China und die USA: Kriegsspiele in einer angespannten Welt

18.08.2022, Lesezeit 15 Min.
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Foto: shutterstock.com / Kim Wilson

Der Besuch von Nancy Pelosi, der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, in Taiwan hat zu einer neuen Eskalation der Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China geführt. Beijing reagierte mit dem Abschuss von Raketen direkt vor der Nase Taiwans – Kriegsspiele auf Messers Schneide.

Am 1. August landete Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, in Taiwan. Das Inselterritorium wird von der Volksrepublik China für sich beansprucht, weshalb der Besuch von Pelosi als ein Akt der Aggression betrachtet wird.

Sobald bekannt wurde, dass sie im Rahmen ihrer Asienreise einen Zwischenstopp in Taiwans Hauptstadt Taipeh einlegen würde, warnten chinesische Vertreter vor den schwerwiegenden Folgen, die ein solcher Besuch nach sich ziehen könnte. Zwei Tage nach dem Besuch begann China mit umfangreichen Militärübungen in der Taiwanstraße (Ergänzung: die Meerenge zwischen der Volksrepublik und Taiwan). Die chinesische Marine blockierte fast den gesamten Seeverkehr, und mindestens neun Raketen wurden über Taiwan abgefeuert, von denen mehrere in der ausschließlichen Wirtschaftszone Japans landeten, wie die japanischen Behörden mitteilten.

Der Besuch führte zu einer Eskalation der Spannungen, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Die zwischenstaatlichen Beziehungen sind außerdem bereits durch eine Anspannung geprägt, die sich seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, einem wichtigen Verbündeten Beijings, nochmals verschärft hat. Obwohl aus verschiedenen Gründen weder China noch die Vereinigten Staaten – geschweige denn Taiwan – die Absicht zu haben scheinen, den Grad der Aggression weiter zu erhöhen, ist die Wahrscheinlichkeit, den sprichwörtlichen Bogen zu überspannen und in einem ungewollten Flächenbrand zu enden, denkbar hoch.

Taiwan und der Imperialismus

Taiwan wurde als ein von China getrennter Staat gegründet, als die nationalistische Kuomintang, die zuvor von der Kommunistischen Partei Mao Zedongs in der Revolution von 1949 besiegt wurde, auf die Insel übersiedelte und ein Regime errichtete, dass der Volksrepublik feindliche gegenüberstand. Von da an bis ins Jahr 1971 hatte Taiwan mit Unterstützung der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten die Vertretung Chinas in den Vereinten Nationen (UN) für sich beansprucht. Im Oktober 1971 jedoch erkannte die UN-Resolution 2758 die Volksrepublik China als „die einzigen legitimen Vertreter Chinas bei den Vereinten Nationen“ an und erklärte, dass die UN „die Vertreter von Chiang Kai-shek unverzüglich von dem Platz vertreiben werden, den sie unrechtmäßig bei den Vereinten Nationen einnehmen“.

Als Teil einer Politik zur Isolierung der Sowjetunion reiste Richard Nixon 1972 zu einem historischen Gipfeltreffen mit Mao nach Beijing und leitete damit eine neue Phase der imperialistischen Politik gegenüber China und Taiwan ein, die als „strategische Zweideutigkeit“ bekannt wurde. Sie bestand im Wesentlichen darin, die formelle Anerkennung Taiwans – welches die Anerkennung als Staat in der UNO zuvor verloren hatte – zurückzuhalten, während man sich zeitgleich besorgt über jegliche Bedrohung der Unterwerfung Taiwans durch Beijing äußerte. All das geschah, obwohl Nixon nie klarstellte, ob die Vereinigten Staaten Taipeh im Falle einer chinesischen Invasion zu Hilfe kommen würden. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, Taiwan umfangreiche wirtschaftliche Unterstützung und andere Ressourcen zukommen zu lassen.

Vor dem Hintergrund dieser Annäherung an die Vereinigten Staaten und des Abklingens des Kalten Krieges schlug der chinesische Staatschef Deng Xiaoping die Doktrin „Ein Land, zwei Systeme“ vor und unternahm damit die ersten Schritte zur kapitalistischen Restauration in China. Der Vorschlag zielte darauf ab, einen Rahmen für die Rückgabe der von Großbritannien und Portugal beherrschten Gebiete Hongkong und Macao zu schaffen, richtete sich aber auch an Taiwan. Taiwan hat diesen Ansatz jedoch stets abgelehnt. Führende Persönlichkeiten wie der frühere Präsident Lee Teng-hui vertraten eine Zwei-Staaten-Lösung, die von Beijing abgelehnt wurde.

