Der argentinische Peso fällt: Tausende demonstrieren gegen Macri und den IWF

01.09.2018, Lesezeit 6 Min.
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In den letzten Tagen ist der argentinische Peso von 35 Pesos je US-Dollar auf 40 Pesos je US-Dollar abgewertet worden. Die Regierung und der IWF drohen nun mit Sozialkürzungen. Tausende demonstrieren auf den Straßen, in den Betrieben und den Universitäten gegen die Pläne.

Am Mittwochmorgen gab Argentiniens Präsident Macri in einer ein-minütigen Rede bekannt, dass es eine neue Übereinkunft mit dem IWF gibt, der den argentinischen Staatshaushalt für 2019 absichert. Sofort nach der Rede verlor die argentinische Währung acht Prozent seines Werts, an einem einzigen Tag, der größte Kursfall in jüngerer Zeit. Der Kursfall ereignete sich, nachdem der IWF Macris Stellungnahme korrigierte und bekanntgab, dass es keine solche Vereinbarung gäbe und man höchstens darüber verhandle. Macris Strategie die Märkte zu beruhigen, indem er ihnen sagt, was sie seiner Meinung nach hören wollen, indem er Fakenews verbreitet, hat für großes Misstrauen gegenüber Argentiniens Regierung gesorgt.

Argentiniens größte Gewerkschaften, CGT und CTA, riefen zum Generalstreik auf, nachdem der Peso fiel. Allerdings nicht vor Ende September, was angesichts der enormen Krise, die Minuten zu Stunden und Stunden zu Tagen werden lässt, wie eine Ewigkeit erscheint.

Die letzte Wirtschaftskrise verwandelte sich schnell in eine politische Krise. Dies führt zu einem Teufelskreis, in dem die politische Instabilität und Unsicherheit die wirtschaftliche Krise beschleunigt, welche wiederum die politische Krise weiter anheizt, ohne dass ein Ende in Sicht wäre.

Das geschieht zu einer Zeit, in der das Justizsystem eine Kampagne gegen die ehemalige linksgerichtete Regierung unter Christina Kirchner aufgrund der zahlreichen Korruptionsskandale führt. Vergleichbar mit den Mani Pulite (italienisch für „weiße Hände“, Bezeichnung für umfangreiche juristische Untersuchungen gegen Korruption) in Italien oder der jüngeren Lava Jato in Brasilien, haben eine Reihe von Geschäftsleuten und Politiker*innen sich selbst schuldig gesprochen, Bestechungsgelder gezahlt oder angenommen zu haben, um im Gegenzug politische Gefälligkeiten oder Regierungsaufträge zu erhalten. Ein Skandal wurde als #CuadernoGate oder #NotizbuchGate bekannt, weil er mit der Entdeckung einer Reihe von Notizbüchern begann. Diese Notizbücher, oder vielmehr die Fotokopien der Notizbücher, die Originalen sind nie gefunden worden, enthielten Informationen über die Höhe der Bestechungsgelder und wann und wo diese genau übergeben wurden.

Der Effekt, den dieser Skandal auf die Wirtschaft ausübte, war derselbe, wie zuvor in Brasilien. Die in den Skandal verwickelten Unternehmen verloren Aufträge, ihre Aktien fielen und es folgten Entlassungswellen. Diese jüngsten, offiziellen Statistiken zeigen, dass sich die argentinische Wirtschaft nun in einer Rezession befindet. Die vorherigen Maßnahmen der Macri-Regierung zur „Dollarisierung“ der wirtschaftlichen Schlüsselelemente, wie die Strom- und Wasserversorgung sowie der Kraftstoffhandel, heizen mit jeder Anhebung des US-Dollars die Inflation weiter an, die mittlerweile die zweithöchste weltweit ist, hinter Venezuela. Zur Überwindung der Krise plant die Regierung weitere Kürzungsmaßnahmen. Als Gegenleistung bietet der IWF die Bereitstellung eines Rettungsschirms an, um seine Schulden an den selben IWF zurückzahlen zu können und eine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.

Die Kürzungsmaßnahmen werden sich vorwiegend gegen das Bildungs- und Gesundheitssystem richten. In Argentinien gibt es nicht nur ein kostenloses und frei zugängliches Gesundheitssystem, sondern auch das Bildungssystem ist frei und kostenlos. Der IWF möchte den freien Zugang zu Gesundheit und Bildung abschaffen.

Doch die Studierenden, Lehrenden und der Rest der argentinischen Bevölkerung sind nicht bereit diese historische Errungenschaft einfach aufzugeben. Die derzeitigen Proteste bauen auf dem historischen Kampf für das Recht auf Abtreibung auf, wo Hunderttausende für das Recht auf Abtreibung auf die Straße gingen, nur damit ein dutzend Senator*innen dagegen stimmen. Der Impuls aus dieser Bewegung geht nun auch auf die Studierendenbewegung zum Erhalt der öffentlichen Bildung über.


Über 1.000 Studierende auf einer Versammlung in Jujuy, Argentinien

Überall im Land gab es Versammlungen von Studierenden, wo Tausende über die Wirtschaftskrise diskutierten, die Krise der Universitäten, genauso wie über die Forderung nach der Trennung von Staat und Kirche, eine Forderung der Bewegung für das Recht auf Abtreibung. Universitäten im ganzen Land wurden von Studierenden und Lehrenden besetzt, um gegen die mangelnde Finanzierung der Universitäten zu protestieren. Überall in Argentinien sind Universitätsprofessor*innen und das Universitätspersonal für 50 Tage in den Streik getreten. Bildungsarbeiter*innen kämpfen weiterhin für eine Gehaltssteigerung, die zu Beginn des Jahres eigentlich hätte beschlossen werden sollen. Die Regierung besteht weiterhin auf einer Gehaltssteigerung von nur 15 Prozent, während die Inflation bei über 20 Prozent liegt und bis zum Ende des Jahres wahrscheinlich nicht weniger als 35 Prozent betragen wird.

Donnerstagabend gab es eine Demonstration zur Verteidigung der öffentlichen Bildung, die Studierende und Lehrende auf die Straße brachte, um gegen Macris Regierung und den IWF zu demonstrieren. Werftarbeiter*innen, Krankenhauspersonal und andere betroffene Sektoren kämpfen ebenso um ihre Arbeitsplätze und erhalten dabei die Unterstützung der Bevölkerung. Die Verbindung zwischen diesen Kämpfen sorgt für eine politisierte und explosive Stimmung. Die Kämpfe haben sich ausgebreitet und sie werden sich vermutlich weiter zuspitzen.

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Als die Märkte am Donnerstag wieder öffneten, sprang der Dollar um 50 Cent auf 35 Pesos. Eine Stunde später lag der US-Dollar bei 40 Pesos. Die Krise gewinnt in einer Geschwindigkeit an Schärfe, die sich auch die größten Kritiker*innen nicht hätten verstellen können.

Die Ähnlichkeiten zur Krise von 2001, die dazu führten, dass der damalige Präsident Fernando de la Rúa mit einem Helikopter aus dem Regierungsgebäude floh, bereiten Macri große Kopfschmerzen. Die Ähnlichkeiten entgehen den Millionen von Menschen nicht, die sich bewusst sind, dass der Plan des IWF darauf hinausläuft, dass die Arbeiter*innen, Studierenden und die ärmsten Sektoren der Gesellschaft die Kosten für die Krise tragen müssen.

Der Artikel auf Left Voice.

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