Argentinien: Hunderttausende mobilisieren sich gegen die ultrarechte Regierung

25.01.2024, Lesezeit 6 Min.
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Mobilisierungen zum Generalstreik in Buenos Aires. Foto: LID

In Argentinien haben gestern Hunderttausende Menschen im Rahmen eines landesweiten Streiks gegen die Angriffe der Regierung demonstriert. Ein wichtiger Schritt, auf den ein Kampfplan gegen die Milei-Regierung folgen muss.

In Argentinien wächst die Mobilisierung gegen die ultrarechte Regierung von Javier Milei und ihre arbeiter:innenfeindlichen und autoritären Angriffe: Megadekret, Omnibusgesetz und „Sicherheitsprotokoll“. Seit dem Mittag und den ganzen Nachmittag über kamen Zehntausende von Menschen auf der Plaza del Congreso in Buenos Aires zusammen.

Auf dem Platz vor dem argentinischen Kongress und in zahlreichen Städten im ganzen Land gab es Demonstrationszüge aus vielen verschiedenen Sektoren: von den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die in der Gewerkschaft ATE organisiert sind, über die Arbeiter:innen der Flughäfen und Fluggesellschaften, die Bauarbeiter:innen der UOCRA bis hin zu vielen Sektoren der Industrie, aber auch der Werften und der Häfen und Docks. Auch weitere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die von den Sparplänen der Regierung bedroht sind, Beschäftigte im Gesundheits- und Bildungswesen oder im Kulturbereich, waren zahlreich vertreten, ebenso wie Studierendenorganisationen und Arbeitslosen- und Menschenrechtsorganisationen.

Am frühen Morgen hatte der Streik an den Flughäfen begonnen. Die von Milei mit Privatisierung bedrohte Fluggesellschaft Aerolineas Argentinas musste laut dem Fernsehsender C5N am Mittwochmorgen fast 267 Flüge streichen. „Wir sind mit über 1.000 Leuten zu der Demonstration gekommen, wir stehen zusammen mit dem Rest der Luftfahrtarbeiter:innen für die Verteidigung unserer Rechte“, erklärte Martin Brat, Vertrauensmann bei GPS, einer Tochtergesellschaft von Aerolineas. In den öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus, Zug und U-Bahn) riefen die Gewerkschaftsführungen hingegen erst ab 19 Uhr zu einem Streik auf. Obwohl der Streik in diesen Sektoren groß sein würde, hat die Tatsache, dass er erst zu so später Stunde aufgerufen wurde, einen Teil der prekären oder informellen Beschäftigten (die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, A.d.Ü.) gezwungen, zur Arbeit zu gehen.

Die radikale Linke und die kämpferischen Gewerkschaften bildeten ihrerseits einen unabhängigen Demonstrationsblock mit Tausenden von Teilnehmer:innen unter der Losung: „Für einen Kampfplan, um die autoritäre Offensive von Milei und dem IWF zurückzuschlagen!“ (Plan de lucha hasta derrotar el ajustazo de Milei y el FMI). Ein Demonstrationszug, an dem die wichtigsten Organisationen der radikalen Linken, klassenkämpferische Gewerkschaftsströmungen, Arbeitslosen- und Menschenrechtsorganisationen sowie zahlreiche Nachbarschaftsversammlungen und Kulturarbeiter:innen, die im Kollektiv Unidxs por la Cultura zusammengeschlossen sind, teilnahmen.