Die Beziehungen zwischen China und den USA sind seit Obamas Ankündigung des „pazifischen Drehpunkts“ vor 11 Jahren von wachsender Feindseligkeit geprägt. In den vergangenen Jahren haben die Vereinigten Staaten hart daran gearbeitet, in Asien ein Protagonist zu bleiben, indem sie sich in jedem größeren Streitfall auf die Seite ihrer Verbündeten gestellt haben – und Taiwan immer mehr in den Mittelpunkt ihres Interesses gerückt haben. Auf chinesischer Seite wurde die Frage der Wiedervereinigung Chinas und Taiwans, eine stets präsente Politik der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), mit dem Amtsantritt von Xi Jinping im Jahr 2012 stärker in den Vordergrund gerückt und ist Teil eines nachdrücklicheren Nationalismus, der das Regime kennzeichnet.

Die Situation hat sich seit 2016 noch weiter zugespitzt, als die derzeitige taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen von der Unabhängigkeit befürwortenden Demokratischen Fortschrittspartei gewählt wurde – etwa sechs Monate vor der Wahl Donald Trumps ins Weiße Haus. Trump brach mit der seit Nixon bestehenden Präsidententradition, indem er einem bilateralen Gespräch mit der taiwanesischen Präsidentin zustimmte und sie damit als Staatsoberhaupt anerkannte. Trump setzte mit weiteren Gesten fort, die damit begannen, die „strategische Zweideutigkeit“ zu entwirren, ohne dies jedoch explizit zu machen.

Die Wende in Bezug auf Taiwan war Teil einer insgesamt offensiveren Politik der Vereinigten Staaten. In den letzten fünf Jahren ist der relativ latente, auf Asien konzentrierte globale Kampf um Einflussgewinnung und -erhalt, sowie die Festigung von Allianzen den eher offeneren Reibungen gewichen. Dies war der Fall bei Trumps „Handelskriegen“, bei denen es in Wirklichkeit weniger um Handel als vielmehr um den Kampf um die Vorherrschaft bei Schlüsseltechnologien ging, ebenso traf dies auch beim Streit um 5G zu, der bis heute andauert. Diese Konflikte haben die Beziehungen zwischen den beiden Ländern noch mehr belastet und eine Situation geschaffen, die seit Bidens Amtsantritt unverändert geblieben ist.

Die Vereinigten Staaten, die nach verschiedenen Maßstäben immer noch führend in Technologie und Innovation sind, haben keine Zeit damit verschwendet, Beijing den Zugang zu wichtigen Verbindungen zu versperren, die es für seine technologische Entwicklung benötigt – während sie gleichzeitig mit großer Sorge Chinas erfolgreiche Initiativen beobachten, wie zum Beispiel der Beginn der Übernahme der Führung in Bereichen wie der künstlichen Intelligenz. Gleichzeitig versucht die US-Regierung, in Zusammenarbeit mit großen Privatunternehmen Ressourcen zu bündeln, um in Bereichen, in denen sie überholt wurde, wie zum Beispiel bei der Mikrochip-Produktion, wieder die Oberhand zu gewinnen. Seltsamerweise ist es Taiwan und nicht China, das vor Jahren die Führung in der Mikrochip-Produktion übernommen hat. In den letzten zehn Jahren hat die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) Unternehmen wie Intel, den früheren Branchenführer, weit hinter sich gelassen, weil es das Investitionstempo nicht durchhalten konnten, das erforderlich war, um im Rennen zu bleiben und rentabel zu arbeiten. Aber auch China hat seine eigenen Innovationen in diesem strategischen Bereich. Die Regierung Biden beabsichtigt, in diesem Sektor wieder eine führende Rolle einzunehmen, auch wenn der soeben eingerichtete 280-Milliarden-Dollar-Fonds im Vergleich zu den von ihr vorgeschlagenen Bemühungen mager erscheint.

Obwohl der Einmarsch Russlands in die Ukraine eine weitere Front eröffnet hat, die es zu bewältigen gilt, hat Biden China nicht aus den Augen verloren. In der Tat hat die Wiederbelebung der NATO durch den Krieg der US-Strategie neues Leben eingehaucht. Wie sein Vorgänger hat Biden die Gesten fortgesetzt, die die „strategische Zweideutigkeit“ in Frage stellen. Im Mai warnte er China bei einem Besuch in Tokio vor jedem Versuch, Taiwan mit Gewalt einzunehmen, und bezeichnete diese Idee als „einfach nicht angemessen“. „Wenn man eine mögliche Invasion Chinas mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine vergleicht“, so warnte er, „wird das die gesamte Region durcheinander bringen“. Und er merkte an, dass „Russland einen langfristigen Preis für seine Handlungen zahlen muss“ und betonte, dass dies „ein ähnlicher Akt wäre wie das, was in der Ukraine passiert ist“, wobei er sich auf die Sanktionen der Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Verbündeten gegen Russland bezog und andeutete, dass dies ein „Signal an China über die Kosten des Versuchs, Taiwan mit Gewalt einzunehmen“ sei.

