„Bist du wirklich krank?“

15.12.2015, Lesezeit 4 Min.
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Arbeiten, selbst wenn du krank bist oder dein Arm gebrochen ist? Der Vorschlag wird gerade diskutiert, im Fachjargon „Teilkrankengeld“. Vorstellung des neuesten Angriffs auf unsere Rechte.

Wer kennt es nicht? Das Gefühl, doch unbedingt zur Arbeit zu wollen, obwohl das eigene Bein gebrochen oder das Fieber zu hoch ist? Was würden wir doch nicht alles für unseren „Arbeitgeber“ machen! Doch jetzt kommt die Lösung! Bisher waren wir Prolet*innen entweder gesund oder krank – wenn wir krank waren, dann gab es eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und wir konnten uns nun ausruhen. Doch halt! „Expert*innen“ der Krankenkassen haben nun einen neuen Vorschlag entwickelt, der darauf beruht, auch „teilweise krank“ sein zu können. Der „Sachverständigenrat Gesundheit“ schlägt nämlich vor, auch nur zu 25, 50 oder gar zu 75 Prozent krank sein zu können. Das bedeutet umgekehrt, dass jede*r Arbeiter*in solange arbeiten kann, wie er*sie nicht zu 100 Prozent krank ist … also mal wirklich krank ist!

Für Ferdinand Gerlach, den „Sachverständigen“ im Auftrage der Kapitalist*innen, ist die Sache simpel: „Auf diesem gelben Schein gibt es nur ‚arbeitsunfähig‘ und dann ein Datum, in dem festgelegt wird, wie lange Sie arbeitsunfähig sind. Wenn Sie sich aber zum Beispiel den Arm brechen oder Rückenbeschwerden haben und Sie sagen: ‚Eigentlich könnte ich noch arbeiten. Acht Stunden halte ich nicht durch, aber vielleicht vier.´ […]“ Ja, dann stellt sich sogar die Frage, wann wir uns sagen können: „Wann können wir denn nicht arbeiten?“

Dieser krasse Angriff auf unsere Arbeiter*innenrechte soll einerseits dazu dienen, massiven Druck auf uns aufzubauen („Bin ich wirklich, aber auch wirklich krank?“). Andererseits ist das Teilkrankengeld das perfekte Mittel, um die Ausgaben der Krankenkassen zu senken – denn diese haben sich in den letzten zehn Jahren für das Krankengeld auf nahezu 10,6 Milliarden Euro verdoppelt. Diese Verdopplung kam aber erst dadurch zustande, dass sie 2006 mit 5,7 Milliarden Euro auf einem historischen Tiefstand waren.

Arbeitet doch selbst!

Es ist geradezu dreist, dass der „Sachverständigenrat“ auch den Vorschlag einbrachte, dass der Krankschreibung sowohl die Kapitalist*innen als auch die Arbeiter*innen zustimmen sollten, denn „es soll im Konsens mit den Beschäftigten sein.“ Fraglich aber, ob der Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CSU) uns selbst diese Krümel lassen wird. Er hatte das Gutachten in Auftrag gegeben und lobte die „wichtigen Anstöße“.

Der Vorschlag des Teilkrankengelds ist unverschämt und soll den Druck auf die Beschäftigten erhöhen. Er ist dazu da, noch mehr Mehrwert aus uns herauszupressen und den Profit der großen Konzerne zu steigern. Arbeiter*innen hätten damit weniger Möglichkeiten zur Erholung und wären selbst in angeschlagener gesundheitlicher Stimmung dazu verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen. Noch dazu würde es immer den Druck geben, nicht nur zu 50, sondern doch zu 75 Prozent gesund zu sein! Dieser Vorschlag ist einzig und allein dazu da, die Kapitalist*innen finanziell zu entlasten – schließlich wären sie bei einer „Teilkrankheit“ nicht mehr dazu verpflichtet, bis zu sechs Wochen Krankengeld zahlen zu müssen.

Es ist klar: unsere Gewerkschaften müssen diesen Vorschlag zerschmettern! Seit jeher arbeitet das Kapital an der „Vermeidung von Fehlzeiten“ und den damit verbundenen – mühsam erkämpften – Ansprüchen der Arbeiter*innen wie eben das Krankengeld. Diese Ansprüche sollen Stück für Stück abgebaut werden. Aber die Arbeiter*innen müssen von Beginn an klar machen, dass sie diesem Vorhaben einen Riegel vorschieben müssen. Je früher wir diesen Kampf aufnehmen, umso eher können wir dem Spuk ein Ende bereiten. Kolleg*innen, packen wir es an!

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