Berliner Lehrerinnen bekommen 12 Prozent weniger Lohn

21.04.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Maxi Schulz

Wenn Berlin, wie Franzsika Giffey sagt, die “Stadt der Frauen" ist, warum bekommen dann Lehrerinnen bis zu 12 Prozent weniger Lohn für die gleiche Arbeit wie ihre männlichen Kollegen? Über die Gehaltsunterschiede im Bildungswesen, den bürgerlichen Feminismus des Berliner-Senats und warum der Streik der Lehrer:innen auch ein feministischer Kampf ist.

An Gesamtschulen bekommen Frauen im Durchschnitt 12 Prozent weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. An anderen Schulen zeichnet sich ein ähnliches Bild, so sind es an Gymnasien ganze 11,5 Prozent. An Grundschulen, Berufsschulen und weiteren Schulen gibt es ebenfalls erhebliche Differenzen, im Schnitt liegt diese bei 6,4 Prozent.

Zu betonen ist bei diesen Statistiken, die aus dem Haushaltsplan 2022/23 stammen, auch, dass queere Menschen nicht statistisch erfasst sind und insbesondere nicht alle, die im Bildungswesen arbeiten, explizit berücksichtigt sind. So arbeiten Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Mensa-Personal, Putzkräfte usw. häufig bei outgesourcten Unternehmen, weshalb sie nicht in den Statistiken auftauchen. Insbesondere diese outgesourcten Bereiche mit den niedrigsten Löhnen und schlechtesten Arbeitsbedingungen sind besonders feminisiert.

Die CDU und SPD rühmen sich im Zuge der Vorstellung des neuen Koalitionsvertrags öffentlich mit feministischen Phrasen, wie bspw. “intersektionaler Antidiskriminierungspolitik”, Franziska Giffey prägte den Satz “Berlin ist die Stadt der Frauen” und auch Kai Wegner sieht sich als Feminist und Freund der “Gleichstellung”. Wenn dem so sei, müsste sich im Bildungswesen nun einiges radikal ändern. Der bisherige Senat unter Führung der SPD und Beteiligung der Linkspartei saß die Streiks und Proteste von Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen und vielen mehr entweder aus oder versprach Verbesserungen, die entweder nicht umgesetzt wurden oder aber letztlich viel zu gering ausfielen. Man erinnere sich daran, wie sich rot-rot-grün als Bildungssenat bezeichnete, weil Budgets etwas weniger drastisch als zunächst geplant gekürzt wurden. Auch im Haushaltsplan von rot-rot-grün hieß es immer wieder: “Das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Durchschnittseinkommen wird sich im Planungszeitraum nicht wesentlich ändern.” Was können wir nun realistisch von der Groko in diesen Fragen erwarten?

Im Koalitionsvertrag muss man schon mit der Lupe suchen, aber wird letztlich noch fündig, es heißt dort lediglich: “Die Koalition stärkt insbesondere die Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt”. Damit könnte genausogut auch ein “Girlboss” Feminismus impliziert sein, der für mehr weibliche Arbeitgeber:innen wirbt. Feststellen lässt sich jedenfalls, dass die Groko nicht vorhat, etwas an den ungleichen Löhnen zwischen den Geschlechtern zu ändern. Wen wundert das auch, wenn die CDU sowohl für Bildung als auch für Finanzen zuständig sein soll.

Den Abschnitt zur Bildung im Koalitionsvertrag sieht auch die Gewerkschaft GEW kritisch, diese schreibt dazu in einer Stellungsnahme: “So wird sich die Bildungskrise nicht bewältigen lassen. Es fehlt sowohl an der dringend nötigen Ausbildungsoffensive zur Bekämpfung des Pädagog:innenmangels als auch an akuten Entlastungsmaßnahmen für die Schulen, Kitas, Hochschulen und die Soziale Arbeit in der Stadt […] Ideen für eine Verbesserung der Personalsituation in Kitas, im Ganztag und in der sozialen Arbeit sucht man in dem Einigungspapier vergebens. Die GEW Berlin vermisst außerdem Aussagen zu einer Nachbesserung beim Nachteilsausgleich für nicht verbeamtete Lehrkräfte und ein Bekenntnis zu dem Ziel kleinerer Klassen. Für beides hatte sich nicht zuletzt die Union im Wahlkampf ausgesprochen.”

Auf die Regierung können wir uns als Beschäftigte im Bildungswesen und als Feminist:innen also nicht verlassen. Aus diesem Grund streiken die Berliner Lehrer:innen auch seit über einem Jahr immer wieder für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz, welcher vor allem kleinere Klassen, sowie mehr Schulsozialarbeiter:innen und Psycholog:innen vorsieht. Diese Forderung ist ebenso eine feministische Forderung, wie die Forderung nach der Angleichung der Löhne, denn in kleinere Klassen fällt zum Beispiel häusliche Gewalt eher auf, weniger Unterrichtsausfall wäre eine Entlastung für alleinerziehende Mütter, es kann einen besseren Umgang mit Diskriminierung geben und ganz allgemein gesagt würden sich die Arbeitsbedingungen an den Schulen, die generell ein feminisierter Sektor, also ein Ort wo überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten, verbessern.

Doch die Forderungen des Streiks wurden bisher nicht erfüllt, der zuständige Senator Daniel Wesener von den Grünen weigerte sich sogar gänzlich überhaupt erst an den Verhandlungstisch zu treten, auf die Parteien und Koalitionen, selbst wenn sie zumindest auf dem Papier fortschrittlicher sind ist also kein Verlass. Um mehr Druck aufzubauen, forderten viele Lehrer:innen bei den Streikcafés und auch die Junge GEW eine Demokratisierung des Streiks und einen Erzwingungsstreik, um den Druck zu erhöhen. Um den Streik zu stärken sollten auch weitere Fragen, wie die Frage der Angleichung der Löhne zwischen Männern und Frauen oder sogar die Angleichung der Löhne an die Inflation, insbesondere für die outgesourcten Beschäftigten, eine Quote für Sozialarbeiter:innen und Erzieher:innen, eine wirkliche Bau und Sanierungsoffensive uvm. mit in das Programm aufgenommen werden, um noch mehr Kolleg:innen in den Kampf zu ziehen und dem kommenden Senat richtig einzuheizen.

Statt eines Feminismus der sich nur in Worten fortschrittlich gibt, aber in Wahrheit unsere Forderungen, Rechte und Anliegen in Regierungen verrät und in den Staat der uns ausbeutet integriert, brauchen wir einen Feminismus der Arbeiter:innen, welcher mit Streiks und Protesten für die Rechte und Interessen von Frauen und queeren Menschen kämpft, einen Feminismus welcher nicht auf die bürgerlichen Institutionen vertraut, sondern um seine Ziele durchzusetzen diese Institutionen überwindet.

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