Arbeiter*innen gegen Trump

01.03.2017, Lesezeit 10 Min.
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Der Klassenkampf ist seit jeher die Triebfeder aller gesellschaftlichen Konflikte. Der erste Monat von Trumps Präsidentschaft ist vorüber und wir müssen aus einer proletarischen Perspektive heraus kämpfen.

Die Offensive

Donald Trump zögerte nicht lange, bevor er in die Offensive ging. Er wollte zeigen, dass er seine Wahlkampfversprechen schnell und entschlossen umsetzt, mit Ausnahme des Versprechens „den Sumpf auszutrocknen“.

Sein erster Monat im Amt macht klar, dass seine Agenda darin besteht, Angriffe gegen Arbeiter*innen durchzuführen, vor allem gegen die am stärksten von Unterdrückung betroffenen Sektoren, und nicht gegen die Wall Street oder etablierte Politiker*innen. Seine Angriffe gegen Migrant*innen sind primär Angriffe auf migrantische Arbeiter*innen. Silicon Valley und andere Technologie- und Kommunikationsunternehmen klagen, weil sie verstärkt auf qualifizierte migrantische Arbeitskräfte angewiesen sind. Dabei sind es die ärmeren und unqualifizierteren migrantischen Arbeiter*innen, die unter dem Muslim Ban und den zunehmenden Razzien der US-Einwanderungsbehörde leiden.

Wenn das Recht auf Abtreibung bedroht ist, sind arbeitende Frauen am stärksten davon betroffen. In den USA können wohlhabendere Frauen, wie auch im Rest der Welt, unter sicheren Bedingungen abtreiben, selbst wenn es illegal ist. Wenn das Recht auf Abtreibung abgeschafft wird, zahlen die Frauen der Arbeiter*innenklasse den Preis, oft auch mit ihrem Leben.

Die Drohung ein bundesweites „Recht-auf-Arbeit“-Gesetz im Kongress zu erlassen, ist ebenso ein Angriff gegen die Arbeiter*innenklasse. Mit der Erlaubnis zum fortgesetzten Bau der Dakota Access Pipeline sollen angeblich Arbeitsplätze geschaffen werden. Tatsächlich werden damit die Rechte der Ureinwohner*innen mit Füßen getreten und deren Grundwasser vergiftet.

Die Antwort

Die Reaktion auf Trumps Verfügungen als Präsident der USA kam schnell und massiv – und kraftvoll. Der Womens March mit drei Millionen Teilnehmer*innen, die landesweiten Proteste an Flughäfen und die vielen Aktionen migrantischer Arbeiter*innen zeigen eine Bereitschaft zum Kampf, wie es sie seit Jahren nicht mehr gab.

Diese Mobilisierungen sind noch etwas gestaltlos und spontan, zeugen aber von einer unglaublichen Stärke.

Die chaotische Einführung des Muslim Ban und seine temporäre Aufhebung, der plötzliche Rücktritt des Beraters für nationale Sicherheit Michael Flynn nur 24 Tage nach seiner Ernennung, und die vielen Risse innerhalb der Republikanischen Partei, die in zunehmendem Maße mit Schadensbegrenzung beschäftigt ist, deuten auf einen instabilen Regierungs-Block hin. Trumps Auftritt auf seiner Pressekonferenz am 16. Februar war ein groteskes Spektakel. Seine ausweichenden Antworten waren durchzogen mit Ausbrüchen von Größenwahn – eine Arroganz, die immer unglaubwürdiger wird.

Das größte Risiko besteht derzeit darin, dass die Energie der Mobilisierungen übernommen und kanalisiert wird, um die Demokratische Partei neu zu beleben. In Wahrheit gibt es kein unabhängiges Programm, die nebulösen “Anti-Trump“-Proteste werden damit selbstverständlich der Demokratischen Partei zu gute kommen.

