Unser Werkblatt Nr. 26

15.12.2011, Lesezeit 7 Min.
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“Unser Werkblatt” wird regelmäßig in der Mensa der Freien Universität Berlin verteilt. Auslöser war der gemeinsame Arbeitskampf von Studierenden und Mensa-Beschäftigten während des Bildungsstreiks 2009. Inzwischen erscheint das Werkblatt wieder unter dem Namen der AG Arbeitskämpfe der FU Berlin. Die neuste Ausgabe beinhaltet unter Anderem ein Interview zu den Lehren aus dem gerade beendetem CFM-Streik. Die Ausgabe gibt es als PDF, die einzelnen Artikel gibt es unten:

Kampferfahrung: CFM-Streik

Der Streik an der Charité Facility Management (RIO berichtete) ging am Freitag nach 13 Wochen zu Ende. Im Gespräch mit Kenan, einem Reiniger für die CFM, diskutieren wir das Ergebnis und die Lehren aus diesem wichtigen Arbeitskampf.

Der Streik ist zu Ende. Wie fühlst Du Dich?

Glücklich, aber auch erschöpft. Streiken ist viel anstrengender als Arbeiten. Die „Arbeitstage“ im Streik sind nicht unbedingt länger, aber nach der Arbeit kannst du nach Hause gehen und abschalten. Der Streik beschäftigt einen noch am Abend und am Wochenende.
Besonders am Anfang standen wir noch meist herum, es gab Langeweile. Aber nach etwa drei Wochen – da gab es auch die erste Streikversammlung – haben wir gemerkt, dass wir den Druck steigern müssen. Wir sind dem CFM-Miteigentümer Dussmann mit Flashmobs auf die Nerven gegangen und haben das Zentrallager der CFM am Rohrdamm blockiert. Viele KollegInnen haben auch an Selbstbewusstsein gewonnen: Zum Beispiel waren einige Frauen, die am Anfang ganz still waren, plötzlich bei den Blockaden vorne dabei.

Wie findest Du das Eckpunktepapier?

Mit gemischten Gefühlen gehe ich jetzt zurück zur Arbeit. Das Ergebnis ist für mich persönlich unbefriedigend, ich hatte mehr erhofft. Es gibt jetzt 8,50 Euro Mindestlohn für alle CFM-Beschäftigten. Das hilft etwa 500 KollegInnen – besonders die Sicherheitskräfte werden ab dem 1. Mai 2012 etwa zwei Euro mehr pro Stunde bekommen. Andere bekommen eine Lohnerhöhung von gerade mal 10 Cent. Wir ReinigerInnen sind zum Beispiel von der Einmalzahlung von 300 Euro explizit ausgeklammert. Da war der Arbeitgeber schlau, um einen Keil in die Belegschaft zu treiben. Also ich kann das nicht als einen grandiosen Sieg bezeichnen. Doch wir hätten mit dem Streik nicht wirklich weitermachen können: Nach einer oder zwei Wochen wäre er wohl zusammengebrochen, besonders wegen der Weihnachtsferien.

Was hättest Du rückblickend anders gemacht?

Ich denke, dass wir einen besseren Streik hätten machen können, wenn es jeden Tag Streikversammlungen gegeben hätte. Da hätte man jede einzelne Idee für Aktionen gemeinsam durchdenken können. Man hätte auch darüber diskutieren müssen, warum in manchen Wochen weniger KollegInnen da waren, oder auch, warum nach Wochen immer noch neue dazu gekommen sind. Natürlich kann das die Stimmung drücken, aber wir sehen es eh. Wenn wir weniger sind, da muss darüber diskutiert werden. So kann man einen Informationsaustausch gewährleisten und auch eine Diskussionskultur etablieren. Einige KollegInnen haben in den ersten Wochen mit einem Flugblatt gefordert, dass es tägliche Streikversammlungen geben sollte, aber leider wurde daraus nichts.

Wie sah es mit den Solidaritätskampagnen aus?

