Der blutige Bonaparte Erdogan: Mörder von 86 Menschen auf einer Friedenskundgebung!

10.10.2015, Lesezeit 7 Min.
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// Barbarischer Angriff auf eine friedliche Versammlung in der Türkei. RIO erklärt sich mit den Friedensaktivist*innen solidarisch und verurteilt diesen Angriff vehement! //

Nach Angaben des türkischen Staates kamen bisher 86 Menschen bei Bombenanschlägen auf einer Friedenskundgebung im Zentrum von Ankara ums Leben. Die Zahl der Verletzten beläuft sich auf über 400. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Toten zunehmen wird. Zu diesen Kundgebung hatten zahlreiche Gewerkschaften wie die DISK oder KESK sowie zahlreiche linke Gruppen wie die HDP, DIP und SDH aufgerufen.

Die Bombe ging hoch, als die Menschen sich auf dem Platz zu versammeln begannen. Es wird stark angenommen, dass es sich dabei um ein Selbstmordattentat handelt. Inzwischen hat die EMEP (Schwesterorganisation der DIDF in Deutschland) mindestens 6 Mitglieder bei diesem Anschlag verloren. Der Innenminister der Türkei sprach indessen von einem fehlerfreien Vorgehen der Sicherheitskräfte.

Der Vorsitzender von HDP, Selahattin Demirtas, erklärte gegenüber der Presse: „Wir befinden uns gegenüber einem mafiösem Mörderstaat. Die Polizei hat die Krankenwagen daran gehindert, die Verletzten zu transportieren und hat auf die verletzten Menschen Tränengas geworfen.“ Am 20. Juli 2015 kamen in Suruc auch durch einen Selbstmord Attentat 34 junge Menschen ums Leben, die nach Kobane und Rojava Hilfsmittel und Spielzeuge für Kinder bringen wollten. Nach diesem Bombenanschlag kam es zu vehementen Kämpfen zwischen der PKK und dem türkischen Staat. Gestern noch hatte die PKK bekannt gegeben, dass sie ein Friedensangebot machen wollte. Heute hat die PKK einen einseitigen Waffenstillstand erklärt.

Der Hintergrund

Am 7. Juni konnte die AKP bei der Wahl keine Mehrheit für eine Alleinregierung erreichen, ebenso wenig für die endgültige Änderung des türkischen System hin zu einem Präsidialsystem. Das bedeutete für Erdogan einer herbe Niederlage. Es ist davon auszugehen, dass Erdogan samt seiner Familie und vieler seiner AKP-Minister*innen wegen Korruption vor Gericht gestellt werden würde, sollte es zu einer Regierung ohne der AKP kommen. Um solche Schritte gegen sich zu verhindern, braucht Erdogan einen Systemwandel in der Türkei, wo er als Staatsoberhaupt allein regieren kann. Die Funktionen des Ministerpräsidenten sollen ihm dabei übertragen werden.

Erdogan erklärte öffentlich: „Geben Sie uns 400 Abgeordnete und diese Angelegenheit wird friedlich gelöst“. Als die bürgerlich-nationalistische Zeitung Hurriyet diese Nachricht sofort bekannt machte, wurde sie bedroht. Ihr Hauptgebäude wurde von wütenden AKP-Horden angegriffen und der regierungskritische Journalist Ahmet Hakan vor seinem Haus als „Warnung“ zusammengeschlagen. Die vier Täter gaben gleich beim ersten Verhör zu, dass sie von Polizeibeamt*innen gegen Geld auf ihn aufgesetzt worden sind. Diese Woche organisierte ein gerichtlich verurteilter Mafiaboss, Sedar Peker, in der Geburtsstadt Erdogans eine Kundgebung und sagte: “Falls nötig, wird Blut ohne Ende fließen, damit der Türkische Staat mächtig bleibt.“

Anders als in der Zeit des Aufstieges der AKP konnte Erdogan jetzt die türkische Bourgeoisie nicht von eigenem Programm überzeugen. Zeitweilig hatte AKP 60 Prozent der Stimmen bekommen. Bei der letzten Wahl nur noch 41 Prozent. Dafür gibt es viele Gründe. Die türkische Wirtschaft ist höchst instabil geworden. Sie als eine Halbkolonie konnte die Abwertung ihrer Währung Lira in diesem Jahr nicht verhindern. Der hochverschuldete Staat kann kein Geld mehr für Mega-Bauprojekte großzügig zur Verfügung stellen.

