„tax the rich“ – Warum AOC keine linke Ikone ist

14.09.2021, Lesezeit 6 Min.
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Gestern Abend trug Alexandria Ocasio-Cortez, Abgeordnete der demokratischen Partei, bei der Met Gala ein Kleid, auf dem „tax the rich / besteuert die Reichen" stand. Jetzt wird sie auf Social Media dafür gefeiert. Doch welche Politik vertritt sie wirklich?

Die Statements, die sie auf ihren Klamotten trägt und welche Politik sie vertritt, beziehungsweise welche Politik sie in der Demokratischen Partei mitträgt, sind aber bei genauerer Betrachtung zwei absolut verschiedene Dinge.

Ich bin komplett für Vermögenssteuern für Superreiche, das ist Ocasio-Cortez auch, doch das allein wird nicht ausreichen. Ich bin auch für Enteignung, ich bin auch für eine Verstaatlichung des Gesundheitssystems unter Arbeiter:innenkontrolle, aber, und das ist für mich ein zentrales Element wirklich linker Politik, ich befürworte keine unmenschlichen imperialistischen Kriege wie in Afghanistan. AOC hingegen schon.

Um zu verdeutlichen, weswegen ich Ocasio-Cortez so kritisiere, obwohl ich eine Reichensteuer komplett befürworte, habe ich einige Zitate und Aussagen von ihr aus einem Artikel unserer Genoss:innen von Left Voice gesammelt und übersetzt. Den ganzen Artikel könnt ihr hier lesen.

2018 sprach sich AOC in einem Interview mit „Intercept“ zwar gegen endlose Kriege aus, befürwortete aber, was Obama in Afghanistan getan hat, befürwortete mehr „verantwortungsvolle Interventionen“ in Afghanistan auf Twitter, sprach sich für z.B. mehr Gehemindienstintervention in Afghanistan aus. Sie teilte mit, dass der Kongress entschieden hätte, in Afghanistan ohne Plan einzumarschieren, was sie als falsch erachtet, ohne dass sie die grausame imperialistische Invasion in Afghanistan komplett verurteilte und sich davon distanzierte.

Die USA, genauso wie Deutschland, hatten sehr wohl einen Plan, was sie in Afghanistan tun wollen. Der Plan nennt sich imperialistische Ausbeutung zu Profit- und Machtzwecken, während man die Leben von so unglaublich viel Menschen opfert, nur um mehr Geld zu machen. Das ist der Sinn hinter imperialistischen Kriegen: ökonomische und geopolitische Interessen, nichts weiter. Und das hatten die USA auch im Sinn, als sie mit dem Einsatz in Afghanistan begannen. Keine Die unmenschlichen und zutiefst grausamen Folgen solcher militärischen Auslandseinsätze haben wir in letzter Zeit gesehen.

Ich will Reiche besteuern. Cool, das will AOC auch. Aber ich bin absolut gegen imperialistische Kriege, seien sie von den USA, Deutschland oder sonst einem imperialistischen Land. Für mich stehen Menschenleben über geopolitischen und Profitinteressen, etwas, was so gravierend ist, dass ich bei AOC nicht darüber hinwegblicken kann.

Im Oktober 2019 verurteilte sie den Abzug der US-Truppen aus Syrien. Kriegsverbrecher wie den Senator John McCain nennt sie ein „unvergleichliches Beispiel menschlichen Anstands und amerikanischem Dienst“.

McCain war Berufssoldat im Vietnamkrieg. Sein Vater war zu dieser Zeit auch schon Oberbefehlshaber des US-Pazifikkommandos. Der republikanische Politiker McCain war einer von fünf Senatoren, die wegen Korruptionsverdachtes angeklagt wurden, weil sie sich politisch für den Unternehmer Keating eingesetzt haben, der wegen finanziellem Betrug angeklagt war. McCain war als einziger der fünf gut mit Keating befreundet.

