Berlin verbietet palästinensische Demonstrationen

08.05.2023, Lesezeit 5 Min.
1
shutterstock.com /timeckert

Wie im vergangenen Jahr verbietet die Berliner Polizei erneut palästinensische Demonstrationen gegen die israelische Apartheid, diesmal im Zusammenhang mit dem Jahrestag der politischen Gefangenen Palästinenser:innen. Dies ist ein massiver Angriff auf alle antirassistischen und linken Kämpfe!

Vom Verbot betroffen waren mehrere Demonstrationen am Wochenende des 15 und 16. April und dem darauffolgenden am Montag. Auch Ersatzveranstaltungen wurden verboten. Die Polizei rechtfertigt die Verbote mit einer „unmittelbaren Gefahr” durch „volksverhetzende und antisemitische” Parolen sowie Aufwiegelung und Gewalt. Die vergangenen palästinensischen Proteste geschahen alle ohne ein Eingreifen der Polizei, von den hunderten anwesenden Demonstrant:innen ging keinerlei Gewalt aus. Auf einem Video, welches im Internet kursierte, ist lediglich zu hören, wie ein einzelner Demonstrant eine antisemitische Parole rief. Obwohl diese Parole gegen den klaren antirassistischen Konsens der Veranstalter:innen spricht werden nun alle Palästinenser:innen und auch linke Jüd:innen unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt und ihre lebensnotwendigen Proteste gegen das Apartheidregime verboten. 

Dieser Angriff auf migrantische Communitys, auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit geschah wohlgemerkt unter dem rot-rot-grünen Senat! In der Linkspartei nahen Zeitung Neues Deutschland ging ein Autor sogar so weit zu fordern, dass „die Linke dem Reflex der Solidarität gegen Repression widerstehen solle”. Genau das Gegenteil ist aber der Fall, alle Linken sollten im Angesichts dieser Repressionen in Solidarität stehen und eine Aufhebung der Verbote fordern und am Nakba Tag, dem Tag der an die Vertreibung der Palästinenser:innen erinnert, welcher Mitte Mai bevorsteht auf die Straßen gehen. 

Die Verbote der Polizei und ihre Gewalt wurden im letzten Jahr auch von Menschenrechtsorganisationen wie Human rights watch verurteilt als: „unzulässige Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit […] ein präventives Verbot des Gedenkens an ein Ereignis ist eine extreme Einschränkung, die faktisch eine kollektive Bestrafung derjenigen ist, die sich friedlich versammeln wollen und die auf Spekulationen über potentielle rechtswidrige Handlungen einer Minderheit beruht”. 

Die Verbote dieses wie letztes Jahr sind klar zu verurteilen, sie stehen im Zeichen der imperialistischen Politik des deutschen Staats, welcher auch von der Vertreibung der Palästinenser:innen profitiert und die israelische Apartheid bedingungslos finanziell, politisch wie militärisch unterstützt. In Zeiten der sich zuspitzenden internationalen geopolitischen Konflikte verschärfen sich auch die Repressionen gegen nationale Befreiungskämpfe, wie nicht zuletzt die ebenso zunehmende Kriminalisierung von politisch aktiven Kurd:innen in Europa zeigt.

Gegen die Demonstrationsverbote gibt es eine Kampagne, die auch wir als Klasse gegen Klasse /Revolutionäre internationalistische Organisation unterstützen. In dem von mehr als 160 Organisationen, Gewerkschaften und politischen Parteien unterzeichnetem Statement heißt es:

„Wir, die unterzeichnenden Organisationen, erklären unsere Ablehnung und Empörung über das Verbot der Berliner Polizei, an diesem Wochenende, dem 15. und 16. April, den Tag der palästinensischen Gefangenen zu begehen. Dieses Verbot ist nicht nur ein Angriff auf die palästinensische und arabische Gemeinde in Berlin und die Unterstützer:innen Palästinas, es ist eine Bedrohung, die sich gegen unser aller Meinungsfreiheit richtet. Darüber hinaus ist es ein Versuch, die Unterstützung für die 4.800 palästinensischen Gefangenen selbst zu ersticken, die hinter kolonialen Gittern für ihre Freiheit kämpfen.

Dieses polizeiliche Verbot ist Ausdruck von anti-palästinensischem Rassismus und Unterdrückung. Anstatt sich gegen Antisemitismus zu wehren, wird in der Begründung für das Verbot selbst die antisemitische Gleichung aufgestellt, Zionismus und Judentum seien identisch und das zionistische Besatzungsregime vertrete Jüd:innen und Juden per se. Darüber hinaus wird deutlich, dass sich die Regierung nicht um die öffentliche Sicherheit der palästinensischen und arabischen Gemeinde in Berlin kümmert – der größten Gemeinde dieser Art in Europa – und auch nicht zögert, Rassismus und Verleumdungskampagnen zu instrumentalisieren, um eine Art kollektive Bestrafung gegen diese Gemeinde zu vollführen.

Wir betrachten dieses Verbot in erster Linie als einen Angriff auf die palästinensischen Gefangenen und die palästinensische Gemeinde in Berlin sowie als einen Versuch, die wachsende Unterstützung für Palästina in Deutschland und in der ganzen Welt zum Schweigen zu bringen. Viele Menschen sind sich der Verbrechen des zionistischen Besatzungsregimes in Palästina zunehmend bewusst, sind entsetzt darüber und erheben ihre Stimme dagegen, und genau das soll mit dem Verbot verhindert werden.

Wir sehen darin eine Wiederholung des Verbots von Gedenkveranstaltungen zu Al-Nakba im Mai 2022 und warnen vor einem weiteren Verbot im Jahr 2023, dem 75. Diese Verbote sind Ausdruck des staatlich geförderten anti-palästinensischen Rassismus und einer vollständigen Identifizierung mit der zionistischen Kolonisierung des besetzten Palästina. Dies ist besonders wichtig, da die große Mehrheit der palästinensischen Gemeinde in Berlin Flüchtlinge sind, denen das Recht auf Rückkehr in ihre Heimat seit 75 Jahren verweigert wird.

Wir lehnen diese Verbote von Demonstrationen für den Tag der palästinensischen Gefangenen ab und erklären, dass unsere Stimmen nicht verstummen werden. Wir müssen lauter denn je die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen fordern, die in den Gefängnissen des zionistischen Regimes eingesperrt sind, und die Befreiung Palästinas, vom Fluss bis zum Meer. Und wir erklären klar und deutlich, dass es dieser Form der staatlichen Repression nicht gelingen wird, unsere Unterstützung für das palästinensische Volk, seinen Widerstand und seine Gefangenenbewegung, die für die Beendigung von Kolonialismus und Rassismus kämpft, zum Schweigen zu bringen.

Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein! Freiheit für alle palästinensischen Gefangenen! Nieder mit der staatlichen Unterdrückung; es lebe die internationale Solidarität!“

Mehr zum Thema