Venezuela: Regierungskritische Linke für aktive Wahlenthaltung bei „Verfassungsgebender Versammlung“

27.07.2017, Lesezeit 15 Min.
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Wir veröffentlichen die politische Erklärung der Liga der Arbeiter*innen für den Sozialismus (LTS) angesichts der „Verfassungsgebenden Versammlung“, die von der Regierung von Nicolás Maduro einberufen wurde.

Weder für die Maduro-Regierung noch für die MUD! Für eine Alternative der Arbeiter*innen und der Massen! Für eine Regierung der Arbeiter*innen und der armen Massen!

Ein Betrug mit Unterstützung der Armee

Schon als Präsident Nicolás Maduro die „Verfassungsgebende Versammlung“ ankündigte, griffen wir von der Liga der Arbeiter*innen für den Sozialismus (LTS) diese als einen Betrug an. Denn sie hatte nichts mit einem wirklichen radikaldemokratischen Prozess gemein, in dem die arbeitende Bevölkerung für ihre Interessen kämpfen könnte. Im Gegenteil war die „Konstituante“ von Anfang an auf die Regierung zugeschnitten. Es handelt sich um ein Manöver, mit dem die Regierung angesichts ihres politischen Verfalls ihr Überleben sichern möchte. Von diesem Standpunkt aus haben wir sie in inner-linken Diskussionen, auf studentischen Versammlungen, bei Aktionen auf der Straße, in unserer Zeitung und in Videos verurteilt.

Auch wenige Tage vor der für den 31. Juli angesetzten Wahl ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einem Abkommen zwischen Regierung und Opposition kommt, das dieselbe verschiebt oder aussetzt. Doch wir wiederholen, dass die Arbeiter*innen und Massen nichts zu gewinnen haben bei dieser Verfassungsgebenden Nationalversammlung (ANC). Deshalb müssen wir uns gegen sie stellen und dürfen ihr nicht durch unsere Stimme Legitimität verleihen, sollte sie zustande kommen. Denn mit diesem Betrug möchte sich die Regierung an der Macht erhalten, obwohl sie schon lange keine Unterstützung mehr unter den Massen besitzt und nur noch von der Armee und der Repression gestützt wird.

Dieser „verfassungsgebende Prozess“ findet statt, während ein permanenter Ausnahmezustand gültig ist. Dieser gibt dem Repressionsapparat freie Befugnisse, die grundlegenden demokratischen Freiheiten und Rechte zu missachten. Die Regierung verbietet Demonstrationen, die sich nicht ihren Auflagen unterordnen oder löst sie gewalttätig auf und verhindert gewerkschaftliche Wahlen, wo sie ihre Niederlage erwartet. Sie greift Warnstreiks und Streiks von Arbeiter*innen an und verbietet sogar das Verteilen von Flyern. Das Nationale Wahlkomitee (CNE) hat die Anerkennung linker regierungskritischer Organisationen verhindert. Außerdem hat es die vollkommen undemokratische Erneuerung der Parteien verhängt, die kleinere Kräfte ohne Unterstützung von Staat oder Unternehmen illegalisiert hat. Nur die regierungskritische Linke hat keinen legalen Status, während die Rechte weiterhin ihre großen Parteien besitzt.

Es handelt sich um eine offen bonapartistische Regierung, die ihre Macht in Händen des Präsidenten vereint und fast ausschließlich von der Armee gestützt wird.

Unter diesen Umständen möchte die Regierung eine „Konstituante“ durchführen – dieselbe Regierung, die alle anstehenden Wahlen verhindert hat, wie das Referendum zur Absetzung von Maduro und die regionalen und kommunalen Wahlen. Zur selben Zeit ist das Versammlungs- und Streikrecht durch Repression und Zwang eingeschränkt. Millionen Arbeiter*innen des öffentlichen Sektors (Öffentlicher Dienst, Industrie und Dienstleistungen) wird mit Repressalien gedroht, sollten sie nicht mit ihrer Stimme die betrügerische „Verfassungsgebende Versammlung“ legitimieren.

