Botanischer Garten: „Der psychische Druck ist riesig“

30.03.2016, Lesezeit 5 Min.
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Der Arbeitskampf beim Botanischen Garten der FU Berlin erreicht eine neue Phase: Die sechs Frauen des Reinigungsservices stehen kurz vor der dem Aus. Wir haben Conny und Carolin interviewt, deren Arbeitsbereich Ende dieser Woche aufgelöst wird. Ihre Zukunft danach ist ungewiss. Es handelt sich hierbei auch um einen Angriff auf weibliche Arbeit. Widerstand dagegen ist notwendig.

Am Botanischen Garten der Freien Universität Berlin wird in diesen Tagen der Druck auf die Beschäftigten des Reinigungsservices massiv erhöht. Die FU löst den Bereich Reinigung zum 31. März 2016 auf. Und das, weil sie sich gegen Ungerechtigkeit organisiert hatten: Als Beschäftigte der 100-prozentigen Tochterfirma der FU, der „Betriebsgesellschaft für die ZE Botanischer Garten und Botanisches Museum“ (BG BGBM), verdienten sie bis zu 34 Prozent weniger als ihre Kolleg*innen, die noch einen Vertrag mit der FU haben. Deshalb fordern die Beschäftigten der Betriebsgesellschaft die schrittweise Anpassung an den Tarifvertrag, der für diejenigen gilt, neben denen sie tagtäglich arbeiten. Dafür gab es auch schon erste Warnstreiks.

Gegen diese gewerkschaftliche Organisierung läuft die Universitätsleitung Sturm: Sie drohte bereits im November 2015 mit einer Auflösung des Bereichs Reinigungsservice und mit der Neuorganisierung der Bereiche Besucherservice und Technik – hierfür seien betriebsbedingte Kündigungen notwendig. Die Arbeit soll in Zukunft durch Werkverträge abgedeckt werden. Als erstes trifft es die sechs Beschäftigten des Reinigungsservice. In den Verträgen, die ab dem 1. April gelten, tauchen sie einfach nicht mehr auf. Das ist kein Aprilscherz, sondern bitterer Ernst für die sechs Frauen: Ihre gesamte berufliche Zukunft steht in den Sternen.

Es ist womöglich auch kein Zufall, dass es zuerst die Frauen des Reinigungsservices trifft. Sie verdienen eh schon nur 8,77 Euro und damit weit unter dem allgemeinverbindlichen Mindestlohn für die Branche der Gebäudereiniger*innen für Unterhaltsreinigung. Damit wird die Arbeit des Putzens hier wie viele andere „frauentypische“ Arbeiten gesellschaftlich noch weiter abgewertet. Aber die Frauen des Reinigungsservices im Botanischen Garten sind kämpferisch und wehren sich gegen die Angriffe. Unter den Betroffenen sind auch Carolin und Conny, die uns bei einem ihrer Warnstreiks in einem Interview ihre Situation beschrieben haben.

Zuerst: Könnt ihr uns euch und eure Arbeit kurz vorstellen?

Conny: Ich bin Conny und Betriebsratsmitglied. Ich arbeite im Reinigungsservice. Wir reinigen eine Fläche von 30 000 m² – den Garten selbst und dazu das Museum und einige Gästezimmer des Botanischen Gartens.

Carolin: Ich bin Carolin, Nachrückerin im Betriebsrat und Schwerbehindertenbeauftragte. Ich arbeite schon seit 2006 im Botanischen Garten. Für die Arbeit, die wir leisten, waren wir schon immer sehr wenige. Seit 2007 waren wir nur zu viert, dann kamen 2010 noch zwei dazu. Mit der Arbeit werden wir aber auch so kaum fertig. Da muss man Prioritäten setzen, also immer schauen, was gerade am wichtigsten ist.

Seit wann wisst ihr davon, dass eure Arbeitsplätze in Gefahr sind?

Conny: Das erste Mal haben wir davon im September 2014 gehört. Es sollte aber angeblich keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Uns wurde stattdessen der „Arbeitsplatzwechsel“ ans Herz gelegt – als ob es so einfach wäre und als ob das keine Drohung sei. Im November 2015 wurden wir dann alle zu Personalgesprächen geladen – die waren allerdings alle sehr kurz, in einigen Fällen nur fünf Minuten lang.

Carolin: Wir wurden dort gefragt, welche anderen Möglichkeiten wir sähen. Der Betriebsrat war aber immer dabei, und wir haben zu diesen Fragen einfach nichts gesagt. Das einzige, was sie uns wirklich anbieten, ist, dass wir in den Besucherservice wechseln…

Conny: … dabei wollen sie den auch loswerden! Deshalb wollen sie uns da ja auch haben – damit sie uns so letztendlich raus kriegen.

Was bedeuten diese Drohungen für Euch?

Carolin: Wir leben mit diesem Druck jetzt schon eineinhalb Jahre. Seit eineinhalb Jahren wissen wir eigentlich nicht, wie unsere Zukunft aussieht. So weit wie jetzt sind sie allerdings nie gegangen. Der psychische Druck ist riesig. Die einzigen Gespräche zur Situation mit den Chefs waren eigentlich die Personalgespräch, von denen wir erzählt haben. Und Vorgesetzten – die wir praktisch täglich sehen – ignorieren uns eigentlich. Wir haben schon Glück, wenn der Betriebsleiter uns grüßt. Das drückt für mich schon eine fehlende Wertschätzung aus.

Conny: Uns wird vorgeworfen „ineffizient“ zu sein. Ja, wir sind manchmal krank, oder auch mal im Urlaub. Das ist doch ganz normal. Und wir haben zwei Schwerbehinderte unter uns – das wird aber einfach nicht beachtet. Auch jetzt gibt es keinerlei Sozialplan.

Wie geht es weiter?

Conny: Also ich will weiter im Botanischen Garten arbeiten…

Carolin: Ja, ich auch, und deshalb müssen wir weiter machen mit unseren Aktionen.

Conny: Und wir brauchen Unterstützung und Solidarität, das hilft uns.

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