Wer auch immer als nächstes die Führung innerhalb der Demokratischen Partei übernehmen wird, egal ob jemand vom Pro-Hillary-Flügel oder ein*e Kandidat*in, der*die linksgerichteter ist, wie Keith Ellison, die Demokratische Partei wird auch weiterhin vom Kapital finanziert und kontrolliert werden. (Anm. der Redaktion: Zum Zeitpunkt der Erscheinung der englischen Vorlage war der Ausgang der Wahl noch nicht bekannt. Inzwischen steht der Parteirechte Tom Perez als neuer Vorsitzender fest. Ellison ist sein neuer Stellvertreter.) Ihre Agenda ist eine andere als die von Trump, aber sie ist dennoch zu 100 Prozent eine pro-kapitalistische Agenda. Eine Bewegung, die gegen Trump allein gerichtet ist, kann bei dem Versuch nur versagen, dauerhafte und entscheidende Vorteile für Arbeiter*innen zu erzielen. Auch wenn die Demokratische Partei bei den Zwischenwahlen 2018 den Senat oder gar das Repräsentantenhaus zurückerobert, bleiben viele Jobs schlecht bezahlt und prekär, Polizist*innen werden auch weiterhin straffrei nicht-weiße Menschen und Latinx umbringen und die überfüllten Gefängnisse werden weiterhin üppige Gewinne für die Reichen abwerfen, während sie das Leben von Millionen ruinieren. Wir stünden wieder am Anfang.

Eine Agenda der Arbeiter*innen

Die Herausforderung für die Bewegung gegen Trump ist es eine Reihe von Forderungen aufzustellen, um die Mehrheit der Arbeiter*innenklasse für ein progressives Programm zu gewinnen. Im Jacobin legt Alex Gourevitch korrekt dar, dass wir über den Widerstand hinausgehen müssen. Allerdings ist seine Betonung der „Freiheit“ als Grundprinzip linker Politik problematisch.

Freiheit ist ein sehr vager Begriff, der von verschiedenen politischen Kräften benutzt werden kann, die sich oftmals konträr gegenüberstehen, um unterschiedliche Werte auszudrücken. Freiheit ist tatsächlich auch das Lieblingswort neoliberaler Ideolog*innen des „freien Markts“. Das Werk „Der Weg zur Knechtschaft“ des bürgerlichen Ökonomen Friedrich August von Hayek ist ein solches Negativ-Beispiel.

Wir brauchen ein Programm, das die Trump-Administration auf den Straßen und in den Betrieben bekämpft und die Krümel, die uns die Demokratische Partei hinhalten will, nicht akzeptiert. Solch ein Programm bedeutet auf lange Frist nichts weniger als den Sozialismus. Für die bevorstehenden Kämpfe könnte jedoch eine Reihe von Slogans, die die Arbeiter*innen und kämpferischen Jugendlichen hinter einem gemeinsamen Banner versammelt, als ein Kompass dienen, um der Falle der Volksfront zu entkommen. Wie wir bereits an anderer Stelle erörtert haben, ist es die herrschende Klasse, die in einer klassenübergreifenden Koalition den Ton angibt und als einzige von diesem Bündnis profitiert.

Wir müssen innerhalb der Bewegung gegen Trump einen Arbeiter*innen-Flügel aufbauen, nicht um sie zu spalten, sondern um für eine radikalere Ausrichtung zu kämpfen. Dieser Arbeiter*innen-Flügel würde beide Seiten des Kapitals, also die Demokratische und die Republikanische Partei, ablehnen und Solidarität mit allen Kämpfen der Arbeiter*innen aufbauen.

Dieser Arbeiter*innen-Flügel wird nicht nur gegen die extremsten Formen von Sexismus kämpfen, die durch Trump Legitimation erfahren. Er wird sich auch gegen den liberalen Feminismus positionieren, der von Hillary Clinton und der Demokratischen Partei verkörpert wird und der nicht bloß im Kampf um die Verteidigung des Rechts über den eigenen Körper versagte, sondern auch die finanzielle Hilfe für von Armut betroffene Mütter strich und immer mehr Frauen hinter Gitter brachte.

