VKG: „Für Tarifvertrag und Gleichstellung – Jetzt!“ – Erklärung zur Lage bei der CFM

30.12.2020, Lesezeit 10 Min.
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Die Beschäftigten des Charité Facility Managements (CFM) in Berlin kämpfen seit über 10 Jahren für einen Tarifvertrag und gegen Outsourcing. 2020 haben sie gegen den rot-rot-grünen Senat mehrere Tage gestreikt. Nachdem ihre Streiks ausgesetzt wurden, steht nun eine Schlichtung bevor. Hier ist die Erklärung der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) zur Auseinandersetzung bei der CFM.

Diese Erklärung erschien zuerst am 29. Dezember 2020 bei vernetzung.org

Zur Auseinandersetzung beim Charité Facility Management (CFM)

Der Kampf für Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen der Kolleg*innen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst im Bund und in den Kommunen, sowie für deren angeschlossener Betriebe, verlief in diesem Jahr unter verschärften Bedingungen: Zum einen wirken sich die Krisenerscheinungen des globalisierten Kapitalismus auch hierzulande aus, zum anderen mussten Auseinandersetzungen unter Pandemie-Bedingungen geführt werden.

Besonders im Gesundheitswesen wurde nach jahrelangem Spardiktat mit Betten- und Personalabbau durch die Pandemie einmal mehr klar, unter welchen enormen Belastungen die Kolleg*innen stehen, ob nun an den Intensivbetten oder in der Reinigung. In vielen Krankenhäusern hatten sich in den letzten Jahren Proteste und Streiks für mehr Personal entwickelt – ein Grund weshalb in der Tarifrunde für das Pflegepersonal in den Krankenhäusern mehr, wenn auch nicht genug, erreicht wurde. Eine umfassende Kampagne und Kampfstrategie von ver.di, um die Verhältnisse im Gesundheitswesen zu ändern ist jedoch weiterhin dringend nötig – und nicht zu erkennen. Dazu muss nicht nur der Kampf für mehr Pflegepersonal und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten an den Betten gehören, sondern auch der Kampf gegen Outsourcing, Privatisierung und Schlechterstellung von Reinigungs- und Küchenpersonal und anderen Dienstleister*innen und Techniker*innen in den Krankenhäusern.

Am Beispiel der Tarifauseinandersetzungen in Berlin erleben wir wieder einmal exemplarisch, welche Auswirkungen die sogenannte „Sanierungspolitik des Haushalts“ in Berlin für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst oder angeschlossener Betriebe mit sich brachte und bis heute zu deren Nachteil auswirkt.

Es geht konkret dabei nicht allein um Einkommen und Arbeitsbedingungen, sondern vor allem für die Beschäftigten bei der Charité Facility Management (CFM) um die Eingliederung in den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVÖD), der sie aus der unteren Lohnebene rausholen und den Kolleginnen und Kollegen in der Charité gleichstellen würde.

Seit 2011 kämpfen die Beschäftigten für einen Tarifvertrag und haben immer wieder gestreikt. Die Zusicherung zur Erfüllung ihrer Forderung steht im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag der Senatsparteien. Der Senat weigert sich jedoch beharrlich seit Jahren, seinen Zusagen nachzukommen.

Nach Streiks in diesem Jahr wird nun in einem Schlichtungsverfahren verhandelt – dabei gibt es an dieser Frage nichts zu schlichten! In einem ersten Gespräch mit dem Schlichter wurden Sitzungstermine bis in den Februar vereinbart. Ein nächster Schritt wird so wieder um Monate hinausgeschoben.

Auch eine stufenweise Angleichung oder Eingliederung in den TVÖD über eine Zeitraum von mehreren Monaten oder Jahren bedeutet nur, dass die Schlechterstellung der Kolleg*innen Monate und Jahre fortgesetzt wird, was aus Sicht der Vernetzung für kämpferischer Gewerkschaften (VKG) nicht akzeptabel ist. Das gilt umso mehr, da die CFM-Geschäftsführung weitere Angriffe auf die Belegschaft durch weiteres Outsourcing und Kündigungen von Gewerkschaftsaktiven durchführt.

Die Haltung „Ein Unternehmen – eine Belegschaft, ein Tarifvertrag“ – und das sofort! – war und ist der Kampfslogan der CFM-Kolleg*innen auf jeder Versammlung und Demonstration und bei jedem Streik und das sollte er weiterhin sein.

