Der Hass auf Bolsonaro: #EleNao

27.10.2018, Lesezeit 4 Min.
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Der extrem rechte Jair Bolsonaro erzielte bei der ersten Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen 46% und hat gute Chancen, zum Präsidenten gewählt zu werden. Woher stammt seine Beliebtheit, was für ein Programm vertritt er und welchen Widerstand erfährt er?

Während der zweiten Amtszeit des Ex-Präsidenten Lula brummte die Wirtschaft, was jedoch wenige Auswirkungen für die Arbeiter*innenklasse hatte, denn das Land war dem internationalen Finanzkapital untergeordnet. Aus diesem Grund fand die Forderung nach Verbesserung der Lebensbedingungen  im Jahr 2013 ihren Ausdruck auf der Straße. Vor allem die Bereiche der Bildung, Gesundheit und des für die Arbeit notwendigen öffentlichen Verkehrs sind im Vergleich zu den Nachbarländern sehr teuer und die Arbeitsbedingungen in Brasilien insgesamt sind sehr schlecht. Zugleich gab es Streiks. Zum Beispiel als über 200.000 Bauarbeiter*innen aus Wasserkraftwerken und den für die Fußball-Weltmeisterschaft gebauten Stadien gleichzeitig streikten. Der Versuch der PT (Arbeiterpartei, die ehemalig regierende Partei Lulas) und der CUT (mitgliederstärkste Gewerkschaft), diese Kämpfe zu zersplittern und zu diskreditieren, festigte das bereits schlechte Image der Partei.

Der Begriff der Repräsentationskrise reflektiert das Ergebnis der Kämpfe am besten, da sie sich eben nicht in einer linken politischen Kraft abbildeten, die sie vertreten hätte. Die Rechte schaffte es jedoch durch Trennung der fortschrittlichen Aspekte der Proteste von der Anti-Establishment-Strömung, sich im liberalen Teil der Jugend zu verankern. Die wurde von neoliberalen Think-Tanks finanziert und ausgebildet, die eine starke Verstrickung mit der US-Regierung haben. Die ,,Lava Jato’’-Operation, bei der mehrere Aussagen korrupter PT-Regierungspolitiker*innen geleakt wurden, schaffte der liberalen Jugendbewegung ein noch viel größeres Publikum unter dem Motto ,,Anti-Korruption’’. Diese Bewegung entwickelte sich jedoch ohne eine große Rolle Bolsonaros darin, zumindest bis zum „institutionellen Putsch“ im Jahr 2016, als die „juristische Partei“ (die Gerichte) die Regierung absägte. Die daraufhin gebildete rechte Regierung Michel Temers scheiterte durch ihre Politik daran, die Stimmung gegen die PT zu befestigen, was den Weg für eine populistische Figur eröffnete.

Bolsonaros Programm und Basis

Zur Grundsäule Bolsonaros politischer Agenda zählen die Repressionsapparate wie das Militär, in dem er nach mehreren Jahren als Fallschirmjäger immer noch Reservist ist und die Polizei, welche unter Bolsonaro weit gehende Befugnisse zur Gewaltausübung erfahren würde. Sein klassenübergreifendes Instrument ist die evangelikale Kirche, die anhand ihrer bürgerlichen Leitung den ideologischen Bestandteil der Kampagne schafft. Außerdem erfährt Bolsonaro eine große Unterstützung seitens der Kapitalist*innen, denen er schon ein Drittel der staatlichen Unternehmen für Privatisierungen versprochen hat. Diese neoliberalen Maßnahmen, die schon unter Temer umgesetzt wurden, werden sich im Falle eines Wahlsiegs vertiefen. Bolsonaros zukünftiger Finanzminister würde der ultraliberale ,,Chicago Boy’’ Paulo Guedes sein.

Widerstand

Die #EleNão (,,nicht er’’)-Bewegung ist eine Ablehnung gegen Bolsonaro. Hunderttausende Menschen demonstrierten in ganz Brasilien und weltweit gegen den Kandidaten. Ausgehend von der Parole, die ein gemeinsames Vorgehen aller demokratischen Organisationen gegen Bolsonaro vorschlägt, ist ein Wunsch zu erkennen: der nach einer Perspektive, die dem Rechtsruck entgegensteht. Diese Bewegung besteht aus vielen gesellschaftlichen Gruppen, die von Bolsonaro bis jetzt ausschließlich verbal attackiert wurden. Besonders kämpferisch waren mal wieder die Frauen, die den größten Teil der Demonstrant*innen ausmachten. Dies knüpft an andere Frauenbewegungen an, wie die ,,marea verde’’ in Argentinien oder die ,,ola Feminista’’ in Chile, die große Hoffnungen bereiten.

Wie Diana Assunção von der MRT (Revolutionäre Arbeiter*innenbewegung, eine linke Organisation in Brasilien) sagt: ,,Unser Hass auf Jair Bolsonaro muss Klassenhass sein.’’ Diese Perspektive teilen wir, da wir in der politischen Agenda von Bolsonaro einen Generalangriff aller Institutionen und Bosse auf die Arbeiter*innen, People of Color, Jugendliche, Frauen und LGBTI* sehen. Für uns ist der Internationalismus kein abstraktes Konzept, sondern eine Notwendigkeit, um dem derzeitig weltweit herrschenden Rechtsruck mit einem Kampfprogramm entgegen zu treten. Deshalb solidarisieren wir uns mit der Bewegung #EleNao.

Dieser Beitrag erscheint am 26. Oktober in der zweiten Ausgabe der Zeitung marxistische jugend, erhältlich in München (majumuc [at] gmail.com).

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