Genauso sollten wir für die Staatsbürger*innenschaft und für volle Rechte migrantischer Arbeiter*innen kämpfen, was die Demokratische Partei niemals tat und niemals tun wird. Der historische Rekord von 2,5 Millionen Abschiebungen unter Obama legte den Grundstein für die migrationsfeindliche Stimmung im Land, die Trump ausnutzte und weiter ausbaute. Wir müssen grenzübergreifend Solidarität aufbauen, zwischen den Arbeiter*innen in Mexiko und den USA.

Arbeiter*innen und die Gewerkschaften können und sollten rassistische Unterdrückung und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen, bis diese verschwunden sind. Einige Beispiel dafür sind der Streik der Hafenarbeiter*innen in San Francisco gegen Polizeigewalt, die Resolution nicht-weißer und migrantischer Gewerkschafter*innen im öffentlichen Dienst in Süd-Kalifornien für den Rauswurf von Polizist*innen aus den Gewerkschaften oder Aktionen von Gewerkschaften, wie die der Beschäftigen im Gastgewerbe im US-Bundesstaat Maryland, in Reaktion auf die Ermordung von Freddie Gray. Labor For Standing Rock ist ein weiteres gelungenes Beispiel dafür, wie Arbeiter*innen Unterstützung für Unterdrückte leisten können. In diesem Fall unterstützten sie die Angehörigen der Seven Nations in ihrem Kampf um ihr Land, ihre Kultur und ihre Lebensgrundlage.

Ein klassenkämpferisches Bündnis gegen Trump wäre in der Lage eine Reihe wirtschaftlicher Forderungen aufzustellen, wie ausreichend Arbeitsplätze, ein Einkommen, das zum Leben reicht, und bessere Arbeitsbedingungen, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Arbeiter*innen, die am stärksten vom Finanzkapitalismus betroffen sind, den sogenannten „Verlierer*innen der Globalisierung“. Die Arbeiter*innen, die für Trump gestimmt haben, werden bald erkennen, dass er ihnen nichts Gutes bringen wird und können dann eventuell für ein Bündnis der Arbeiter*innenklasse gewonnen werden, immer auf der Grundlage des kompromisslosen Kampfs gegen Rassismus und Sexismus. Mit dem richtigen Programm und durch gemeinsame Erfahrungen im Kampf, Schulter an Schulter mit unseren Klassenbrüdern und -schwestern, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität und Nationalität, werden Arbeiter*innen das Potential des gemeinsamen Kampfs gegen unseren Klassenfeind entdecken.

Ein schlafender Riese

Die Arbeiter*innenklasse hat das Spielfeld noch nicht betreten. Obwohl sich tausende ihrer Mitglieder an den Protesten gegen die Amtseinführung beteiligten, nahmen nur wenige Gewerkschaften an den Protesten teil. Der Vorsitzende des gewerkschaftlichen Dachverbands AFL-CIO, Richard Trumka, und der Gewerkschaftssekretär Sean McGarvey haben sich schändlicherweise mit dem US-Präsidenten getroffen und ihm ihre Hilfe angeboten.

Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Unter den Arbeiter*innen wächst die Unzufriedenheit und einige gehen bereits auf die Straße. Die Lehrer*innengewerkschaften AFT und NEA organisierten am Vorabend und am Tag der Amtseinführung von Donald Trump Aktionen, Hafenarbeiter*innen in San Francisco streikten am Tag der Amtseinführung, die Gewerkschaft Unite-Here veröffentlichte ein Statement und mobilisierte gegen das Einreiseverbot für Muslim*innen und führte einige Aktionen gegen Donald Trump an, Arbeiter*innen bei Comcast in Philadelphia verließen ihre Arbeitsplätze, wenn auch mit Zustimmung des Managements.