Die Gewerkschaft ver.di, in der die meisten Kolleg*innen organisiert ist und die die Auseinandersetzung seit Jahren führt, muss bereit sein, sich mit dem Senat anzulegen, der seine Versprechungen bisher nicht erfüllt hat. Dazu bedarf es einer Kampagne, die nicht nur Streiks bei der CFM beinhaltet, sondern die Solidarität der gesamten Gewerkschaftsbewegung in der Hauptstadt und von linken Organisationen und sozialen Bewegungen organisiert.

Statt Streiks zu unterbrechen, sollte der Druck während Verhandlungen durch Streikmaßnahmen aufrecht erhalten bleiben, um denen da oben klar zu machen, dass die Kolleg*innen sich nicht weiter mit tröstenden Worten abfinden werden.

Die Kolleg*innen kämpfen bereits seit 2011 für einen Tarifvertrag – also seit bald 10 Jahren! Erst nach weiteren Streiks 2016/2017 wurde ihnen einen Stundenlohn von 11 Euro zugestanden! Seitdem hat sich wenig getan. Selbst heute sieht das Angebot des CFM-Managements Lohngruppen vor, die noch unter dem Vergabe-Mindestlohn des Landes Berlin von 12,50 Euro liegen! Ein Tarifvertrag, und besonders ein guter, wird den Kolleg*innen nicht geschenkt werden, wie sie in den letzten Jahren bereits bitter erfahren mussten.

Die Voraussetzungen in einem Unternehmen, in dem ein großer Teil der Belegschaft befristete Verträge hat und sich deshalb kaum traut, an einem Streik teilzunehmen, sind schwierig. Ökonomischer Druck ist nur begrenzt durch einen Streik einer Minderheit in der Belegschaft aufzubauen. Deshalb kommt dem politischen Druck eine umso größere Bedeutung zu. Die Teilprivatisierung wurde dadurch schon erfolgreich rückgängig gemacht. Nun muss erreicht werden, dass der Senat Wort hält. Nötig dazu sind neben Streiks der CFM-Beschäftigten, die die Abläufe im Krankenhaus stören – natürlich ohne dabei Patient*innenleben zu gefährden – Solidaritätsaktionen anderer Gewerkschaften, Belegschaften und der Linken in Berlin.

Beim ersten Streik im Jahre 2011 wurden mehrere große Solidaritätsdemonstrationen durchgeführt, BVG-Kolleg*innen verteilten tausende Flugblätter und an einer öffentlichen Streik-Soliversammlung nahmen über 200 Kolleg*innen aus allen größeren Betrieben und Gewerkschaften neben den CFM-Streikenden teil. Damals war ein Solidaritätskomitee gebildet worden, dass diese Aktionen organisierte. Warum gelingt es ver.di heute nicht, Ähnliches auf die Beine zu stellen? Insbesondere wäre es nötig, dass ver.di unter der Kernbelegschaft der Charité Solidarität organisiert mit dem Ziel auch Arbeitsniederlegungen in Solidarität mit den CFM-Beschäftigten durchzuführen.

Bis März 2020 streikten bereits mehrere hunderte Kolleg*innen der CFM mit guten öffentlichkeitswirksamen Aktionen und wären zu einer Fortsetzung des Kampfes im Rahmen des Infektionsschutzes bereit gewesen. Nach dem Aussetzen aufgrund dessen, dass die Gewerkschaftsführungen mit dem offiziellem Ausbruch der Corona-Pandemie erst einmal alle Aktionen absagte, anstatt zu prüfen, wie mit Hygienekonzepten weiter gestreikt werden könnte, setzen die Kolleg*innen bereits Anfang Juli die Streiks tageweise mit sehr guter Beteiligung fort. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich weitere Betriebe in Tarifauseinandersetzungen, so wie auch der Öffentliche Dienst, der sich bereits in den Vorbereitungen zu Streiks befand.

Statt die Chance zeitgleicher Streikaktionen mit den Charité-Beschäftigten und anderen Kolleg*innen des öffentlichen Dienstes im Herbst zu nutzen, genügte eine Zusage zu einem Gespräch mit dem Senat, um noch am gleichen Tag auf einer kämpferischen Demo vor dem Roten Rathaus zu verkünden, dass der Streik nun unterbrochen werde. Viele Kolleg*innen skandierten „Weiterstreiken!“ und wurden nur darauf verwiesen, an der Mahnwache teilzunehmen. Immerhin wurde diese noch mehrere Wochen, wenn auch verkleinert, aufrecht erhalten. Diese Streikunterbrechung war unserer Meinung nach ein Fehler und hat die Kolleg*innen einem Erfolg nicht näher gebracht.

