Bürgerschaftswahl in Bremen: Wie sollten Linke sich dazu verhalten?

13.05.2023, Lesezeit 8 Min.
Gastbeitrag

Nachdem ein Bündnis aus SPD, Grünen und LINKE in den letzten Jahren in Bremen regiert hat, stehen Linke wieder vor der Frage, ob sie Parteien wählen, die den Kapitalismus mitverwalten oder ob sie andere Lösungen suchen.

1
Foto: Maykova Galina / shutterstock.com

Am 14. Mai stehen die Bürgerschaftswahlen im kleinsten Bundesland Deutschlands an. Seit 77 Jahren wird Bremen ununterbrochen von der SPD regiert. Nach der letzten Bürgerschaftswahl im Jahr 2019 schloss sich eine rot-grün-rote Regierung zusammen, damit war die LINKE das erste Mal Teil einer Regierung Westdeutschlands. Der sogenannte Zwei-Städte-Staat setzt sich aus den Städten Bremen und Bremerhaven zusammen, die auch zwei selbstständige Wahlbereiche bilden. Mit den Wahlen werden nicht nur die Plätze der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) gefüllt, sondern auch die der Stadtbürgerschaft Bremen. Insgesamt können die Kreuze für 16 Parteien und Wählergruppen gesetzt werden. Eine Besonderheit der Bürgerschaftswahl in Bremen ist, dass Jugendliche bereits mit 16 Jahren wahlberechtigt sind. Nach den Erfahrungen mit der Politik der rot-grün-roten Regierung stellt sich nun die Frage, welcher Partei man als linke Person die Stimme geben sollte.

In den aktuellen Umfragen zeichnet sich eine knappe Führung des SPD mit 30 Prozent, gefolgt von der CDU mit 28 Prozent ab. Beide Parteien können einen Zuwachs von Stimmen verzeichnen. Währenddessen verlieren die Grünen laut der Umfrage rund fünf Prozent und werden damit auf rund zwölf Prozent kommen. Als Grund dieses Verlustes lässt sich die Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene vermuten, in der sie seit über einem Jahr Wahlversprechen für eine kriegstreiberische, unsoziale und klimafeindliche Politik opfert. Die FDP wird sich nach der Umfrage auf ähnlichem Niveau mit rund sechs Prozent halten und sich einen knappen Einzug in die Bremische Bürgerschaft sichern. Die LINKE verliert rund drei Prozent der Stimmen und kommt voraussichtlich auf neun Prozent. Eine erneute Regierung aus SPD, Grünen und LINKE dürfte möglich sein.

Die im Jahr 2019 mit 6,1 Prozent gewählte AfD wurde vom Landeswahlausschuss zu den diesjährigen Bürgerschaftswahlen nicht zugelassen, da die zwei verfeindeten Lager der Partei zwei konkurrierende Kandidatenlisten beim Landeswahlleiter einreichten. Mit dem Ausschluss der AfD könnte es zu einem Aufschwung der in Bremerhaven gegründeten rechtspopulistischen Partei Bürger in Wut (BiW) kommen. In vorherigen Wahlen erreichte die BiW zwar nie die fünf Prozent Hürde, doch durch die Besonderheit des Bremer Wahlrechts reicht es auch aus, in nur einem der Wahlbereiche die fünf Prozent zu erreichen und dadurch in die Bremische Bürgerschaft einzuziehen.

Die Beteiligung an bürgerlichen Wahlen wird uns als unsere höchste Bürger:innenfreiheit und -verantwortung verkauft. Unabhängige Kandidat:innen aufzustellen, die das Parlament nur als Bühne für den Klassenkampf nutzen oder ungültig zu wählen als vorbereitende Aufgabe dafür und nicht mehr oder weniger auf die kapitalistische Verwaltung durch parlamentarische Demokratie zu vertrauen erscheint auch für die, die mit sich hadern und ihre Stimme eigentlich ohne Hoffnung abgeben oft keine Möglichkeit. Doch wir können beobachten, dass die Aufgabe der Regierung vor allem ist den Kapitalismus zu verwalten, nicht Politik in unserem Interesse zu machen. Das können wir an etlichen Beispielen beobachten, in denen die Kämpfe der Menschen in parlamentarische Bahnen umgelenkt wurden, nur um dann trotzdem nicht im Interesse der Menschen zu handeln und den Kämpfen die Kraft zu nehmen.

Davon abgesehen kann eine Regierung kaum den Willen der Bevölkerung abbilden, wenn ein großer Teil dieser gar nicht wahlberechtigt ist? In Bremen sind 127.200 Menschen nicht wahlberechtigt, was circa 20 Prozent der Bewohner:innen darstellt. Auch wenn diese Menschen in Bremen wohnen, arbeiten, leben und das schon seit mehreren Jahren sind sie aufgrund ihres Passes von den Wahlen, die uns ja ach so gut repräsentieren, ausgeschlossen.

Das Argument, dass jede nicht abgegebene oder ungültige Stimme die Rechten Parteien stärken würde hinkt, denn durch unsere Stimmabgabe “gegen Rechts” legitimieren wir nur die Partein und ihre Politik, die überhaupt zum Aufstieg der Rechten geführt hat. Wir müssen uns darauf konzentrieren eine wirkliche Kraft gegen Rechts und kapitalistische Krisen anzubieten. Diese Probleme und Krisen, sowie der Aufstieg der Rechten auch in Form der “Bürger in Wut”, lassen sich nicht durch ein Kreuz auf einem Wahlzettel abwenden.

