Das Massaker von Uvalde ist Produkt eines schrecklichen Systems

25.05.2022, Lesezeit 5 Min.
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Symbolbild: TFoxFoto / shutterstock.com

Ein weiterer tödlicher Anschlag auf eine Schule hat das Leben unschuldiger Schulkinder und Lehrkräfte gefordert. Die Kleinstadt Uvalde in Texas wurde zum Schauplatz tragischer Barbarei. Mindestens 19 Grundschüler:innen und zwei Erwachsene wurden von einem 18-jährigen Schützen ermordet.

Die Schüsse in Uvalde sind das Schulmassaker mit den drittmeisten Opfern in der Geschichte der USA. Es wird noch tragischer durch die Tatsache, dass die meisten der Opfer zwischen sieben und zehn Jahre alt waren. Die Verantwortung für dieses schreckliche Verbrechen liegt natürlich in erster Linie bei dem Mörder selbst, der die niederträchtige Entscheidung getroffen hat, Kinder zu töten. Doch der Anschlag findet nicht in einem Vakuum statt und wir dürfen ihn nicht individualisieren. Dieses Grauen steht in einem viel größeren Kontext der Gewalt, welches dem kapitalistischen System und besonders dem untergehenden US-Imperium innewohnt.

Erst zehn Tage zuvor hatte sich in Buffalo im US-Bundesstaat New York ein Anschlag eines weißen Rassisten auf einen Supermarkt ereignet. Elf Menschen, alle von ihnen Schwarz, wurden getötet. Noch gibt es keine Beweise, dass auch der gestrige Anschlag in Uvalde rassistisch motiviert war, doch das Gespenst des Rassismus schwebt über der Tragödie. Die Einwohner:innen Uvaldes sind zu 78 Prozent lateinamerikanischer Herkunft. Die Grenzpolizei – eben jene Institution, die Migrant:innen inhaftiert und misshandelt – befand sich nach dem Anschlag an der Schule und schüchterte womöglich Eltern ohne Papiere ein, die ihre traumatisierten Kinder abholen mussten.

Während die Republikaner ihre Gedanken und Gebete senden und die Schuld auf Migrant:innen schieben, reden die Demokraten über Gesetze zur Waffenkontrolle, die sie niemals verabschieden werden. Selbst wenn sie ein solches Gesetz verabschieden würden, würde es nur dazu führen, dass psychisch kranke Menschen und Nicht-Weiße noch weiter kriminalisiert und eingesperrt würden, und noch mehr staatlicher Kontrolle unterliegen. Und während Expert:innen bedeutungslose Reden schwingen, werden Menschen – Kinder – in einer entsetzlichen Serie von Anschlägen getötet.

Waffengewalt und bewaffnete Anschläge sind eine Epidemie eines kapitalistischen Systems, das sich im Niedergang befindet, eines imperialistischen Landes, das sich vom Blut unterdrückter Nationen ernährt. Eine Gesellschaft, in der der Präsident regelmäßig Kinder in fremden Ländern mit Drohnenangriffen tötet und dann im Fernsehen für die Opfer der jüngsten Tragödie betet. Es ist eine Gesellschaft, in der eine gewalttätige, weiße, rassistische extreme Rechte auf dem Vormarsch ist – gefördert und angestachelt von Leuten wie Donald Trump, Tucker Carlson und anderen. Es ist eine Gesellschaft, die auf dem Patriarchat aufbaut, in der gewalttätige Männlichkeit geschürt wird.

Jahrzehntelange neoliberale Angriffe auf die soziale Infrastruktur, gepaart mit einer stetigen Verschlechterung der Lebensbedingungen, haben die materiellen Voraussetzungen für eine Kultur der Entfremdung geschaffen, die zu diesem unsäglichen Verbrechen führte. Die Person, die diesen Anschlag begangen hat, ist ein Monster. Aber es ist ein Monster, das der US-amerikanische Kapitalismus geschaffen hat.

Es ist ein System, das wütenden jungen weißen Männern eingeredet hat, dass nicht-weiße und queere Menschen die Ursache für ihr Leid sind, ein System, das so viele junge Menschen entfremdet und ohne Hoffnung zurückgelassen hat, ein System, das in den Jahren seit dem Schulmassaker in Columbine 1999 fast ununterbrochen Anschläge auf Schulen hingenommen hat.

Es ist ein System, das alle außer die Wohlhabendsten im Stich gelassen hat, und in welchem es fast keine Ressourcen für die psychische Gesundheit gibt. Sich eine Waffe zu besorgen ist billiger, und leichter zugänglich als einen Psychiater aufzusuchen.

Während psychische Krankheiten herangezogen werden, um Morde durch Fanatiker zu rechtfertigen, werden Menschen mit geistigen Behinderungen häufiger von der Polizei getötet als jede andere Bevölkerungsgruppe – 50 Prozent der von der Polizei getöteten Menschen haben irgendeine Form von Behinderung. In der Tat enden viele, viele Polizeieinsätze zur Überprüfung des gesundheitlichen Zustands einer Person damit, dass die Polizei genau die Person ermordet, die sie überprüfen sollte, wie im jüngsten Fall von Nygil Cullins.

Das ist das System, das beide Parteien aufrechterhalten wollen. Das ist das System, das Schulattentäter hervorbringt und dann nichts für die Überlebenden tut oder, wie im Fall der Schüler von Parkland, sie in den Selbstmord treibt. Das ist das System, das all jenen die psychologische Betreuung verweigert, die nicht reich genug sind, um sie sich leisten zu können. Anschläge auf Schulen wurden vom US-Kapitalismus hervorgebracht – im besonders kranken Kapitalismus der größten imperialistischen Macht der Welt.

Solidarität mit den Opfern, ihren Familien und allen Überlebenden. Rest in Power. Mögen wir sie rächen, indem wir gegen jeden einzelnen reaktionären Angriff und für eine Gesellschaft ohne die Gewalt und Ungleichheit kämpfen, die diese Angriffe möglich machen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 24. Mai 2022 bei Left Voice

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