsbürokratie mit ihrem starken Standortpatriotismus kein Interesse daran hat, gemeinsame Kämpfe mit unseren Klassengeschwistern in Griechenland zu organisieren. Aber internationale Solidarität liefert gerade eine Grundlage für einen antibürokratischen Kampf in den Gewerkschaften.

Für eine revolutionäre Perspektive!

Wir verstehen es als unsere Aufgabe als RevolutionärInnen, nicht nur diese Ansätze für Widerstand zusammenzuführen, sondern sie auch für ein klares revolutionäres Programm zu gewinnen. Bewegungen wie „Occupy“, deren Ruf in wenigen Monaten um die Welt ging, sind an einem Punkt angekommen, wo die Frage der programmatischen Weiterentwicklung eine existenzielle Bedeutung gewinnt. Vorstellungen, dass die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ohne strukturierte Organisationsformen, Gewerkschaften und revolutionäre Parteien fundamental geändert werden könnten, werden angesichts der verschärften Klassenauseinandersetzungen und der beginnenden Intervention der ArbeiterInnenklasse als Eintagsfliegen in die Geschichtsbücher eingehen.

Die herrschende Klasse ist durch ihren Staat bereits organisiert. In den Parlamenten lässt sie ihre Entscheidungen konkretisieren, in ihren Zeitungen und Nachrichtensendungen verbreitet sie die passenden Ideologien und in ihren Polizeikesseln erstickt sie jeden Widerstand. Dieser organisierten Gewalt und ihren Strukturen von den Arbeitsämtern über die Medienmonopole bis zur Kriegsmaschinerie können wir nicht entgegentreten, ohne selbst organisiert zu sein. Deshalb treten wir für den Aufbau einer ArbeiterInnenpartei ein, die die arbeitenden Massen und die Jugend für ein revolutionäres Programm gewinnen kann, welches den Widerstand der Unterdrückten in Europa sammeln und in einen Gegenangriff umformen kann.

Eine solche Partei muss nach unserer Meinung den Klassenstandpunkt der lohnabhängigen Massen in Europa annehmen. Die EU scheitert am imperialistischen Widerspruch der bürgerlichen Nationalstaaten. Das Proletariat ist dagegen in letzter Instanz die stärkste Kraft eines notwendigen und revolutionären Internationalismus. Während Spardiktate und Fiskalpakt den nationalen Bourgeoisien Europas zum gegenseitigen Machtkampf dienen, leidet die lohnabhängige Bevölkerung in Griechenland ebenso sehr darunter, wie in Italien, England und im spanischen Staat.

Gegen diese organisierte Repression sind vereinzelte, unkoordinierte Akte des Widerstands indes machtlos. Nur die geballte Macht der ArbeiterInnenklasse, welche dank ihrer besonderen Stellung im Produktionsprozess, die gesamte Wirtschaft lahmlegen kann, wird es uns ermöglichen, dem kapitalistischen Staat entgegenzutreten: Streiks und Besetzungen werden in den kommenden Klassenkämpfen unsere stärksten Waffen sein. Die ganze Politik der Herrschenden entspringt am Ende aus ihren ökonomischen Interessen. Also greifen wir sie dort an, wo es ihnen weh tut! Diese Demo kostet sie einen 5.000-Köpfigen Polizeieinsatz. Das wird sich ihnen kaum bemerkbar machen. Ein politischer Streik der momentan kampfbereiten Metall-ArbeiterInnen dagegen schon.

Eine revolutionäre Partei muss nach unserer Meinung Internationalismus konkret machen, indem sie ihn als Perspektive in jeden Arbeitskampf trägt. Eine solche Partei kann nur aus lebendigen Kämpfen hervorgehen. Darum liegt es schon heute an uns, Gelegenheiten wie die Warnstreiks bei der IG Metall wahrzunehmen und für einen proletarischen Internationalismus und gegen den deutschen Imperialismus und dessen Marionetten in den sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsbürokratien einzutreten.

Für den Wiederaufbau der Vierten Internationale!

Unser Kampf wird nicht an einem Tag gewonnen werden. Die Aktionen von Heute müssen aus den gestrigen hervorgehen und die morgigen vorbereiten. Eine Partei, wie wir sie erkämpfen wollen, muss eine revolutionäre Strategie entwickeln. Das heißt: Entgegen vereinzelter Mobilisierungen ohne Kontinuität muss sie für die breiten Massen der ArbeiterInnen und kämpfenden Jugend eine Perspektive bieten, indem sie eine klar revolutionäre Strategie entwirft, welche die tagespolitische Arbeit von heute mit dem Ziel des sozialistischen Umsturzes von morgen verbindet. Eine Strategie die an das aktuelle Bewusstsein der lohnabhängigen Massen anknüpft, ohne sich ihm anzupassen, und es zum Ziel des Umsturzes aller bestehenden Verhältnisse und zur Eroberung der politischen Macht weiterentwickelt. Diese Strategie müssen wir nicht von Null auf neu erfinden. Uns steht der Erfahrungsschatz von mehr als anderthalb Jahrhunderten revolutionärer ArbeiterInnenbewegung zur Verfügung. Dieser ist im Programm der Vierten Internationale, dem sogenannten Übergangsprogramm von Leo Trotzki, enthalten. Deshalb denken wir, dass eine revolutionäre Partei im Rahmen eines Wiederaufbaus der Vierten Internationale entstehen muss.

Der Wiederaufbau der Vierten Internationale ist dabei keine organisatorische, sondern eine politische Aufgabe. Heute gilt es für uns, sich die Erfahrungen der historischen ArbeiterInnenbewegung, wie sie u.a. im „Übergangsprogramm“ enthalten sind, anzueignen und in die täglichen Kämpfe zu tragen. So kann die Vierte Internationale als revolutionäre Waffe der proletarischen und der anderen unterdrückten Massen in der Glut der aktuellen Kämpfe in Europa und weltweit von neuem geschmiedet werden. Deshalb kämpfen wir von RIO als Teil der Trotzkistischen Fraktion (FT-CI) für den Wiederaufbau der Vierten Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution.

  • Gegen das Spardiktat der Troika! Gegen die EU und den deutschen Imperialismus! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!
  • Antiimperialismus an die Arbeitsplätze tragen! Für proletarische Internationalismus!
  • Gegen Standortlogik und Sozialpartnerschaft! Für eine antibürokratische Strömung in den Gewerkschaften! Für demokratische Streikversammlungen und jederzeit abwählbare Streikkomitees!
  • Für eine revolutionäre Partei! Für den Wiederaufbau der Vierten Internationale! Für eine revolutionäre Strategie! Für die sozialistische Revolution!

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