Es ist also keine Überraschung, dass sowohl chinesische als auch US-amerikanische Strategen Szenarien entwerfen, in denen der Streit um Taiwan zu einem direkten Krieg zwischen den USA und China führt. Für den US-Imperialismus enden solche Szenarien in der Regel mit keinem beruhigenden Ergebnis.

Gründe gegen eine Eskalation

Der Konflikt um Taiwan beschäftigt die Militärs schon lange, aber Pelosis Besuch in Taipeh scheint die Situation zu verschärfen und unerwartete Reaktionen auszulösen. Der letzte Besuch eines US-Beamten gleichen Ranges fand 1997 statt, als Newt Gingrich, damals ebenfalls Sprecher des Repräsentantenhauses, einen Zwischenstopp einlegte. Aber, wie Claudia Cinatti bemerkt, „der Kontext könnte nicht unterschiedlicher sein. Während Pelosi und Biden der gleichen Partei angehören, war Gingrich ein entschiedener Gegner der demokratischen Regierung unter Bill Clinton. Und damals bestand der Konsens des imperialistischen Establishments darin, China in die ’neoliberale Ordnung‘ zu integrieren“, indem man auf seinen Beitritt zur WHO drängte.

Pelosis Entscheidung, die ohne Konsultation getroffen wurde, ist ein Zeichen für die tiefen Spaltungen im Zweiparteiensystem der USA und für die Schwäche der gegenwärtigen Regierung, die – abgesehen von der wahrscheinlich kurzlebigen Errungenschaft der Wiederbelebung der NATO und des Engagements der europäischen Partner durch den Krieg in der Ukraine – nicht viele Erfolge zu verzeichnen hat und bei den Zwischenwahlen im November eine schwere Niederlage erleiden könnte. Biden ließ verlauten, dass er Pelosi davon abgeraten habe, in Taiwan zu landen, und auch Geheimdienste und diplomatische Vertretungen lehnten dieses Vorhaben ab. Obwohl die Rivalität mit China derzeit im Mittelpunkt aller strategischen Überlegungen der USA steht, scheint dies nicht der beste Zeitpunkt zu sein, um einen offenen Konflikt zwischen China und Taiwan zu fördern. Der Präsident hat Pelosi jedoch nie offiziell gebeten, den Besuch nicht anzutreten. Die Angst, den Republikanern mitten im Wahlkampf eine neue Flanke zu bieten, war wichtiger als alle anderen Überlegungen. Außerdem wollte er Risse in den Reihen der Demokraten vermeiden, indem er den Falken der Partei (Pelosi) erlaubte, die Überlegungen des Staatsoberhauptes zu verdrängen (was manchmal von Vorteil sein kann, manchmal aber auch gefährlich, wie in diesem Fall). Wie der Experte für internationale Angelegenheiten Ian Bremmer mit einer gewissen Ironie bemerkte, hat Biden „versucht, den Besuch von Nancy Pelosi zu verhindern, aber nicht genug, um einen Streit mit ihr zu beginnen. Stattdessen riskiert er einen Streit mit China“.

Bidens Schwierigkeiten mit dem Timing in der strategisch wichtigsten Auseinandersetzung, die durch die bevorstehenden Wahlen und Probleme in seiner eigenen Regierung bedingt sind, sind ein weiteres eklatantes Beispiel für die Herausforderungen, denen sich die wichtigste imperialistische Macht weiterhin gegenübersieht, wenn es darum geht, eine kohärente Intervention zusammenzustellen. Der Grundkonflikt im politischen Establishment der USA ist der folgende: Welchen Weg sollen wir einschlagen, um zu versuchen, den Trend eines allmählichen, aber stetigen Rückgangs der US-Macht und einer Veränderung des Schwerpunkts der kapitalistischen Weltwirtschaft in Richtung China umzukehren?

