Auf verlorenem Posten?

10.04.2013, Lesezeit 6 Min.
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// Bei ihrem zweiten Kongress zeigt die französische NPA die Sinnlosigkeit ihrer Strategie //

Vom 2.-3. Februar tagte im Pariser Vorort Saint-Denis der zweite Kongress der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) seit ihrer Gründung im Februar 2009. Die Partei wurde nach dem überraschenden Erfolg des Sprechers der Revolutionären Kommunistischen Liga (LCR), Olivier Besancenot, bei den Präsidentschaftswahlen 2007 gegründet. Seitdem hat sie gehörig Blut gelassen: Hatte sie bei ihrer Gründung offiziell knapp über 10.000 Mitglieder, gaben bei den Delegiertenwahlen für den zweiten Kongress nur noch ungefähr 1.600 AktivistInnen ihre Stimme ab.

Bei einem nicht unbedeutenden Teil der trotzkistischen Linken sollte dieser Kongress Aufmerksamkeit erregen, gibt es doch in vielen Ländern Projekte, die sich in verschiedener Weise positiv auf das französische Vorbild beziehen (so die ACI im Vereinigten Königreich, die NAL in der Tschechischen Republik oder der NAO-Prozess in Deutschland). Wie uns unsere GenossInnen von der Revolutionären Kommunistischen Strömung (CCR) in der NPA berichten, kann trotz des Mitgliederschwunds aber von einer kritischen Aufarbeitung der Situation in der Partei selbst kaum eine Rede sein.

Nachdem die Parteirechte der Antikapitalistischen Linken (GA) die NPA in Richtung der Linksfront (FdG) von Jean-Luc Mélenchon verlassen hatte, traten für den Kongress nunmehr folgende Plattformen an: Zum einen die Plattform X (PX), die sich hauptsächlich um die Führung der ehemaligen LCR gruppiert und die Führungsmehrheit in der NPA besitzt; die PY, die größtenteils aus der ehemaligen Jugendorganisation der LCR, der JCR, kommt und ein links-zentristisches Programm vertritt; der revolutionär-trotzkistische Flügel um die PZ, die sich aus der CCR und der Tendance CLAIRE bildet; des Weiteren trat zum ersten Mal auch die PW an, die autonomistische Konzepte vertritt.

Die PX, die auf dem Kongress eine knappe Mehrheit erlangte, spielte bereitwillig die Rolle der ehemaligen GA: So versucht sie sich immer stärker an die linksreformistische FdG anzubiedern und posaunt deren vage Formel von der „Anti-Austeritäts-Regierung“ hinaus. Die PY kritisiert diesen Kurs durchaus und verlangt eine stärkere Betonung des Klassenkampfes und der politischen Unabhängigkeit der NPA – kann darüber hinaus allerdings nicht viel dem unscharfen „Antikapitalismus“ und „Antiliberalismus“ der Parteimehrheit entgegen setzen. Dagegen setzte die PZ auf ein Programm der politischen Unabhängigkeit, der Verankerung in den kämpferischsten Sektoren der ArbeiterInnenklasse und eine internationalistische und antiimperialistische Positionierung. Als einzige Plattform ist sie nicht nur relativ, sondern auch absolut gewachsen – besonders beeindruckend, wenn man sich den großen Mitgliederschwund der NPA vor Augen führt. So bekam die PZ 2011 120 Stimmen (3,5%) und 2013 145 (9%). Das zeigt im Kleinen, dass es durchaus Mitglieder gibt, die nach einer revolutionären Politik Ausschau halten.

Die jüngste Entwicklung der NPA zeigt die strategische Sinnlosigkeit breiter „antikapitalistischer“ Formationen: Die Tatsache, dass die Partei nur noch über ein Zehntel der Mitglieder im Vergleich zu ihrer Gründung vor vier Jahren verfügt – sogar die Mitgliederzahl der ehemaligen LCR unterschritten hat! – straft die Behauptungen vieler zentristischer Tendenzen im Trotzkismus Lügen, es existiere ein Raum für Politik ohne eine eindeutige revolutionäre Strategie für die ArbeiterInnenklasse. Natürlich führen Zahlenspiele nicht weit, aber es ist deutlich, dass eine auf Wahlen orientierte „anti-neoliberale“ Partei von RevolutionärInnen – besonders angesichts des Aufkommens sich radikal gebender linksreformistischer Parteien – keinerlei politische Perspektive hat oder bieten kann: Nach links gehende ArbeiterInnen und Jugendliche geben bei Wahlen ihre Stimme viel eher den „ehrlichen“ ReformistInnen der Linksfront Mélenchons als einer Partei von RevolutionärInnen, die so tun, als seien sie LinksreformistInnen.

Nicht nur in vielen internationalen Beispielen, wie dem offenen revolutionären Prozess in Ägypten, wo vor allem die ArbeiterInnen aus Mahalla eine treibende Rolle gespielt haben und noch spielen, sondern auch in der sich regenden Avantgarde der französischen ArbeiterInnenklasse kann die Parteimehrheit der NPA die direkte Widerlegung ihrer Geringschätzung des Klassenkampfes finden. In diesem Moment liefern sich immer mehr Sektoren in Frankreich, auch im Umfeld der NPA, verschärfte Kämpfe mit der Bourgeoisie und dem Versuch ihres Staates, die Krise auf Kosten der lohnabhängigen und unterdrückten Bevölkerung zu „lösen“. Es wird immer deutlicher, dass eine antikapitalistische Partei eine Perspektive nur ihm Klassenkampf und dem Proletariat finden wird.

Die PZ wandte sich in den vielen Debatten vor und während des Kongresses direkt gegen den opportunistischen Kurs der Parteimehrheit und schlug der PY vor, einen Block gegen diese liquidationistische Politik zu bilden. Leider wurde dieser Vorschlag nicht gehört und die PY beschränkte sich auf eine „Marschroute“, die noch nicht einmal eine klare Orientierung, geschweige denn einen Kampfaufruf gegen die reformistische Strategie der Parteiführung beinhaltet.

Durch eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema „Warum Trotzki?“ führte die CCR einen ideologischen Kampf, durch den sie eine Reihe neuer GenossInnen für den Kampf innerhalb der NPA gewinnen konnte. Darüber hinaus zeichnete sie sich in den letzten Monaten durch eine aktive Teilnahme an den Prozessen der Neugruppierung der Avantgarde der ArbeiterInnenklasse in Frankreich aus. Dies ist ein kleines Beispiel dafür, wie eine prinzipienfeste Politik in einer Partei wie der NPA aussehen kann.

Genauso macht eben auch der zweite Kongress der Neuen Antikapitalistischen Partei deutlich, dass die trotzkistische Linke ihre Aufgaben verfehlt, wenn sie Illusionen in die Möglichkeit breiter, antikapitalistischer Neugründungen streut. Vielmehr ist es dringender denn je, in Frankreich in der NPA, aber genauso auch überall auf der Welt, den Kampf für eine klassenkämpferische ArbeiterInnenbewegung, für eine revolutionäre Partei als Teil einer revolutionären Internationale auf der Grundlage des Programms der Vierten Internationale voranzutreiben.

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