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Der unabhängige Block auf der Plaza del Congreso am Mittwoch. Foto: LID

Die Mobilisierung fand statt, nachdem sich Javier Milei und die rechten Parlamentsfraktionen (PRO, UCR, HCF) in der Nacht zuvor darauf geeinigt hatten, eine Version des Omnibusgesetzes im zuständigen Ausschuss für gültig zu erklären und es so noch diese Woche dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen. In den letzten Tagen bestand die Priorität der Regierung darin, das Gesetz zu beschleunigen und zu versuchen, der Mobilisierung der Arbeiter:innen und der armen Bevölkerung den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Diese Politik wurde seit Mittwochmorgen von Einschüchterungsversuchen gegen die Bewegung begleitet, mit Durchsuchungen und Beschlagnahmungen von Bussen, die Arbeiter:innen zu den Demonstrationen bringen sollten, Blockaden von Brücken in der Stadt durch Repressionskräfte und Tweets von Regierungsmitgliedern, die die Demonstrant:innen angriffen. „Sicherheitsministerin“ Patricia Bullrich bezeichnete die Demonstrant:innen auf Twitter als „mafiöse Gewerkschafter, Verwalter der Armut, komplizenhafte Richter und korrupte Politiker“.

Trotz dieser Repressionskampagne demonstrierten hunderttausende Menschen im ganzen Land in Buenos Aires, Cordoba, Rosario, Mendoza, aber auch in Jujuy oder Santa Fe. Exequiel Navarro, Anführer der Gewerkschaft der Staatsbediensteten (ATE) in de Provinzstadt Mar del Plata, freute sich über die massive Bewegung in der Stadt und erklärte gegenüber der Zeitung Clarín: „Selbst wenn wir sagen, dass hier 20.000 Menschen sind, ist die tatsächliche Zahl viel höher.“ In Tucuman sollen mehr als 40.000 Menschen auf der Plaza de Independencia demonstriert haben, was ein historisches Niveau der Mobilisierung darstellt.

In Buenos Aires sprachen die nationalen Anführer des Gewerkschaftsverbandes CGT bei einer Kundgebung auf dem Platz. Hector Daer, Generalsekretär der CGT, verurteilte die Politik der Regierung und erklärte: „Im Namen der Freiheit wollen sie alle staatlichen Unternehmen privatisieren, im Namen der Freiheit wollen sie alle argentinischen Energien verschenken“. Ebenso prangerte Pablo Moyano, Anführer der Gewerkschaft der LKW-Fahrer:innen, die Haltung von Teilen des Peronismus an: „Ein Peronist kann nicht für dieses Dekret stimmen, das Rentner, Arbeiter und die argentinische Souveränität angreift.“

Diese Reden zielten darauf ab, die Abgeordneten herauszufordern, mit der Hoffnung, die Abstimmung über das Omnibusgesetz zu verhindern. Sie zeigten aber keinerlei Perspektive für den weiteren Kampf und die Veränderung des Kräfteverhältnisses auf. In diesem Sinne blieb, wie unsere argentinische Schwesterzeitung La Izquierda Diario feststellte, die Massivität des Streiks durch die Politik der Gewerkschaftsführungen eingeschränkt, die sich dafür entschieden hatten, den Verkehr bis 19 Uhr normal laufen zu lassen. Eine Entscheidung, die mit der Logik dieser Anführer:innen zusammenhängt, einfach etwas Druck auf das Parlament und die Regierung auszuüben.

Aus diesem Grund besteht die radikale Linke auf der Notwendigkeit, weitere Kräfte aufzubauen und über diesen erfolgreichen ersten Mobilisierungstag hinauszugehen. Wie Nicolás del Caño, Abgeordneter der Partei Sozialistischer Arbeiter:innen (PTS) in der Front der Linken der Arbeiter:innen (FIT-U), von der Plaza del Congreso aus erklärte: „Dieser sehr gut besuchte landesweite Streik muss ein erster Schritt sein, um einen echten Kampfplan der Arbeiter:innen aufzubauen, der während der Prüfung des Omnibus-Gesetzes, das 7 Millionen Rentner:innen hart treffen wird, weitergehen muss.“ Eine Herausforderung, die mit dem Aufbau der Mobilisierung an der Basis, in den Betrieben, aber auch in den Nachbarschaftsversammlungen einhergeht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Révolution Permanente auf Französisch. Für die deutsche Übersetzung wurde der Text leicht angepasst und ergänzt.

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