Währen dessen ist die türkische Außenpolitik in Ländern wie Ägypten oder Syrien endgültig gescheitert. Die Türkei kann einen Friedensprozess nicht fortsetzen, während in Syrien eine autonome kurdische Region zustande kommt. Unter Frieden versteht der türkische Staat sprachliche Anerkennung der kurdischen Bevölkerung, um die möglichen unabhängigen Strukturen des kurdischen Volkes zu unterdrücken und eine Zusammenarbeit mit der kurdischen Bourgeoisie in der Türkei und in Irak zugunsten der türkischen Bourgeoisie zu ermöglichen. Dieser Plan kann unter den konkreten Umständen nicht aufgehen, weil sie nicht die wirtschaftliche und politische Stabilität aufzeigt, um eigene und minimale Versprechen zu erfüllen. Die türkische Bourgeoisie ist unfähig, bürgerliche Rechte in der Türkei umzusetzen.

Das bedeutet für Erdogan, dass er die Lage destabilisieren muss, um die nationalistischen Teile der Bourgeoisie auf seine Seite zu ziehen. Die Angriffe auf die Einheiten der PKK sowie der kurdischen und revolutionären Bewegung waren nicht „scharf“ genug, um die ultranationalistische MHP von einer gemeinsamen Koalition zu überzeugen. Inzwischen hat sich MHP aber bereit erklärt, nach den Wahlen am 1. November Koalitionsgespräche aufzunehmen. Bei den Wahlen zuvor am 7. Juni hatte sie das noch kategorisch abgelehnt.

Die HPD und die Perspektiven

Die herbe Niederlage der AKP am 7. Juni konnte die Wahlkrise der AKP nicht in eine Systemkrise verwandeln. Der Hauptgrund liegt hier in der Illusion der breiten Kreisen unter Linken, einen bonapartistischen Systemwandel an den Wahlurnen und im Parlament zu verhindern. Die Linke im Parlament wollte Konfrontationen möglichst vermeiden, um ihren Stimmenzuwachs nicht zu stören. In diesem Sinne wollte sie auch ihre Fähigkeit zu einer künftigen Regierungsbeteiligung unter Beweis stellen.

In mehreren kurdischen Städten kam es derweil nach dem Bombenanschlag in Suruc am 20. Juli zu bewaffneten Kämpfen zwischen der PKK und dem türkischen Staat. Um die jegliche Opposition in den anderen Städten zu unterdrücken, wurden repressive Maßnahmen eingesetzt. So darf und durfte die Polizei auf den bloßen Verdacht hin, alle Versammlungen auflösen und sogar auf Demonstrierenden schießen! Zwischen der Illusion eines Friedens mit dem Staat unter Erdogan und der repressiven Staatsmacht wurden die Arbeiter*innen und linke Aktivist*innen in der Türkei zermalmt.

In diesem Jahr sind drei Bombenanschläge auf linke und kurdische Aktivist*innen ausgeübt worden. Es ist offensichtlich, dass der türkische Staat nicht gewillt ist, die Sicherheit der DemonstrantInnen zu gewährleisten. Es steht den Organisator*innen der großen Kundgebungen selbst zu, um die Sicherheit der eigenen Teilnehmenden zu sorgen. Die beiden Gewerkschaften DISK und KESK mit den Berufsverbänden der Ärzt*innen (TTB) und der Architekt*innen und Ingenieure (TMMOB) haben für kommenden Montag und Dienstag zum Streik aufgerufen. Um diesen Streik zu stärken, sind die Studierenden in den Universitäten, die Arbeiter*innen in den Betrieben und Gewerkschaften, die Menschen in den kurdischen Städten aufgerufen, zu großen Versammlungen zu gehen, damit ein gemeinsamer und starker Generalstreik trotz der Angriffe organisiert werden kann.

Nur so können die Mörder*innen und politisch Verantwortlichen dafür vor Gericht gestellt werden! Nur so kann eine verfassungsgebende Versammlung einberufen werden! Der türkische Staat ist nicht reformierbar, er muss zerschlagen werden!

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