Brasilien: Bolsonaro-Anhängerschaft blockiert Straßen – Arbeiter:innen vertreiben sie

05.11.2022, Lesezeit 5 Min.
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Protest von Truckern 2021. Foto: Shutterstock / Isaac Fontana

Nach der verlorenen Wahl am Sonntag ging die harte Basis Bolsonaros auf die Straße. Vielerorts blockieren sie Straßen. Sie fordern eine Einmischung des Militärs in die Wahlen. Dabei stoßen sie aber auf den Widerstand von Arbeiter:innen.

Die extreme Rechte in Brasilien wurde am Sonntag nicht in der Wahlurne besiegt. Luiz Inácio Lula da Silva, in Brasilien meist nur Lula genannt, gewann mit einem erschreckend geringen Vorsprung von 0,9 Prozent. Sein breites „demokratisches“ Bündnis bestand aus einem Pakt mit der traditionellen brasilianischen Rechten – sein Vizekandidat Geraldo Alckmin war sein erbitterter Gegner in den Präsidentschaftswahlen 2006 gewesen. Bei den jetzigen Wahlen gab es allerdings auch Wahlmanipulationen aus dem Lager des amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro. Die Bundesstraßenpolizei hatte mit fadenscheinigen Behauptungen Straßenkontrollen durchgeführt, um während der Wahlen den Verkehr zu stören – größtenteils im Nordosten des Landes, der eine Hochburg Lulas ist.

Auch bei Gouverneuren und Sitzen im Senat und im Abgeordnetenhaus konnten Bolsonaro-Leute deutlich zulegen. Bolsonaros liberale Partei (PL) ist die größte Fraktion im Abgeordnetenhaus seit 24 Jahren, im Senat stellt sie 14 von 81 Sitzen und Lulas Arbeiterpartei (PT) nur 9. Im Bundesstaat São Paulo gewann Tarcísio de Freitas von der PL die Gouverneurswahl mit einem Vorsprung von über fünf Prozent gegen Fernando Haddad von der PT. Freitas ist wie Bolsonaro Hauptmann der brasilianischen Armee und sein bisheriger Infrastrukturminister.

Bolsonaro hatte sich seit Monaten auf seine Niederlage vorbereitet. Er fuhr dabei eine ähnliche Strategie wie Donald Trump 2020, indem er Misstrauen in die Wahlen schürte. Als er sich dann nach der Wahl für fast 48 Stunden komplett aus der Öffentlichkeit zurückzog ohne das Ergebnis zu kommentieren, zeigten seine vorherigen Androhungen eines Putsches ihre Früchte. Am 31. Oktober und 1. November gab es Proteste im ganzen Land, bei denen Lkw-Fahrer:innen, unterstützt von Speditions- und Agrarbossen und der Polizei, Straßen blockierten. Sie behaupten, die Wahlen seien manipuliert worden und fordern das Militär dazu auf, zu intervenieren.

Dieses Video aus São Miguel de Oeste in Santa Catarina zeigt den Charakter der Proteste. Die Menge macht gemeinsam den Hitler-Gruß:

Bei einer Blockade der Bundesstraße BR-101 in Itajaí schlossen sich am 1. November sogar Verkehrspolizisten dem Protest an und einer von ihnen hielt eine Rede, bei der er den Demonstrant:innen die Unterstützung der Streitkräfte zusagte. Auch wenn die Bundesstraßenpolizei angefangen hat, Blockaden aufzulösen, tut sie dies trotz Drucks des Obersten Gerichtshofs erst nach langem Zögern. Dies zeigt, dass im Kampf gegen die extreme Rechte kein Verlass auf die bürgerlichen Institutionen ist. Sie sind selbst durchzogen von Anhänger:innen der extremen Rechten, egal welche Partei regiert.

In dieser Situation geben Arbeiter:innen und die Bevölkerung von São Mateus in Espirito Santo Beispiele für den antifaschistischen Kampf, der gegen Bolsonaro und seine Androhungen eines Putsches notwendig ist. Sie prügeln den harten Kern der Basis von Bolsonaro von der Straße. In der Nacht vom 31. Oktober wollten Werftarbeiter:innen bei BrasFels in einem Charterbus auf der BR101 von ihrer Schicht nach Hause fahren. Sie stießen auf eine Straßen-Blockade von Bolsonaro-Anhänger:innen. Sie verjagten sie und kommentierten: „Wir werden (die Straße) befreien! Ich möchte abendessen! Ich habe den ganzen Tag gearbeitet!“ Sie und die Bevölkerung von São Mateus zeigen uns Beispiele, wie man sich nicht von den Putschdrohungen der Bolsonaro-Anhängerschaft einschüchtern lässt. Sie treten der extremen Rechten mit militanten Aktion auf der Straße entgegen. Es braucht Versammlungen und Komitees in den Universitäten und Betrieben, die solche antifaschistischen Aktionen organisieren und auf das ganze Land ausweiten. Linke Organisationen und Parteien und vor allem die Gewerkschaften müssen ihre Basis dafür mobilisieren, um einen klassenunabhängigen Kampf gegen rechts zu führen! Parlamentarische Bündnisse mit Konservativen können uns nur bremsen.

Die Arbeiter:innen verjagen die Bolsonaro-Anhänger:innen in den Nationalfarben Gelb und Grün:

Diese Woche gab Bolsonaro eine Pressekonferenz, in der er seine Niederlage nicht zugab. Zu den Blockaden sagte er, sie seien eine „Volksbewegungen, die aus der Empörung und dem Gefühl der Ungerechtigkeit über die Art und Weise, wie der Wahlprozess durchgeführt wurde, resultieren“. Gleichzeitig sagte er, dass ihre „Methoden nicht die der Linken sein können“. Einen Tag später bat er erneut in einer Videobotschaft explizit um ein Ende der Blockaden, aber eine Weiterführung der Proteste. Er bemüht sich, seine Basis mobilisiert zu halten.

Lula begeistert große Teile des Landes, doch nutzt er diese Unterstützung nicht, um in den Kampf mit der extremen Rechten zu treten. Bei seiner Rede zum Sieg der Wahl fuhr er eine Rhetorik der nationalen Einheit und der Versöhnung. Doch mit einer institutionell starken mobilisierten extremen Rechten, die queere, schwarze, indigene Menschen und die Arbeiter:innen – in anderen Worten, die Massen – hasst und sich die Militärdiktatur zurückwünscht, kann es keine Versöhnung, kein ruhiges Abendessen und keinen ruhigen Schlaf geben. Die PT führt den größten Gewerkschaftsdachverband des Landes CUT an. Wo bleibt ihre Antwort auf die rechte Bedrohung vor ihrer Haustür?

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