Um einen erfolgreichen Kampf zu führen gehört auch, dass die Verhandlungen zwischen der „Arbeitgeberseite“ und den gewählten Vertreter*innen der Kolleg*innen in der Tarif- bzw. Verhandlungskommission transparent gestaltet werden. Es wurden Vertreter*innen gewählt und keine Stellvertreter*innen! Das bedeutet, über den Stand der Verhandlungen, über das Schlichtungsverfahren und die Fortsetzung des Kampfes sollte durch die Kolleg*innen entschieden werden. Hierfür sollten regelmäßige Streikdelegiertenversammlungen und Vollversammlungen durchgeführt werden, wo die Vorgehensweise gemeinsam diskutiert und über die nächsten Schritte entschieden wird. Über das Anrufen einer Schlichtung und damit das Aussetzen der Kampfmaßnahmen, sowie später über die Annahme eines Ergebnisses sollte auch die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb entscheiden. Mit Geheimverhandlungen muss Schluss sein!

Bei der Auswahl des Schlichters, dem ehemaligen Ministerpräsident in Brandenburg von der SPD Matthias Platzeck, wurde den Kolleg*innen nun jemand vorgesetzt, der offen Kapitalinteressen vertritt und jahrelang für Lohndumping in Brandenburg sorgte, was dazu führte das 2007 der CDU-Wirtschaftsminister Junghans mit dem Slogan „Niedriglohnland Brandenburg“ beim Kapital um Investition betteln konnte.

Mitten in den Tarifverhandlungen wurden seitens der CFM-Geschäftsführung im Herbst gegen gewählte, aktive Gewerkschafter*innen der Verhandlungs- und der Tarif-Kommission Einschüchterungen verübt und Kündigungen ausgesprochen. Dass indiesen Fällen eine fristlose Kündigung mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgte, ist inakzeptabel.

In diesem Zusammenhang bislang unaufgeklärte Vorwürfe sexistischer und rassistischer Diskriminierung gegenüber den gekündigten Kollegen müssen sorgfältig geklärt werden. Das jedoch in die Hand der Geschäftsführung zu legen war falsch. Eine gewerkschaftliche Untersuchungskommission sollte eingerichtet werden und die Gewerkschafter*innen sollten Entscheidungen über mögliche Folgen von Fehlverhalten diskutieren und treffen und so einen Weg zur Überwindung von Spaltungsmechanismen in der Belegschaft aufzeigen. Bis dahin ist die Art und Weise, wir hier von der CFM-Geschäftsführung vorgegangen wird, vor allem erst einmal ein Angriff auf den gemeinsamen Kampf.

Die „Vernetzung kämpferischer Gewerkschafter*Innen“ (VKG) unterstützt den Kampf für einen Tarifvertrag und volle Wiedereingliederung in die Charité. Wir möchten, dass die Kolleg*innen erfolgreich sind und werden uns soweit möglich aktiv an Mobilisierungen und der Bekanntmachung beteiligen. Am Ende hoffen wir, gemeinsam mit den Kolleg*innen aus der CFM, der Charité und anderen Bereichen aus den Erfahrungen lernen und notwendige Schlüsse ziehen zu können und gemeinsam mit weiteren Kolleg*innen aktiv zu werden, gegen Sozialpartnerschaft, Co-Management und für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik.

Denn: Die Lohnabhängigen aller Bereiche müssen sich gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf ihre Schultern wehren und nach Möglichkeit in eine Offensive gegenüber Kapital und Staat kommen. Hierzu gehört auch eine antikapitalistische Kritik an den bestehenden Verhältnissen und die Überwindung von Spaltungen innerhalb der lohnabhängigen Klasse.

Für Ende Januar 2021 ist eine online-Mitgliederversammlung von ver.di für die Beschäftigten von Vivantes und Charité angekündigt. Das wäre eine gute Gelegenheit, um zu überlegen, wie die Kolleg*innen aus den pflegerischen und medizinischen Bereichen mit den Servíce-Töchtern 2021 gemeinsam für bessere Personalausstattung, gemeinsame Tarifvekrträge, höhere Löhne und vieles mehr kämpfen können.

Kommt und diskutiert mit:

Das nächste offene Online-Treffen der VKG Berlin findet am 20. Januar 2021 um 18 Uhr via Zoom statt.

Zoom-Link: https://us02web.zoom.us/j/7186072157

Dort wollen wir über das Anti-Krisen- und Corona-Sofortprogramm der VKG sprechen und unsere Aktivitäten der nächsten Monate planen.

Alle interessierten Kolleg*innen sind herzlich eingeladen, dazu zu kommen. Bei Fragen oder Interesse, schreibt gern an berlin@vernetzung.org

 

 

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