China jetzt zu provozieren, könnte, wie der Kolumnist der New York Times, Thomas Friedman, kürzlich feststellte, gefährliche Auswirkungen auf den Krieg in der Ukraine haben, in welchem es Russland gelingt, im Donbas Fuß zu fassen – allerdings zu einem viel höheren Preis, als Putin ursprünglich erwartet hatte. China hat sich zwar, wie viele andere Länder auch, den von der NATO verhängten Wirtschaftssanktionen nicht angeschlossen, scheint aber die Warnungen der Vereinigten Staaten vor jeglicher Unterstützung Russlands zur Kenntnis genommen zu haben. Friedman zitiert einen „hochrangigen US-Beamten“, dass Biden „Präsident Xi Jinping persönlich gesagt hat, dass Beijing den Zugang zu seinen beiden wichtigsten Exportmärkten – den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union – riskieren würde, wenn China an der Seite Russlands in den Krieg in der Ukraine eintreten würde“. China, so Friedman weiter, „hat darauf reagiert, indem es Putin keine militärische Hilfe leistete – und das zu einer Zeit, in der die USA und die NATO der Ukraine nachrichtendienstliche Unterstützung und eine beträchtliche Anzahl moderner Waffen zukommen ließen.“

Das Risiko besteht nicht nur in einem Zusammenstoß mit China in der Taiwanstraße, sondern auch darin, dass Xi seine Politik ändert und aktiver mit seinem russischen Verbündeten zusammenarbeitet, was zu einem noch ungünstigeren Ergebnis in der Ukraine führen würde als derzeit, da Russland 20 Prozent des Landes kontrolliert. Aus Sicht der USA ist ein Krieg, der sich in die Länge zieht und Russland größere Anstrengungen abverlangt, mit all den damit verbundenen Abnutzungserscheinungen, nicht unangenehm. Wenn China aktiver eingreift, um den Nachschub der russischen Armee wieder aufzubauen und die Wirtschaft des Landes am Laufen zu halten, könnten die Kriegsanstrengungen offensichtlicher werden, und Putin könnte seine Ambitionen wieder steigern, indem er über das bisher Erreichte hinausgeht.

Für China bot der Besuch von Pelosi die Gelegenheit zu einer eindrucksvollen militärischen Vorführung. Während Xi sich darauf vorbereitet, seine Amtszeit als chinesischer Staatschef zu verlängern, kann er aufgrund der Reibereien mit den Vereinigten Staaten seinen nationalistischen Neigungen freien Lauf lassen. Er wäre der erste Staatschef seit Deng, der länger als 10 Jahre regieren würde und eine unbefristete Verlängerung seiner Präsidentschaft anstrebt.

Dies ist jedoch ein riskanter Zeitpunkt, um eine Eskalation einzuleiten. Chinas Wirtschaft steht vor dem zweiten Jahr mit dem schlechtesten Wachstum seit einem Jahrzehnt, das nur noch von 2020 übertroffen wird, als die Pandemie ausbrach. Die Schwierigkeiten bei der Kontrolle neuer Ausbrüche in diesem Jahr, auf die Beijing mit seiner Zero-Covid-Politik reagiert hat, haben in vielen Städten zu wochenlangen Abriegelungen geführt. Im zweiten Quartal dieses Jahres wuchs die Wirtschaft nur noch um 0,4 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021, und im Vergleich zum ersten Quartal dieses Jahres ging sie um 2,6 Prozent zurück – eindeutig eine Folge der Coronabeschränkungen. Die Prognose lautet, dass das BIP in diesem Jahr nicht mehr als 4 Prozent wachsen wird. Das ist eine Zahl, die andere Länder beneiden könnten, aber sie liegt weit unter der für China typischen Leistung und unter dem, was man bis vor kurzem erwartet hatte.

Es ist nicht nur die Nullzins-Politik, die der Wirtschaft schadet. Die Deflation der Immobilienblase, die größtenteils von der KPCh-Regierung vorangetrieben wurde, als sie die Unternehmen des Sektors zwang, ihren Verschuldungsgrad zu senken, und die Unternehmen wie Evergrande an den Rand des Konkurses brachte, breitet sich weiter aus. Bauverzögerungen, die durch Finanzierungsschwierigkeiten im Rahmen der staatlichen Kreditbeschränkungen verursacht wurden, haben dazu geführt, dass viele Hauskäufer:innen ihre Hypotheken nicht mehr bedienen konnten. Häuser werden in China im Voraus bezahlt, und die Bauherren sind zunehmend auf diese Mittel angewiesen, um zu bauen. Der „Hypothekenboykott“ droht die Bautätigkeit aufgrund fehlender Mittel noch weiter zu behindern und noch mehr Käufer:innen zu verärgern.