Dazu kommt, dass die Bedingungen für die Wahl wie die Auswahl der Kandidat*innen alleine von der Regierung bestimmt wurden, um sich eine Mehrheit zu sichern: Jede Kommune wählt unabhängig ihrer Größe ein*e Vertreter*in, was Städte und urbane Zonen unterrepräsentiert. Die Repräsentation nach „sozialen Schichten“ wird vollständig vom Parteiapparat der Regierung, der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), kontrolliert. Es besteht keine echte Basis für Diskussionen und demokratische Wahlen. Deshalb wird es nicht mehr als eine Wahl innerhalb desjenigen Chavismus sein, der die Regierung unterstützt, da es auch Sektoren des Chavismus gibt, die die Regierung nicht unterstützen. Das Ergebnis wird nichts weiter sein als eine „Konstituante“, die aus den von der PSUV geschaffenen und geführten oder verbündeten Organisationen besteht.

Es gibt keine Möglichkeit, dass unter diesen Bedingungen die „verfassungsgebende Versammlung“ die demokratischen Hoffnungen ausdrücken könnte und noch viel weniger die Arbeitskämpfe und ihre Forderungen. Unter den gegebenen demokratischen Einschränkungen, der Repression und dem Betrug muss sie als eine Falle zurückgewiesen werden, auf die wir nicht hereinfallen dürfen.

Die zugespitzte Krisensituation erlaubt es nicht auszuschließen, dass die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition scheitern und die Opposition es schafft, mit Unterstützung eines Teils der Armee die „Konstituante“ aufzuhalten. Einen solchen Ausweg des Militärputsches müssen wir auf den Straßen und Arbeitsplätzen deutlich bekämpfen.

Weder die Unternehmensstreiks noch die Regierung der „nationalen Einheit“ der MUD

Wir müssen unsere gesamte Anstrengung darauf verwenden, den Arbeiter*innen und den armen Massen eine politische Alternative zu geben, mit der sie ihre eigenen Interessen ausdrücken können. Heute bildet das Bündnis der rechten Parteien, der Tisch der Demokratischen Einheit (MUD), die einzige Opposition zur Regierung. Sie ist traditioneller Bündnispartner der imperialistischen Regierungen der USA und Europas. Doch sie ist genauso reaktionär wie die Regierung und möchte nur an die Regierung kommen, um ein noch brutaleres Sparprogramm zu verhängen. Dabei wird sie nicht vor der Repression gegen Kämpfe zurückschrecken. Wenn wir etwas aus der Geschichte der Vorgängerorganisationen der MUD gelernt haben, dann, dass sie nicht zögern, zur Repression zu greifen.

Deshalb dürfen wir uns nicht hinter den Rechten und ihren Pläne einreihen, wenn wir gegen die Regierung kämpfen wollen. Schließlich ist sie es, die das Militär dazu auffordert, der Krise ein Ende zu bereiten. Wir müssen dies aus eine politisch unabhängigen Position tun, eine Unabhängigkeit, die die Arbeiter*innenklasse gegenüber beiden Kräften haben sollten, die das selbe System vertreten: den Kapitalismus.

Deshalb haben wir von der LTS keine der verschiedenen Initiativen der Opposition unterstützt, weder das Plebiszit vom 16. Juli noch den Unternehmensstreik vom vergangenen Donnerstag. Ihr Ziel ist es, den Druck auf die Armee zu erhöhen, damit sie die Kontrolle über die Situation übernimmt, und eine mögliche Regierung der Rechten und ihrer Verbündeten zu legitimieren, was sie eine Regierung der „nationalen Einheit“ nennen. Das wäre nichts anderes als eine Regierung der Parteien der MUD, ihren neoliberalen Expert*innen und einigen ehemaligen Figuren des Chavismus mit der Unterstützung des europäischen und US-amerikanischen Imperialismus. Das ist ihre „nationale Einheit“!

Wir lehnen jede imperialistische Sanktion und Einmischung ab

Ebenso müssen wir uns gegen die Versuche imperialistischer Einmischung stellen, sei es durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) oder durch Sanktionen. Die MUD stützt sich auf offen repressive oder aus dem Putsch entsprungene Regierungen wie die des brasilianischen Präsidenten Michel Temer, die nicht ernsthaft von Demokratie sprechen können, während sie gegen ihre eigene Bevölkerung regieren. Ganz ähnlich sieht es auch mit den USA und den europäischen Imperialismen aus, die Weltmeister in der Verletzung demokratischer Rechte sind, brutale Diktaturen unterstützen, wenn es ihnen hilft, und Kriege gegen ganze Nationen anzetteln.

Weder Trump noch irgendein anderes Staatsoberhaupt der reichen und mächtigen Länder in den USA und Europa dürfen Sanktionen über Venezuela verhängen. Sie wollen die allgemeine Ablehnung der Regierung ausnutzen, um ihre imperialistische Herrschaft und Unterwerfung zu verstärken. Deshalb lehnen wir die Verhängung von Sanktionen dieser Regierungen scharf ab.