Die SAV und andere Linke rufen zur kritischen Wahlunterstützung der Linkspartei auf oder teilweise zu einzelnen Kandidaten. Gleichzeitig kritisieren sie, zu Recht, den Regierungskurs der LINKEN in Bremen.

Die rot-grün-rote Regierung brachte vorhersehbar keinen Politikwechsel mit sich. Beispielsweise kam es auch unter Führung der Linkspartei zu umfangreichen Stellenstreichungen im kommunalen Klinikverbund GeNo, der erwogene Mietpreisdeckel wurde verworfen und noch immer fehlen 5.400 Kitaplätze. Der auf 2023 geplante Kohleausstieg wurde nicht vollzogen, die Polizei wurde aber ausgebaut und Streifen am Hauptbahnhof unter dem “Aktionsplan Hauptbahnhof” vermehrt. All diese sozialen Kürzungen und Angriffe schwächen die politische Linke letztendlich und lassen die Rechten und ihre Demagogie oft als einzige „Alternative“ erscheinen.

Es zeigt sich also eine schlechte Bilanz aus der Regierungsbeteiligung der LINKEN, die sich, wie die SAV einem Artikel zur Wahl richtig deutet, an den Staatsräson angepasst hat. Die arbeiter:innenfeindliche Politik wird in der Regierungsbeteiligung der LINKEN in Bremen genauso mitgetragen, wie in jeder ihrer vergangenen Regierungsbeteiligungen auf Bundesebene.

Trotzdem setzt die SAV, die auch in der Linkspartei aktiv ist, auf die Wahlunterstützung der LINKEN und auf das Personenwahlrecht und nennt das eine “linke Kritik” am Regierungskurs. Sie führen aktuell einen Oppositionswahlkampf unter dem Motto “Linke Opposition gegen Krieg und Aufrüstung”, wofür sie nach eigenen Aussagen viele der LINKE-Mitglieder mobilisierten. Dabei rufen sie zur Unterstützung des Abgeordneten Olaf Zimmer auf, der sich als einer der Wenigen gegen die Waffenlieferung an die Ukraine stellt. Durch diese Unterstützung wollen sie ein klares Signal an die LINKE senden und diese zu einem “unangepassten und kämpferischen Kurs” bewegen.

Mit der Regierungsbeteiligung zeigt sich jedoch, dass die LINKE kein Interesse an einem kämpferischen Auftreten hat oder sie dazu gezwungen wird, sich anzupassen. Die Logik des geringeren Übels auf parlamentarischem Weg ist weder in der Regierung noch in der Opposition möglich. Der gesamte Kurs der Partei ist auf eine Regierungsbeteiligung ausgelegt und offensichtlich nicht, um eine Partei der aktuellen Kämpfe in Opposition zur Regierungspolitik zu sein, was sich auf Bundesebene zeigt. Es ist deshalb völlig illusorisch zu glauben, dass DIE LINKE zu einer sozialistischen Oppositionspartei werden könnte, sobald sie nicht mehr an der Regierung beteiligt sei.

Gegen die Logik des geringeren Übels! Organisieren wir uns für eine unabhängige, sozialistische Perspektive!

Wir können unsere Hoffnung nicht auf die Linkspartei, den Reformismus und auf das geringere Übel setzen. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass die Wähler:innen ihr Kreuz nicht für DIE LINKE setzen sollten, sondern rufen dazu auf den Stimmzettel ungültig zu machen, um aufzuzeigen, dass die zur Wahl aufgestellten Parteien keine Vertretung für unsere Interessen darstellen. Das bedeutet nicht, dass wir uns aus der politischen Verantwortung ziehen. Ganz im Gegenteil: Wir sehen, dass wir die Kraft besitzen, selbst die Veränderung zu sein und dafür keine Parteien brauchen, die den Kapitalismus mitverwalten und deshalb dürfen wir nicht auf sie vertrauen.

Es braucht Schritte zum Aufbau einer unabhängigen Partei der Arbeiter:innen und Unterdrückten, die sich konsequent gegen Krieg, Imperialismus, Unterdrückung und Ausbeutung stellen kann, deren Verankerung nicht im Parlament sondern auf den Straßen, in den Universitäten und Betrieben ist. Deren strategisches Zentrum der Klassenkampf ist, der von parlamentarischen Positionen lediglich unterstützt werden kann. Deshalb rufen wir dazu auf, bei dieser Landtagswahl ungültig zu wählen anstatt Kräfte wie die LINKE Bremen zu wählen, die in vergangenen Jahren den Kapitalismus mitverwaltet hat.   Trotz unseres Aufrufs ungültig zu wählen, ist unsere Position nicht per se rein außerparlamentarisch. Wie oben beschrieben sehen wir die Möglichkeit, das Parlament als Bühne zu nutzen, um möglichst viele Arbeiter:innen zu organisieren und ihre Kämpfe zu unterstützen, wie es zum Beispiel unsere Genoss:innen der PTS (Partei Sozialistischer Arbeiter:innen) in Argentinien tun, die durch eine starke Anbindungen zur Arbeiter:innenklasse dem Müllmann Alejandro Vilca trotz Hüreden, wie Betrug zu 13,38 der Stimmen verhalfen. Bürgerliche Wahlen werden uns im Kampf gegen Rechts, gegen Krisen und Kriege nicht helfen: Wir müssen uns gemeinsam organisieren!

Mehr zum Thema