Sie hat immer wieder dafür gestimmt, dass das Militärbudget erhöht wird, bspw. 2019 beim Bipartisan Budget Act. Dort ging es um Milliarden für das Verteidigungsministerium. Sie stimmte 2019 für die Nato, stimmte dafür, dass 33 Millionen Dollar dafür eingesetzt werden, dass die USA in Venezuela eingreifen. Sie ist eine krasse Befürworterin des US-amerikanischen Imperialismus, der schon unzählige Menschenleben gekostet hat und es täglich weiter tut.

Sie hat gegen Ende 2020 für HR 133 gestimmt, also dafür gestimmt, dass 1,3 Milliarden Dollar in die Grenzmauer zu Mexiko und 8 Milliarden ins ICE investiert werden. Zur Erinnerung: ICE ist die Grenz- und Zollbehörde der USA, die Kinder, die in den USA geboren sind und die damit die US-Staatsbürger:innenschaft haben, aber deren Eltern wegen fehlender Staatsbürger:innenschaft grausam abgeschoben werden, in Gefangenschaft in käfigähnliche Lager steckt. Was bringt den Kindern, die dort sitzen, allen, deren Eltern grausam abgeschoben werden, ihr „tax the rich“-Kleid, wenn sie dafür stimmt Milliarden in Grenzpolizei und unmenschliche Maßnahmen zu stecken? Zu meinem linken Politikverständnis gehört natürlich eine Steuer für Superreiche, aber auch, dass Menschen ein lebenswürdiges Leben führen können, mit ihren Familien zusammen, egal in welchem Teil der Welt sie geboren wurden.

Meiner Meinung nach kann man keine Person, die wissentlich dafür stimmt, solche inhumanen Dinge mit Milliarden zu finanzieren, als links bezeichnen.

Reiche besteuern? Ja, absolut wichtig, das möchte ich auch, dafür kämpfe ich, genauso wie für Enteignung und Verstaatlichung unter Arbeiter:innenkontrolle. Doch da kann linke Politik nicht aufhören.

Und eine Person, die imperialistische Kriege befürwortet, Kriegsverbrecher-Politiker mit Korruptionsskandalen als Beispiele menschlichen Anstands bezeichnet, die sich für finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe für Aufrüstung und weitere imperialistische Militäreinsätze, für Abschiebepolitik, für Kinder in Gefangenschaft ausspricht, ist keine linke feministische Ikone.

Wer so im kapitalistischen bürgerlichen Politiksystem mitmischt und Profitmacherei vor Menschenleben stellt, kann von mir aus auch „eat the rich“ auf dem Kleid stehen haben. Es ändert nichts an der Tatsache, dass sie keine wirklich linke Politik macht, sondern für Politik steht, die anderen Menschen Leid und Tod bringt, wie imperialistische Kriege.

Für wirkliche Befreiung brauchen wir Organisierung außerhalb der bürgerlichen Parteien, die imperialistische Staaten regieren. Wirkliche Organisierung außerhalb von alle vier Jahre ein Kreuz machen für das kleine Übel. Organisierung und Kampf auf den Straßen und in den Betrieben.
Alles andere ist keine linke Perspektive, wird keinen Erfolg haben und keine Welt schaffen, in der es keine Ausbeutung mehr gibt. Mehr noch, es kanalisiert die berechtigte Wut und den Kampfgeist der Massen (wie bei BLM) in Wahlkampf für Parteien (in diesem Falle die Demokraten), die nach den Wahlen trotzdem weiter Kriege führen zu imperialistischen, ausbeuterischen Zwecken und sich dann aber ein bisschen rausreden, es ginge ja nicht anders. All denen, die von Sexismus betroffen sind, die unter Rassismus leider, die in Armut und mit Existenzängsten neben, die Ausbeutung erfahren und deren Leben für die Regierung und die Parteien weniger wert ist als Profite, rettet keine AOC, die ein „tax the rich“-Kleid trägt, keine Demokratische Partei in den USA und kein RRG in Deutschland. Uns hilft nur Organisierung und Kampf auf den Straßen und in den Betrieben.

Ausführliche Infos zu AOC gibt es in diesem Artikel unserer US-amerikanischen Schwesterseite Left Voice.

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