CPPZ: Noch ausgegliedert oder schon zurück bei der Mutter?

06.06.2019, Lesezeit 8 Min.
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Der Kampf der Beschäftigten der CPPZ an der Berliner Charité geht weiter. Trotz Versprechen des Senats ist die Skepsis in der Belegschaft groß. Wir veröffentlichen hier ein Interview mit Stephan Strasser, dem Betriebsratsvorsitzenden, geführt von Lukas Schmolzi.

Man munkelt der Arbeitskampf der Beschäftigten der CPPZ steht vor dem Durchbruch und durch den Senat wurde eine Rückführung angekündigt. Wie haben die Beschäftigten darauf reagiert?

Wir haben zuerst von den Politikern Raed Saleh (SPD), Steffen Krach (SPD) und Tobias Schulze (Die Linke) in einer Betriebsversammlung Ende 2018 von der Rückführungsabsicht erfahren. Die Mitarbeiter*innen waren natürlich begeistert. Raed Saleh bestätigte dann am selben Tag per Textnachricht, dass die zugehörigen Beschlüsse im Abgeordnetenhaus im Sinne der Beschäftigten gefasst wurden. Inzwischen hat sich die gute Stimmung aber wieder relativiert. Die Beschäftigten sind misstrauisch, ob die Rückführung bis zum 01.01.2020 tatsächlich erfolgt, weil konkret noch nichts verbessert wurde. Erst soll laut Senat ein Konzept erarbeitet und nachgereicht werden. Wir wissen, dass Beschlüsse des Abgeordnetenhauses oft nicht umgesetzt werden. Dazu kommt, dass die Geschäftsführung die Stimmung weiter dämpft, indem sie Verschlechterungen in Aussicht stellt.

Wie kann eine Rückführung in den öffentlichen Dienst mit Verschlechterungen einhergehen?

Wir erleben, dass viele Stellen abgebaut werden. Von den etwa 190 Beschäftigten, sind ca. 60 „gestellt“, haben also einen Altvertrag mit der Charité. Die bekommen schon den TVöD. Für deren Rückführung entstehen praktisch keine Kosten. Es sind somit effektiv nur 130 Mitarbeiter*innen, die in die Charité reintegriert und zukünftig nach TVöD bezahlt werden müssen. Davon waren bis zum ersten Quartal etwa 15 Leiharbeitnehmer*innen, die nun größtenteils „abbestellt“ sind. Auch waren nicht alle Stellen besetzt. Weitere 30 der Beschäftigten der CPPZ waren Anfang 2019 sachgrundlos befristet eingestellt. Die CPPZ lässt die befristeten Verträge nun einfach auslaufen. Derzeit sind nur noch gut 20 davon übrig – Tendenz weiter fallend. Es wird auch niemand mehr eingestellt und es gibt keine Ausschreibungen mehr. Es sieht so aus, als sollen sehr viele Stellen abgebaut werden oder zukünftig unbesetzt bleiben, um die Kosten der Rückführung zu kompensieren. Dazu kommt, dass wir – um die Situation beurteilen zu können – als Betriebsrat Einblick in die realen Zahlen benötigen. Die Geschäftsführung weigert sich allerdings, dem Wirtschaftsausschuss die entsprechenden Informationen zu geben, was uns zusätzlich misstrauisch macht. Das Arbeitsgericht und eine Einigungsstelle mussten eingeschaltet werden.

Ist der Senat über den Stellenabbau informiert und hat Raed Saleh (SPD) in den letzten Monaten den Beschäftigten der CPPZ nicht versprochen, dass ausnahmslos alle zurückgeführt werden?

Raed Saleh und auch andere aus der SPD haben uns verkündet, dass die CPPZ zurückgeführt wird. Von einer lediglich teilweisen Rückführung war nicht die Rede. Die politische Absicht sei es außerdem, dass die Rückführung nicht zu Lasten der Bevölkerung geht. Das heißt, es darf keine Leistungsreduzierung und keine Verschlechterung der Versorgung im Krankenhaus stattfinden und es darf niemand gekündigt werden. Dieses politische Versprechen wird jetzt durch den Stellenabbau gebrochen. Die Folge ist Arbeitsverdichtung unter der letztendlich Beschäftigte und Patient*innen zu leiden haben.

Das ist eine schwierige Situation. Welche Lehren zieht ihr daraus und wie geht ihr jetzt damit um?

Der Senat hat hier aus meiner Sicht einen klaren Auftrag. Es kann eben nicht sein, dass die Charité die Rückführung auf Kosten der Beschäftigten durchführt. Man muss hier die Rollenverteilung und die Zuständigkeiten verstehen. Die Geschäftsführung der CPPZ baut keine Stellen ab ohne die Zustimmung des Vorstands der Charité. Der Vorstand der Charité wird vom Aufsichtsrat überwacht. Im Aufsichtsrat sitzen Matthias Kollatz (SPD) und der Regierende Bürgermeister, Michael Müller (SPD). Entscheidungsträger ist folglich der Berliner Senat. Wir setzen uns jetzt sehr stark dafür ein, dass unsere Gewerkschaft ver.di als Garant für die Rückführung eintritt und mit der Charité einen verbindlichen Überleitungstarifvertrag aushandelt. Nur dieser entfaltet die notwendige Verbindlichkeit über das Rückführungsdatum hinaus.

Aber sollte nicht auch der Senat als Garant für die Rückführung einstehen?

