CPPZ-Rückführung: Taschenspielertrick von Charité und Berliner Senat?

15.05.2019, Lesezeit 5 Min.
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Über 45 Tage streikten die Beschäftigten der Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum GmbH (CPPZ) für die Rückführung in den Mutterkonzern Charité. Doch während die Rückführung zum 1.1.2020 wahrscheinlich bei der nächsten Charité-Aufsichtsratssitzung beschlossen wird, will die Geschäftsführung im Gegenzug 20 befristet Beschäftigte entlassen. Das zeigt: Der Kampf gegen Aus- bzw. für Eingliederung und gegen Befristungen gehört zusammen.

Ohne die enorme Ausdauer der Physio- und Ergotherapeut*innen, Masseur*innen, Anmeldekräfte und anderen Beschäftigten der 100-prozentigen Charité-Tochter CPPZ wäre es nicht möglich gewesen: Mit ihrem insgesamt über 45-tägigen Streik erreichten sie, dass der Berliner Senat Ende März die Wiedereingliederung der CPPZ in die Charité beschloss. Monatelanger Druck von unten – bei dem neben Streiks auch unzählige öffentliche Aktionen wie die Teilnahme am Frauen*streik am 8. März, Veranstaltungen zur Anprangerung der Ausgliederungs- und Befristungspolitik des Berliner Senats, sowie die Vernetzung mit anderen prekären und outgesourcten Belegschaften in Berlin eine wichtige Rolle spielten – ließ der rot-rot-grünen Regierung letzten Endes keine Wahl: Die CPPZ soll aufgelöst, die Beschäftigten in die Charité überführt und nach TVÖD vergütet werden. Zudem wurde die Ausbildungsvergütung für Physiotherapeut*innen ebenfalls auf TVöD-Niveau angehoben, und ihr bisheriges Schulgeld entfällt.

Seitdem herrscht eine gewisse Abwartestimmung. Ziel erreicht? Die Beschäftigten sind zunehmend skeptisch. Grund dafür ist, dass die Rückführung zwar höchstwahrscheinlich am 17.6. im Charité-Aufsichtsrat beschlossen wird, aber wohl nicht alle Beschäftigten den Übergang in die Muttergesellschaft mitmachen dürfen.

Der Hebel: befristete Verträge. Etwa 20 Kolleg*innen und ihre Familien werden vor die Tür gesetzt, indem ihre Verträge einfach nicht verlängert werden. Es handelt sich dabei vorrangig um Kolleg*innen, die aufgrund ihrer befristeten Verträge gar nicht erst mitgestreikt hatten. Zehn von Leiharbeiter*innen besetzte Stellen wurden auch schon gestrichen. Die Message ist klar: Die Streikenden, die die Rückführung erkämpft haben, sollen gegen die befristet Beschäftigten ausgespielt werden, die nun bald keinen Job mehr haben.

Und nicht nur das: Weil der Senat sachgrundlose Befristungen in Landesunternehmen nicht länger hinnehmen will, werden auch keine neuen (unbefristeten) Stellen geschaffen. Im Endeffekt steigt die Arbeitsbelastung für die Kolleg*innen, die rückgeführt werden. Die Arbeitsverdichtung werden die Kolleg*innen kaum wettmachen können – und sicher werden dann noch mehr Therapeut*innen gehen, die unter diesen Bedingungen nicht mehr arbeiten können oder wollen.

Es handelt sich also um eine doppelte Bestrafung für den erfolgreichen Kampf: höhere Arbeitsbelastung für die Rückgeführten, Jobverlust für die Befristeten. Die Geschäftsführung lacht sich ins Fäustchen.

Und auch die Patient*innen werden leiden: Diese Revanche- und Kostenneutralitäts-Kürzungen bei der mutigen Belegschaft der CPPZ würden so direkt zu einer schlechteren Versorgungsleistung führen und somit auch auf Kosten der Gesundung der Patient*innen durchgeführt. Oder anders gesagt: Charité und Senat bereiten sich darauf vor, bisherige Therapieleistungen der Berliner*innen zu streichen.

Dass die Geschäftsführung der CPPZ diesen Taschenspielertrick von Anfang an vorhatte, darf angenommen werden. Und auch, dass der Berliner Senat und die Charité-Leitung sich ebenfalls dieser Taktik bewusst waren. Haben sie die CPPZ-Kolleg*innen ins offene Messer laufen lassen?

Hier zeigt sich erneut, wie wenig auf die Versprechungen der Bosse und des Berliner Senats zu geben ist. Auch wenn schon dutzende Berliner Belegschaften in unterschiedlichster Form für ihre Rückführung in TVÖD oder TVL gekämpft haben (und im Falle des Botanischen Gartens auch erfolgreich), wäre die CPPZ die erste Krankenhausbelegschaft in Berlin, die tatsächlich rückgeführt werden würde. Die Kolleg*innen der Charité Facility Management (CFM), denen dasselbe Versprechen auch schon einmal gemacht wurde, warten bis heute darauf. Gleiches gilt für Beschäftigte der Vivantes-Tochterfirmen.

Insofern wird die Art und Weise der Rückführung der CPPZ eine hohe Symbolwirkung entfalten. Es ist davon auszugehen, dass sie als eine Art Muster für zukünftige Rückführungen dienen würde. Deshalb wäre es fatal, wenn die Rückführung letztlich durch die Nichtverlängerung der Verträge der befristet Beschäftigten erkauft würde.
Deshalb kann die Devise nur lauten, dass der Kampf für die Festübernahme der befristet Beschäftigten aufgenommen werden muss. Die Charité bzw. der Berliner Senat müssen die Übernahme der befristet Beschäftigten garantieren.

Um das zu erreichen, müssen die CPPZ-Kolleg*innen einen Weg finden, gegen den Rauswurf der Kolleg*innen zu streiken – am besten gemeinsam mit den Kolleg*innen der CFM, die voraussichtlich ab Juli ebenfalls in den Streik treten werden. Ver.di darf sich nicht durch legalistische Argumente von diesem Kampf abhalten lassen – die Signalwirkung wäre fatal, und durch Befristung gespaltene Belegschaften in anderen outgesourcten Betrieben würden quasi kampfunfähig gemacht.

Und auch die Linkspartei muss Position beziehen: Wenn sie wirklich die Rückführung der Tochterunternehmen in Landeseigentum befürwortet, muss sie die nötigen politischen Konsequenzen ziehen. Sie muss als Regierungspartei dafür Sorge tragen, dass die Kolleg*innen übernommen werden. Passiert das nicht – womit die Koalition das Vorgehen von CPPZ und Charité legitimieren würde –, muss die Linkspartei mit der Koalition brechen. Ansonsten steht einmal mehr in Frage, auf wessen Seite die Linkspartei tatsächlich steht.

Der Kampf gegen Ausgliederung und gegen Befristung hängt aufs Engste zusammen. Wir rufen alle kämpferischen Belegschaften und politischen und gewerkschaftlichen Organisationen dazu auf, sich mit dem Kampf der CPPZ-Kolleg*innen zu solidarisieren und ihren Streik aktiv zu unterstützen, und sich der Kampagne Auslagerung und Befristung verbieten! anzuschließen.

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