Beschäftigte von Amazon streiken auch zum Ostergeschäft

24.03.2016, Lesezeit 3 Min.
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In der Spätschicht am Montagabend rief die Gewerkschaft ver.di erneut Beschäftigte des Online-Konzerns in Koblenz zum Streik auf. Rund 200 Kolleg*innen beteiligen sich nach Angaben der Gewerkschaft am Ausstand. Auch in Bad Hersfeld und Leipzig legen die Beschäftigen wieder die Arbeit nieder.

Mit exklusiven Blitzangeboten lockte der Online-Riese in der letzten Woche wieder Kund*innen an. Alle 15 Minuten ein neues Sonderangebot – bis zu 50 Prozent reduziert. Doch über den seit mittlerweile drei Jahren andauernden Konflikt zwischen dem Konzern und ver.di täuscht kein noch so gutes Angebot hinweg.

Kurz vor dem Ostergeschäft geht ver.di noch einmal in die Streikoffensive. Seit Mittwochmorgen befinden sich die Kolleg*innen in Koblenz, Bad Hersfeld und Leipzig gleichzeitig im Streik. Am Donnerstag sind auch die Beschäftigten in Rheinberg und Werne zum Streik aufgerufen. Die Forderungen sind dieselben wie immer, möchte man fast sagen: der Abschluss eines Tarifvertrags, der sich an dem Vertrag für den Einzel- und Versandhandel orientiert, d. h. höhere Löhne, mehr Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Verringerung der Wochenarbeitszeit.

Das Problem fasst das ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger treffend zusammen: „Amazon will die Arbeitsbedingungen zulasten der Beschäftigten weiterhin willkürlich und einseitig diktieren und will deshalb weder eine Gewerkschaft im Betrieb noch einen Tarifvertrag.“ Genau deshalb befindet sich der Arbeitskampf momentan jedoch in einer Sackgasse. Nachdem ver.di es geschafft hat, acht von neun Versandzentren streikfähig zu machen und die Kolleg*innen viele Verbesserungen außerhalb tariflicher Bindungen erzwungen haben, scheinen der Gewerkschaft jedoch die Ideen auszugehen.

Der Journalist Jörn Boewe kritisiert in der jungen Welt von Mittwoch zu Recht mangelnde Koordinierung zwischen den einzelnen Fachbereichen von ver.di: „Denn Amazon ist nicht nur Versandhändler, sondern auch Logistiker, Medienunternehmen, IT-Dienstleister, Hersteller von Hard- und Software und wird demnächst mit einer eigenen Luft- und Schiffsflotte unterwegs sein.“ Das Problem ist jedoch nicht einfach nur ein personelles, sondern geht viel tiefer. Es ist offensichtlich, dass eine Vernetzung zwischen den Fachbereichen für die streikenden Kolleg*innen von großer Bedeutung wäre. Das gilt jedoch in erster Linie für die Beschäftigten selbst, die unermüdlich vor den Versandzentren stehen und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Deshalb müssen sie es auch sein, die die branchenübergreifende Vernetzung von Arbeiter*innen in die Hand nehmen.

Arbeiter*innen von Amazon beteiligen sich immer wieder an anderen Arbeitskämpfen. So gab es zum Beispiel im letzten Jahr zum Streik im Sozial- und Erziehungsdient in Leipzig eine gemeinsame Kundgebung und zum Poststreik eine gemeinsame Streikversammlung in Bad Hersfeld. Beide Kämpfe wurden jedoch von der Gewerkschaftsführung abgewürgt und die Kolleg*innen mit faulen Kompromissen abgespeist. Auch deshalb blieben die Verbindungen letztlich nur punktuell.

Dabei ist die Bedeutung für die Arbeiter*innen gar nicht hoch genug einzuschätzen. Denn jeder Arbeitskampf ist nicht nur ein Kampf gegen den eigenen Chef, sondern auch ein Kampf gegen zunehmende Prekarisierung und soziale Einschnitte seitens der Bundesregierung. Deshalb ist es auch wichtig, wie Boewe ebenfalls betont, eine breite gesellschaftliche Kampagne gegen Amazon zu organisieren.

Darüber hinaus ist es jedoch notwendig, diese Kampagne auch gegen Befristung im Allgemeinen, gegen Leiharbeit, Union Busting und Outsourcing auszuweiten. Die Möglichkeit dazu hat die Gewerkschaft ohne Zweifel, ein Interesse offenbar aber nicht. So verkommen die „Trümpfe“ in der Hand der Gewerkschaft zu wenig erfolgreichen Bluffs. In der Hand der Beschäftigten könnten die Trümpfe Amazon jedoch ausstechen.

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