Für einen eigenen Ausweg der Arbeiter*innen und der Massen aus der Krise

Die Arbeiter*innenklasse braucht eine eigene Agenda und Politik, um einen Ausweg aus der Situation aufzuzeigen. Die dringendste Aufgabe der aktuellen Situation ist es, die enorme Kraft der Arbeiter*innenklasse in Bewegung zu setzen, damit sie nicht im Machtkampf zwischen zwei reaktionären Lagern kampfunfähig bleibt.

Die Ablehnung der Regierung ist nicht nur in der gehobenen Mittelklasse vorhanden. Sie findet sich auch in der Arbeiter*innenklasse und den Massen und verbreitet sich immer mehr. Es gibt bedeutende Demonstrationen in den Armenvierteln für das Gesundheits- und Bildungssystem. Dazu kommen verzweifelte Aktionen wie Plünderungen, die sich in zahlreichen wichtigen Städten des Landes ereigneten und sogar bedeutende Ausmaße annahmen wie im Süden von Maracay. Doch diese Aktionen sind sehr klein im Vergleich zur Agenda und den Demonstrationen der Rechten. Sie haben noch nicht dazu geführt, den Arbeiter*innen und Massen einen politischen Ausdruck zu verschaffen. Nichtsdestotrotz werden sie sowohl von der MUD als auch von der Regierung verurteilt und werden mit Repression und Urteilen vor dem Militärgericht gegen die Festgenommenen bestraft.

Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Arbeiter*innen einen eigenen kraftvollen Eindruck in der politischen Landschaft hinterlassen. Dazu müssen wir unsere Forderungen aufstellen, die den Interessen der Arbeiter*innen und der armen Massen entsprechen und mit unseren eigenen Methoden kämpfen, um eine eigene Agenda aufzustellen. Das ist der einzige Weg, damit die Arbeiter*innenklasse nicht weiter unter die Regierung oder die Rechte untergeordnet bleibt und einen Ausweg aus der Krise anbieten kann, der ihrem Interesse entspricht.

Wir brauchen einen wirtschaftlichen Notfallplan der Arbeiter*innen und Massen

Während die Regierung und die Rechte um die politische Macht kämpfen, müssen besonders die Arbeiter*innen unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise leiden. Sowohl die Opposition als auch die Regierung sind an der Krise schuld und kein Lager hat ein Interesse daran, einen Ausweg im Sinne der Arbeiter*innen aufzuzeigen. Deshalb schlagen wir einen wirtschaftlichen Notfallplan für die Arbeiter*innen und Massen vor. Er soll die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung widerspiegeln und soll kein einfacher „wirtschaftlicher Notfallplan“ sein, der dazu entworfen wird, um die Interessen und Profite der Unternehmen gegenüber den Bedürfnissen der Bevölkerung zu sichern. Im Klassenkampf, in dem die Kapitalist*innen immer ihre „Lösungen“ der Krise durchsetzen wollen, müssen wir ihnen unsere eigenen Lösungen entgegenstellen!

Das Land zahlt Milliarden US-Dollar an Auslandsschulden, während der Medizin- und Lebensmittelimport reduziert wird. Die Ressourcen verschwinden, um die Gier des internationalen Finanzkapitals zu sättigen, während die venezolanischen Massen leiden. Die Zahlung der Auslandsschulden muss sofort eingestellt werden.

Die Unternehmer*innen und Bankiers aller politischen Richtungen sind mit der korrupten Bürokratie verbunden und haben riesige Summen an Dollar ins Ausland geschafft, die aus dem staatlichen Ölgeschäft stammen und somit ein großes Loch in den Staatshaushalt gerissen. Diese Gelder müssen unverzüglich zurück ins Land geholt und die Eigentümer*innen mit der Enteignung ihrer Unternehmen bestraft werden. Diese sollten direkt von den Arbeiter*innen und den Gemeinschaften verwaltet werden, anstelle von Militärs und Regierungsbürokrat*innen.