Noch viel eindrucksvoller war die Beteiligung von hunderttausenden migrantischen Arbeiter*innen am #DayWithoutImmigrants, welcher über die USA hinwegfegte. Es ist noch unklar welche Form diese Mobilisierungen annehmen werden, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass die Arbeiter*innenklasse – und besonders ihre migrantischen Teile – zwar noch schläft, aber nicht tot ist.

Vielleicht ist es die Anbiederung der Gewerkschaftsbürokratie an den Präsidenten, den ein Großteil der Arbeiter*innenschaft verabscheut, die dazu führt, dass sich in den Gewerkschaften oppositionelle Fraktionen herausbilden. Diese Fraktionen könnten die bürokratischen Führungen der großen Gewerkschaften herausfordern, die es bisher geschafft haben die Basis zu besänftigen, trotz ihres wiederholten Verrats und ihrer wiederholten Kooperation mit den Bossen.

Zeitgleich würden die persönlichen Vorteile der Gewerkschaftsbürokrat*innen ernsthaft gefährdet, falls das gewerkschaftsfeindliche “right to work“-Gesetzesvorhaben im Kongress weiter vorangetrieben wird. Ein verzweifelter Versuch den Verfall ihrer gewerkschaftlichen Basis zu verhindern, könnte sie dazu zwingen kühnere Aktionen durchzuführen, wie Streiks und Mobilisierungen der Basis, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Das Auffahren solch schwerer Geschütze würde eine Dynamik in Gang setzen, die möglicherweise außer Kontrolle geraten könnte. Die Führung der Gewerkschaften ist sich dieser Gefahr bewusst und versucht es deswegen zu vermeiden, aber die Trump-Administration hat sich bisher als so ungeschickt und sich selbst überschätzend erwiesen, dass wir durchaus eine Überraschung erleben könnten.

Die Linke in den USA kann dabei helfen, radikale Strömungen innerhalb der Arbeiter*innenbewegung aufzubauen. Sozialistische Organisationen wie die International Socialist Organization (ISO) und Socialist Alternative (SAlt), die Schwesterorganisation der SAV in den USA, die Industrial Workers of the World (IWW) und jene Mitglieder der Democratic Socialists of America (DSA), die sich dazu entschieden haben in den Gewerkschaften aktiv zu sein, sollten Beschlüsse in ihren Ortsverbänden vorantreiben, die Gewerkschaftsführung herausfordern, Solidarität aufbauen und einen aktiven Kampfplan vorantreiben, um den Widerstand der Arbeiter*innenklasse gegen Trump aufzubauen. Diese Organisationen haben jedoch einige Mängel. Zum Beispiel ist die Vorliebe der DSA für den linken Flügel der Demokratischen Partei und ihr Plan, lokale Kandidat*innen auf ihren Wahlzetteln zu führen, das genaue Gegenteil von dem, was wir brauchen. Der Aufruf der Socialist Alternative an den Bürger*innenmeister von Seattle, die Polizei dafür einzusetzen, Migrant*innen vor den Razzien der US-Einwanderungsbehörde zu schützen, widerspricht der Klassenpolitik und fördert Illusionen in eine Institution, die nur dazu geschaffen wurde, das Kapital und die kapitalistische Ordnung zu schützen. Generell sollten linke Gewerkschaftsmitglieder den Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie ernst nehmen, schließlich hat dies auch strategische Konsequenzen.

Trotz dieser erheblichen Differenzen sind diese Organisationen momentan in der besten Lage militanten Aktivismus in den Betrieben und innerhalb der Gewerkschaften zu fördern und dadurch die Bewegung gegen Trump deutlich zu verändern, einen Arbeiter*innen-Flügel zu festigen und damit einer verknöcherten Arbeiter*innenbewegung wieder zu neuem Schwung zu verhelfen.

Dieser Artikel bei Left Voice

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