100 Menschen diskutieren über eine revolutionäre Alternative

17.01.2024, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Über linke Alternativen zu Bündnis Sahra Wagenknecht und Linkspartei. Ein Gespräch mit Sylvia Bayram (Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht), Clea Funke (Revolutionäre Sozialistische Organisation) und Stefan Schneider (Revolutionäre Internationalistische Organisation / Klasse Gegen Klasse).

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Foto: Ayrin Giorgia

Am Samstag luden verschiedene Organisationen zu einer Veranstaltung unter dem Namen „Weder Linkspartei noch Wagenknecht: Welche Alternative für die Linke?“ in Berlin ein. Warum war dies aus Ihrer Sicht notwendig?

Sylvia Bayram (BAGA): Um sich greifende Verelendung selbst in den reichsten Ländern, Klimakatastrophe, Weltkriegsgefahr – allein diese Stichwörter zeigen, wohin die Reise geht. Jetzt können wir natürlich weiter in unseren gemütlichen Nischen als Kleingruppen und Sekten vor uns hinwurschteln. Mangels linker Alternativen können dann aber die berechtigten »Die Ampel muss weg«-Rufe die Perspektive eines Machtantritts der AfD bedeuten, wenn nicht heute, dann morgen.

Wie war die Resonanz? Wer folgte Ihrer Einladung?

Clea Funke (RSO): Insgesamt sind etwa 100 vorwiegend junge Leute gekommen. Die Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) hat an der Diskussion auch auf dem Podium teilgenommen. Ob sie sich an einer Wahlfront beteiligen würde, hat sie offengelassen, auch wenn sie größere Skepsis gezeigt hat.

Mit BSW, dem Bündnis Sahra Wagenknecht, hat sich eine Abspaltung der Linkspartei in Stellung gebracht. Wie wurde diese Entwicklung auf Ihrer Veranstaltung bewertet?

Stefan Schneider (RIO/KGK): Es wurde kritisiert, dass Wagenknechts Gegenüberstellung zwischen den Interessen der Arbeiter beim Klimaschutz oder bei Fragen von Geschlecht und sexueller Identität falsch ist. Unserer Meinung nach sind es die Arbeiter, die für die Enteignung klimaschädlicher Konzerne unter demokratischer Kontrolle und gegen Rassismus, Sexismus und Transfeindlichkeit kämpfen müssen. Wagenknecht vertritt letztlich ein sozialchauvinistisches Programm.

Wie könnte eine Vereinigung aussehen, die unabhängig von Reformismus agiert?

Stefan Schneider (RIO/KGK): Wir denken, dass für eine solche Vereinigung die Unabhängigkeit der Arbeiter von Kapital und Staat zentral ist. Die Politik der reformistischen Partei- und Gewerkschaftsführungen bremst Streiks und soziale Kämpfe und ist mitverantwortlich für viele Angriffe auf unsere Lebensbedingungen. Am Ende nutzt das der AfD, die sich als einzige Alternative gegen das »Establishment« inszeniert. Wir wollen eine Organisation aufbauen, die im Klassenkampf verankert ist, die Interessen der Arbeiter durchsetzt und für Massendemokratie in Streiks und sozialen Bewegungen kämpft. Wir wollen das Parlament als Bühne für nationale und internationale Kämpfe nutzen.

Zum Aufbau einer Wahlfront, die sich zum Ziel setzt, im Klassenkampf verankert zu sein, dürfte es erfahrungsgemäß verschiedene Positionen geben. Wie wollen Sie dem begegnen und welchen Konsens konnten Sie auf Ihrer Veranstaltung hierzu erreichen?

Sylvia Bayram (BAGA): Vor einer Wahlteilnahme sollten sich die revolutionären Gruppen zuerst programmatisch vereinigen – so ein Diskutant. Wir meinen, ein Bündnis wäre schon heute in der Lage, große Teile der sozialen Bewegungen und der arbeitenden Menschen zu mobilisieren. Und da ist die Bühne etwa des Berliner Abgeordnetenhauses eine große Chance, die wir nicht verpassen dürfen. Nur durch den Eintritt in das BSW wären deren Anhänger zu gewinnen – so eine weitere Position. Wir meinen: Statt die Rolle als Anhängsel von BSW oder Linkspartei zu verewigen, sollten die kämpferischen linken Initiativen ihre gespaltenen Kräfte bündeln und Erfolge organisieren wie die von Mieterkämpfen. Nichts ist so anziehend wie Erfolge; die Bündnisorganisation würde zu einem unüberhörbaren gesellschaftlichen Faktor.

Wie geht es weiter?

Clea Funke (RSO): Diese Veranstaltung war nur ein Auftakt. Wir wollen uns zeitnah wieder treffen und diskutieren, welche Forderungen im Zentrum einer gemeinsamen Kampagne stehen sollen. Viele konkrete Vorschläge sind schon vorgelegt worden, etwa der Kampf für höhere Löhne und Arbeitszeitverkürzung, für offene Grenzen, gegen Sexismus und für radikalen Klimaschutz. Wir laden alle Interessierten dazu ein, sich an uns zu wenden, um Teil dieser Diskussion zu werden.

Dieser Beitrag erschien zunächst in der Tageszeitung junge Welt.

Zum Weiterlesen

Das Interview stellt verschiedene Positionen dar. Die Position der Revolutionären Internationalistischen Organisation findest du hier.

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