Die Inflation zerstört die Lohne und Lohnerhöhungen – immer stehen die Profitinteressen von Unternehmer*innen und Händler*innen vor den grundlegenden Bedürfnissen der Lohnabhängigen und Armen. Die Regierung ist mitverantwortlich für diese Situation, da ihre „Preiskontrolle“ eine reine Farce ist und sie ständig neue Erhöhung beschließt. Wir müssen für die gleitende Skala der Löhne kämpfen, also die automatische Erhöhung der Löhne bei steigender Inflation. Die Preise müssen wirklich kontrolliert werden, durch die Arbeiter*innen und Massen, ohne Unterordnung unter die Regierung, die Unternehmer*innen oder die Armee.

Die Regierung und die Unternehmen weigern sich häufig, die Tarifverträge zu erneuern, um die Löhne niedrig zu halten. Dazu verwenden sie jede mögliche Ausrede, schließen neue Verträge unterhalb der Forderungen der Arbeiter*innen ab oder erkennen legale gewerkschaftliche Vertretungen nicht an. Das geschieht sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Deshalb braucht es die Diskussion und sofortige Annahme neuer Tarifverträge nach den Forderungen der Arbeiter*innen und ihrer Organisationen.
Staat und private Unternehmen drohen mit Schließungen und Entlassungen oder führen Aussperrungen durch. Wenn schon der Lohn immer weiter fällt, ist die Entlassung ein weiterer Schritt in der Verarmung tausender Arbeiter*innenfamilien. Es ist nicht „normal“, nicht „logisch“ – hinter den Entlassungen steht die Stabilität der unternehmerischen Gewinne. Wir können sie nicht zulassen! Alle Unternehmen, die entlassen und schließen, sollten von den Arbeiter*innen mit Zugang zu allen finanziellen Informationen weitergeführt werden, um die Arbeitsplätze und die Produktion zu sichern. Eine echte Arbeiter*innenkontrolle, keine Kontrolle von Armee und Bürokratie!

Versammlungen und Arbeiter*innentreffen

Solche Maßnahmen zielen auf eine Lösung der Krise im Sinne der Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung. Es sind Maßnahmen, die weder die Regierung noch die Opposition vorschlagen, da sie gegen ihre Interessen gerichtet sind. Wir wollen sie mit der Organisierung und Mobilisierung durchsetzen.

Wir müssen mit dem Burgfrieden brechen, in dem sich die Mehrheit der Gewerkschaften heute befindet, um die Kraft der Arbeiter*innenklasse in Gang zu setzen. In diesem Sinne müssen wir uns auch gegen die Unterordnung der Gewerkschaften unter die beiden bürgerlichen und reaktionären Flügel wehren, die sich im Machtkampf befinden. Die oppositionellen Gewerkschaftsdachverbände CTV und UNT rufen zwar nicht zum Generalstreik für die Forderungen der Arbeiter*innen auf, aber sie nehmen an den „Bürgerstreiks“ der Rechten für ihre Ziele teil und tun so, als würde es sich dabei um Streiks von Arbeiter*innen handeln. Die CBST hingegen ist direkt mit der Regierung verbunden und Komplize bei der Einschüchterung der Arbeiter*innen, an der Wahl zur „verfassungsgebenden Versammlung“ teilzunehmen.

Die Arbeiter*innen, Aktivist*innen und Basisgewerkschaften müssen mit dieser Situation brechen und Versammlungen an den Arbeitsplätzen sowie regionale kämpferische Arbeiter*innentreffen einberufen, wo alle diese Probleme besprochen werden könnten. Auf diesen Treffen könnte unsere eigene Agenda besprochen werden, um die aktuell stattfindenden Kämpfe zu verbinden, die aktive Solidarität zu stärken und vereinte Kampfpläne für unsere Forderungen zu beschließen. Diese Versammlungen und regionalen Treffen sollten als Vorbereitung für ein großes landesweites Arbeiter*innentreffen dienen, das einen nationalen Kampfplan für ein wirtschaftliches Notprogramm der Arbeiter*innen und einen von der Regierung und der MUD unabhängigen Ausweg der Arbeiter*innen aus der politischen Krise beschließt.

Arbeiter*innenregierung als einziger fortschrittlicher Ausweg

Als LTS halten wir eine Arbeiter*innenregierung in Allianz mit den Massen und armen Bauern*Bäuerinnen für den einzigen fortschrittlichen Ausweg, wo die Bevölkerung nicht schlechter dasteht, um den Kapitalist*innen ihre Gewinne zu sichern. Nur eine Regierung der Arbeiter*innen und Massen, welche die kapitalistische Macht zerschlägt, wozu auch die Armee gehört, und die gesamte Wirtschaft unter ihre Kontrolle stellt, kann die nationalen Probleme und die der arbeitenden und verarmten Mehrheit wirklich lösen.