Wir haben den Senat natürlich darüber informiert, dass die Versprechen an die Beschäftigten der CPPZ gebrochen werden, nur geht er nicht dagegen vor. Wir fordern, dass der Senat Verantwortung übernimmt und für den Überleitungstarifvertrag und den Erhalt aller Stellen einsteht! Wegducken würde Kreise schlagen und den Berliner*innen nur schwer zu vermitteln sein. Die Rückführung soll die Arbeitsbedingungen verbessern und nicht die Beschäftigten um ihren Arbeitsplatz bringen bzw. Patient*innen um ihre Behandlung. Zusätzlich bemühen wir uns, mit Unterstützung durch ver.di, Politiker*innen als Pat*innen für die Beschäftigten mit auslaufendem Vertrag zu gewinnen.

Du bist nicht nur als Betriebsrat und Gewerkschafter über Jahre für die Rückführung eingetreten, sondern führst auch ein arbeitsrechtliches Gerichtsverfahren. Um was geht es bei dem Verfahren – ist Outsourcing zum Zwecke der Tarifflucht möglicherweise illegal?

Das ist die Kernfrage, die das Arbeitsgericht beantworten muss. Wenn es in großen Betrieben – vor allen in Krankenhäusern – Belegschaften gibt, die für die gleiche Arbeit unterschiedlich entlohnt werden, liegt der Verdacht sehr nahe. Ein weiteres Indiz ist die enge Verzahnung zwischen Mutter- und Tochterbeschäftigten. Entscheidend ist vor allem, dass Weisungen erteilt werden und die „Ausgegliederten“ weiter im Mutter-Betrieb integriert sind. Dann muss man sich die Frage stellen, ob man nicht in Wirklichkeit im Mutter-Betrieb arbeitet und dies gerichtlich überprüfen lassen. Das Stichwort heißt hier „illegale bzw. verdeckte Leiharbeit“ – die Tochterangestellten sind sozusagen (wie Leiharbeitnehmer*innen) im Mutter-Betrieb integriert. Dann winkt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beim Mutterkonzern und eine umfangreiche Gehaltsnachzahlung. Den Verantwortlichen in Tochter und Mutter drohen hingegen empfindliche Strafen – man muss sich also auf maximale Gegenwehr einstellen.

Was würdest Du anderen Beschäftigten, die ausgegliedert sind, in diesem Zusammenhang raten?

Ich kann allen Beschäftigten in solchen Konstellationen nur raten, sich (bzw. das Arbeitsgericht) die Frage zu stellen, ob es sich um illegale bzw. verdeckte Leiharbeit handelt. Es gibt dafür auch bereits Beispiele. In einem Fall in Baden-Württemberg haben sich Physiotherapeut*innen mit dem Argument der illegalen Leiharbeit juristisch erfolgreich gegen Outsourcing gewehrt. Das Arbeitsgericht hat erkannt, dass ausgegliederte Therapeut*innen im Betrieb der Konzernmutter, also dort wo Tarifbindung gilt, eingesetzt sind und Weisungen von deren Ärztinnen und Ärzten erhalten. Ich könnte mir bei der BVG-Tochter auch gut vorstellen, dass deren Angestellte im Mutter-Betrieb integriert sind. Zunächst sind Gewerkschaft und Betriebsrat geeignete Ansprechpartner. Eine konkrete Einschätzung muss aber ein Fachanwalt für Arbeitsrecht vornehmen. Man sollte nicht zu lange warten, denn die Ansprüche gehen mit der Zeit durch sogenannte Ausschlussfristen verloren. Anwalt oder Gewerkschaftssekretär können dies jedoch mit einer frühzeitigen Geltendmachung eingrenzen.

Alles in allem ist Euer Erfolg eine Sensation und dürfte gerade im Gesundheitssektor Leuchtturmwirkung haben. Was denkst du waren die Eckpfeiler eures Erfolges und wie kann man deiner Meinung nach diesen Erfolg an noch kämpfende Belegschaften weitergeben?

Zusammengefasst fußt der Erfolg bei uns auf fünf Säulen. Die erste ist die Etablierung einer Arbeitnehmer-Interessenvertretung mit den ganzen passiven Schutzfunktionen, aber auch den aktiven Möglichkeiten, die ein Betriebsrat hat. Die zweite Säule ist die Gewerkschaftliche – also der Kampf für einen Tarifvertrag inklusive Streik. Die dritte Säule ist die Politik, denn sie ist verantwortlich für das, was in landeseigenen Betrieben passiert. Die vierte Säule bildet der juristische Kampf gegen das Outsourcing. Die letzte, aber sehr wichtige Säule ist die Vernetzung und der Austausch zwischen den ausgegliederten Unternehmen in Berlin – hier bietet zum Beispiel der Gewerkschaftliche Aktionsausschuss ein gutes Forum. Je aktiver die Belegschaft in den genannten Feldern agiert, desto höher schätze ich ihre Erfolgsaussichten ein.

Kann man dich bei deiner arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung irgendwie unterstützen?

Jeder der unterstützen möchte, ist selbstverständlich herzlich eingeladen, am öffentlichen Prozess am Arbeitsgericht Berlin teilzunehmen (als Beobachter). Die nächste Verhandlung ist am 28.8.19 um 9.30 Uhr in Raum 513. Eine Prozessbeobachtung bietet sich vor allem für diejenigen an, die sich ebenfalls juristisch gegen Outsourcing und Tarifflucht zur Wehr setzen möchten.

Vielen Dank!

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