Die Möglichkeit, auf wirtschaftliche Rückschläge mit einer Wiederbelebung des Wachstums durch Verschuldung zu reagieren – ein Mittel, auf das die KPCh-Regierung schon oft zurückgegriffen hat – wird komplexer, da die Zentralbanken in aller Welt und insbesondere die US-Notenbank die Zinsen anheben, um die Inflation zu bekämpfen, und zu „Staubsaugern“ für Vermögenswerte werden, die sowohl hohe als auch zuverlässige Renditen erzielen wollen. Eine expansive Politik kann unter solchen Bedingungen Kapitalabflüsse fördern, trotz der Kontrollen, die sie begrenzen. Die chinesischen Behörden wissen sehr wohl, was 2015 geschah, als sich die Kapitalflucht abrupt beschleunigte.

Innenpolitische Spannungen führen oft zu internationaler Aggressivität, wie wir schon oft gesehen haben. In der heutigen Situation sieht sich Xi mit mehreren offenen Fronten konfrontiert, um den Zeitpunkt dieses Krieges zu beschleunigen, auf den sich alle Akteure schon lange vorbereitet haben.

Ein weiterer Sprung – ohne ein Zurück

Die Logik der Ereignisse, wenn sie einmal begonnen haben, spiegelt nicht unbedingt die Motivationen der Hauptakteure in diesem Drama wider. In den kommenden Tagen oder Wochen wird sich zeigen, ob die überschneidenden Provokationen nur mit diplomatischen Vorwürfen beantwortet werden, wie es bisher der Fall war, oder ob die Dinge einen Schritt weiter gehen. Im Moment hat die chinesische Regierung bereits angekündigt, den Dialog mit den USA über den Klimawandel auszusetzen, was schwerwiegende Folgen haben könnte.

Auch wenn wir uns noch nicht im Krieg befinden, ist die verschärfte Rivalität sicherlich einen Schritt näher gerückt. Auf beiden Seiten hat es in den letzten Tagen eine Art Generalprobe oder einen ersten Akt eines Flächenbrands gegeben, auf den sie sich weiter zubewegen – und der weiterhin zu Handlungen auf Messers Schneide führen wird.

Betrachtet man das Gesamtbild, so stellt man fest, dass das Gewicht der geopolitischen Auseinandersetzungen weiterhin auf einer kapitalistischen Weltwirtschaft lastet, die in den letzten Jahrzehnten eine beispiellose Internationalisierung der Produktion erlebt hat, von der die großen multinationalen Konzerne, die den Welthandel dominieren, erheblich profitiert haben – die meisten von ihnen mit Sitz in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, auch wenn chinesische Firmen zunehmend in den Ranglisten der führenden Unternehmen auftauchen. Der Widerwille des Großkapitals, auf diese Vorteile zu verzichten, kollidiert mit der zunehmenden Aggressivität der beteiligten Länder. Deren Wirtschaftssanktionen, noch immer lokal begrenzte militärische Auseinandersetzungen und Vorbereitungen auf weitere globale Konflikte, torpedieren die wirtschaftliche Integration oder zwingen sie zumindest zur Disziplinierung im Rahmen neuer Strategien, die Investitionen in anderen Ländern auf der Grundlage von Bündnissen bevorzugen, statt jene die am kostengünstigsten sind. Dies verheißt nichts Gutes für die Senkung der Produktionskosten, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.

In diesem dünnen Klima werden die Pelosi-Affäre und die Kriegsspiele von Xi nicht mehr rückgängig zu machen sein – genauso wenig wie Trumps „Handelskriege“ rückgängig zu machen waren. Der Konflikt ist weniger eine Hypothese als vielmehr eine greifbare Perspektive, die einen Wettlauf um Verbündete und Aufrüstung auslöst, ohne dabei jemals die Wirtschafts- und Innovationsfronten zu vernachlässigen. Diese sind entscheidend in jedem groß angelegten Konflikt wie diesem, der über den unmittelbaren Auslöser in Taiwan hinaus darauf abzielt, die Ordnung des Weltkapitalismus und die Vorherrschaft neu zu bestimmen.

Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, schrieb ich, dass „der Trend zur Weltunordnung mit diesem Krieg einen qualitativen Sprung macht. (… ) Wir sind einen Schritt näher an den Konfrontationen, auf die sich der US-Imperialismus seit langem mit der aufstrebenden östlichen Macht vorbereitet hat.“ Die Kriegsspiele in der Meerenge von Taiwan bestätigen, dass dies die Zeichen der Zeit sind.

Zuerst veröffentlicht auf Spanisch am 7. August in Ideas de Izquierda.

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