Die aktuelle Situation ist durch die Polarisierung zwischen zwei großen reaktionären Kräften geprägt, während die Arbeiter*innenklasse nicht auftritt. Eine wirklich demokratische Alternative, die beide bürgerlichen Projekte infrage stellt, kann aus dieser strategischen Perspektive nur von den Lohnabhängigen kommen. Deshalb kämpfen wir für eine echte freie und souveräne verfassungsgebende Versammlung, die nichts mit der aktuellen Farce gemeinsam hat. Die Regierung möchte sich an der Macht erhalten und die Rechte will nur Maduro aus dem Amt, um selbst an die Macht zu gelangen. Keine Seite hat ein Interesse daran, dass die Bevölkerung ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Wenn sie die ganze Zeit von „Demokratie“ sprechen, dann sollten die Arbeiter*innen und Massen auch eine echte freie und souveräne verfassungsgebende Versammlung durchführen können. Bei einer solchen Konstituante kann jedes Thema diskutiert und beschlossen werden, besonders zu Fragen der Ungleichheit, der Ausbeutung und des Wuchers gegen die Bevölkerungsmehrheit: Landeigentum, Privateigentum an Produktionsmitteln (Konzerne, Banken), imperialistisches Eigentum, Repressionsorgane.

Wir brauchen eine verfassungsgebende Versammlung ohne Ausnahmezustand und demokratische Einschränkungen, wie sie heute herrschen. Sie muss vollständig demokratisch gewählt sein, ohne Vorschriften und Vorteile für bestimmte Kräfte von Seiten des Staates oder der Bourgeoisie. Sie muss die gesetzgebende und ausführende Gewalt vereinen und die bonapartistische Funktion des Präsidenten abschaffen. Ohne die Macht, die Entscheidungen auch durchzuführen, wäre diese Konstituante zur Machtlosigkeit verdammt.

Die Justiz ist eine nicht-gewählte Kaste, die mit abgehobenen Privilegien lebt und nur den Mächtigen „Gerechtigkeit“ gewährt, während sie die Armen immer bestraft. Eine echte freie und souveräne Konstituante muss ihre Ablösung durch gewählte und abwählbare Richter*innen, die einen durchschnittlichen Arbeiter*innenlohn verdienen, beschließen.

Die Einmischung der Armee in die Belange des Landes muss von Grund auf beendet werden, um von einer souveränen verfassungsgebenden Versammlung sprechen zu können. Die Mitglieder dieser Versammlung müssen jederzeit durch ihre Wähler*innen abwählbar sein und einen durchschnittlichen Arbeiter*innenlohn erhalten.

Eine solche Konstituante hat offensichtlich nichts mit der von der Regierung durchgeführten Farce zu tun. Sie kann nur durch die Mobilisierung erkämpft werden, indem sie mit den anderen Forderungen der Arbeiter*innen und Massen einen Ausweg auf die Krise aufzeigt. Auf diesem Weg machen die Arbeiter*innen und Massen ihre eigene Erfahrung mit den Hoffnungen, die sie noch in diese „Demokratie“ hegen, in der sie keine echte Macht haben. Dieser Prozess könnte die Arbeiter*innen zur Schlussfolgerung führen, die einzige Lösung bestünde darin, die Macht in ihre eigenen Hände zu nehmen und eine Regierung der Arbeiter*innen und Massen aufzubauen, die auf den kämpfenden Organisationen basiert. Eine solche Regierung ist die einzige, die dazu in der Lage ist, die demokratisch-strukturellen Aufgaben wie die Befreiung von der imperialistischen Herrschaft vollständig zu lösen und den Weg hin zu einem echten Sozialismus ohne Kapitalist*innen, Landbesitzer*innen und Ausbeutung zu bereiten.

Aus dieser Perspektive heraus rufen wir dazu auf, die betrügerische „Konstituante“ abzulehnen, welche die Regierung durchsetzen will, Versammlungen und Arbeiter*innentreffen durchzuführen, die es ermöglichen, die eigenen Kräfte in Gang zu setzen, die Klassenunabhängigkeit gegenüber der Regierung und der MUD zu bewahren, und für einen Ausweg der Arbeiter*innen angesichts der politischen Krise einzutreten, die einen wirtschaftlichen Notplan der Arbeiter*innen und Massen beinhaltet.

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