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„Böse Amateurfotografen“: Warum sind die Ausbildungsbedingungen als Fotograf*in so schlecht?

30.01.2018, Lesezeit 4 Min.
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Zeit Campus hat ein anonymes "Gehaltsprotokoll" von einer Frau veröffentlicht, die eine Ausbildung zur Fotografin gemacht hat. Warum sind die Bedingungen so schlecht? Liegt es wirklich an den "Amateuren" mit ihren Instagram-Filtern? Oder stecken tiefere Probleme dahinter?

„Sie schoss Passbilder wie am Fließband, für Kunden, die sie behandelten wie einen Fußabtreter.“ So leitet Zeit Campus den Artikel ein – und zeigt schon den ersten Fehler, den die junge Frau gemacht hat: Sie hat einen Ausbildungsplatz bei einem kleinen Fotografen angenommen, der nur Passbilder macht. Dabei lernt man nur einen Teil der Fotografie kennen. Man kann zwar lernen, wie man eine Kamera einstellt, wie man Blitzsysteme benutzt und wie man ein Portrait schießt. Damit hat man aber auch nur die absoluten Grundlagen gelernt, die man auch aus einem Lehrbuch holen kann. Dafür ist keine dreijährige Ausbildung mit einem sehr geringen Gehalt notwendig.

Warum gibt es solche schlechten Ausbildungen?

Diese schlechten Ausbildungen liegen hauptsächlich im Interesse des sogenannten Kleinbürger*innentums. Marx definierte die „petite bourgeoisie“ als Zwischenklasse, die zwar über eigene Produktionsmittel verfügen – hier Kameras, Blitze, Objektive, etc. –, aber nicht in der Lage sind, durch die Ausbeutung vieler Arbeiter*innen allein von dem abgeschöpften Mehrwert zu leben. Kleinbürger*innen haben dennoch das Interesse, andere Menschen auszubeuten, um die eigene Existenz zu sichern. Kleinbetriebe, die sich oft keine weiteren voll bezahlten Arbeitskräfte leisten können, greifen daher gerne zu billigen Auszubildenden. Junge Menschen, die etwas „Kreatives“ machen wollen, werden so oft zu Auszubildenden, in denen der Betrieb nur eins sieht: billige Arbeitskraft. Sie lernen dann leider sehr wenig, verdienen noch weniger und schmeißen schließlich oft frustriert – und vollkommen verständlich – hin. So wird wahrscheinlich unendlich viel kreatives Potenzial zerstört.

„Der Kunde ist König“

Ist der Kunde König? Dieses Kredo zeugt von einer niedrigen Selbsteinschätzung und einer kurzfristig gedachten Markthörigkeit. Leider verhalten sich viele selbsternannte „Profifotograf*innen“ so wie Köch*innen, die nur nach Rezept kochen und nichts Neues ausprobieren. Kein Wunder, dass kleine Fotostudios aussterben.

Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen dem, was Leute brauchen, und dem, was Leuten gefällt. Wenn sich jemand als kreative und moderne Person darstellen will, ist es nicht unbedingt sinnvoll, ein langweiliges Studiobild von vorne zu machen – auch wenn der Person das vielleicht erstmal besser gefällt.

Wenn Kund*innen laut werden, sollte man ihnen schnellstmöglich die Tür zeigen. Kreativität erfordert, dass man entspannt ist. Wenn Menschen schreien, dann tötet das jede Kreativität. Fotograf*innen, die dann noch gegen die eigenen Azubis vorgehen, sollten ihren Beruf wechseln. Sie können zwar technisch gesehen fotografieren, haben aber nichts von der kreativen Seite verstanden. Zwischen Fotografie und Fließbandarbeit besteht ein Unterschied.

„Amateure“ und „Profis“

„Amateure“ können freier von diesen traurigen Zuständen schnipseln – deswegen sind sie manchmal auch kreativer und liefern am Ende bessere Bilder ab. Es ist oftmals unmöglich zu unterscheiden, ob ein Bild mit einer 300-Euro-Kamera oder einem vermeintlichen Profimodell geschossen wurde.

An dieser Stelle sollte man in Frage stellen: Wer ist hier eigentlich Amateur*in und wer hat das Potenzial zum vermeintlichen Profi? Wer sich von Smartphones und Instagram-Filtern einschüchtern lässt, sollte sich vielleicht selbst hinterfragen. Es ist gut, dass Fotografie offener geworden ist. Es ist auch angenehmer, mit Menschen zu arbeiten, die schon so grob wissen, wie ein gutes Bild zu Stande kommt.

Die Azubi schreibt: „Einen Instagram-Filter über das Bild geklatscht und schon nennen viele es Fotografie.“ Wie zynisch! Die vermeintlichen Profis benutzen auch alle Vorlagen in Lightroom und deshalb sehen auch alle Hochzeitsbilder gleich (langweilig) aus.

Statt Ausbildungen, die nur eine gute Ausbeutungsmöglichkeit bieten, sollte es kostenlose Fotografie-Kurse für alle Menschen geben, die das interessiert. Wenn die Berufsfotografen so weitermachen wie bisher, werden sie weiter der Reihe nach pleitegehen. Vollkommen zurecht werden sie von vermeintlichen Amateuren ersetzt. Kreativität ist eben wichtiger als teures Equipment.

PS: Das Formel-1-Bild habe ich mit einer 300-Euro-Kamera mit dem billigsten Teleobjektiv des Kameraherstellers als 18-jähriger geschossen.

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