Wir hatten viel mit anderen Kämpfen zu tun: Streikende von Alpenland waren öfters bei uns, wir hatten in der letzten Woche mit Arbeitskämpfen der PsychotherapeutInnen in Ausbildung und der Beschäftigten des Berliner Ensembles zu tun, wir waren beim Bildungsstreik und hatten mehrere studentische Solidaritätsdelegationen bei uns. Es ist wichtig, sich mit anderen Leuten auszutauschen, die kämpfen – auch mit der Occupy-Bewegung, selbst wenn es nichts direkt mit Lohn und Arbeitsbedingungen zu tun hat.

dieses Interview in voller Länge

Uni in Bewegung

Der Bildungsstreik nannte sich dieses Semester „Occupy“ FU (sprich: ‚okjupai, englisch für: besetzen). Damit hat er sich in Zusammenhang mit den Occupy- Protesten in vielen Ländern und in Berlin gesehen.
All diese Proteste haben eine wichtige Forderung: Die, die vom Kapitalismus profitieren, sollen auch für die Krise bezahlen! Um es durchzusetzen, wurde unter anderem versucht die Wall Street in New York zu besetzen. Aber auch die FU Berlin wurde für eine kurze Zeit besetzt.
Wir glauben aber, dass man vor allem beim Rückgrat der Gesellschaft anfangen muss, um sie zu verändern. Deswegen: Occupy Arbeitsplatz! Aus diesem Grund haben wir die AG Arbeitskämpfe (wieder) gegründet und v.a. viel zur Solidarität der Studierenden mit dem CFM-Streik beigetragen, denn nur gemeinsam können die beiden Aktionen stark sein.

Wessen Demokratie?

„Unsere“ Demokratie ist die Demokratie der Banken- und Konzernbosse. Denn wieviel Demokratie hat die arbeitende Bevölkerung wirklich?
Nach Arbeit, Minijob und Aufstocken beim Amt, findet die lohnabhängige Bevölkerung weder Zeit noch Kraft für eigene Politik. Wer täglich schuften muss, kann von Protest und Selbstbestimmung nur träumen.
Konzernbosse haben hingegen die Kohle, Werbekampagnen und TV-Sender aufzubauen, um ihre Politik zu vertreten.
Doch die Wirtschaftskrise zeigt: Es geht sogar noch undemokratischer. Waren es anfangs noch unsere „gewählten“ Regierungen, die die sozialen Angriffe durchsetzten, sind es nun die Kapitalist_innen selber, die die parlamentarische Farce beenden.
Der Ministerpräsident Italiens, Silvio Berlusconi, wurde einfach abgesägt. Ganz ohne Wahlen trat der Bankiers-Liebling Mario Monti an seine Stelle.
In Griechenland das selbe Lied: Zwischen Sozialdemokratie und Konservativen steht dort jetzt sogar eine faschistische Partei in der Regierung. Wahlen gab es keine.
Die Verantwortung dafür trägt die deutsche Regierung. Sie stürzte Italien und Griechenland in die Krise. Jetzt nutzt sie ihre anwachsende Macht in Europa, um diese Länder politisch zu entmündigen. Sie bestimmt über die dortigen Regierungen und übt Einfluss auf internationale Institutionen, wie die Europäische Zentralbank aus. Ihr Ziel: Die arbeitende Bevölkerung, also zuletzt auch uns, für die Wirtschaftskrise bezahlen zu lassen.

NPD-Verbot von unten

Die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zog jahrelang ungestört durch das Land. Wenigstens 10 Menschen fielen ihr zum Opfer. Jetzt ist der Ruf nach dem NPD-Verbot wieder laut. Doch ist das der richtige Weg?
Wir glauben nicht. Ein solches Verbot würde dem Staat nur als Präzedenzfall dienen, um in Zukunft nach eigenem Gemüt Parteien und Organisationen zu verbieten. Dann könnten auch schnell ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften vor dem Aus stehen.
Auch würden sich die bürgerlichen Parteien damit einen anti-faschistischen Deckmantel geben. Dabei war es doch ihr Verfassungsschutz, der die faschistische Terrorzelle finanzierte. Auch ist es die unsoziale Politik der bürgerlichen Parteien, die den Nazis den Nährboden liefert. Ideelle Unterstützung wird genauso von oben vorgegeben: So Sarrazins Buch oder der rassistische Wahlkampf der Berliner FDP.
Wir sind gegen ein solches Verbotsverfahren durch den Staat. Nazi-Stukturen wie die NPD müssen wir aus eigener Kraft zerschlagen. Durch Demos gegen ihre Veranstaltungen und Zivilcourage, wenn wir im Alltag auf rechte Äußerungen und rassistische Diskriminierung treffen.

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