Spanien: Niedergang des Zweiparteiensystems und Erfolg von Podemos

21.12.2015, Lesezeit 4 Min.
1
Podemos (We Can) party leader Pablo Iglesias casts his vote in Spain's general election in Madrid, Spain, December 20, 2015. REUTERS/Andrea Comas

Die spanische „Volkspartei“ (Partido Popular, PP) gewinnt die Parlamentswahlen mit 28,7 Prozent der Stimmen und 123 Abgeordneten. Auf dem zweiten Platz folgt die sozialdemokratische PSOE mit 22,2 Prozent und 90 Abgeordneten, laut der Auszählung von 99,1 Prozent der Stimmen. Podemos erreicht ein gutes Ergebnis mit 69 Abgeordneten und 20,6 Prozent. Ein Ausdruck des sozialen Unmuts mit den Kürzungsparteien (PP-PSOE).

Im Jahr 2011 ergab die Summe aus PP und PSOE 296 Abgeordnete bei 73,3 Prozent der Stimmen. Im Jahr 2015 sind es nur noch 231 Abgeordnete und 50,7 Prozent der Stimmen. Das antidemokratische Wahlgesetz verzerrt den tatsächlichen Absturz beider Parteien, da er größer ist, als es die Anzahl an Parlamentssitzen glauben lässt.

Podemos ist eine neue reformistische Partei, die vor zwei Jahren gegründet wurde. Bei ihren ersten landesweiten Parlamentswahlen erlangte sie 20 Prozent der Stimmen und 69 Abgeordnete. In Katalonien und im Baskenland wurde Podemos die stärkste Partei und schloss in wichtigen Orten wie Madrid, Galizien und Valencia auf dem zweiten Platz ab.

Der Wahlausgang drückt zum großen Teil einen sozialen Unmut mit PP und PSOE aus, welche seit dem Beginn der Krise Kürzungen durchgesetzt haben. Trotz der sehr starken „Wende zur Mitte“ von Podemos in den letzten Monaten ist das Wahlergebnis eine Linksentwicklung der Wähler*innenschaft.

Die Ergebnisse werden zu einem sehr fragmentierten Parlament führen. Die absolute Mehrheit liegt bei 176 Sitzen und keine Partei hat eigene Mehrheiten.

Ciuadadanos („Bürger*innen“), die aufsteigende liberale Partei, erlangte 13,93 Prozent der Stimmen und 40 Abgeordnete. Dahinter landeten die katalanischen nationalistischen Parteien ERC und DIL mit neun und acht Sitzen sowie die baskischen Nationalist*innen der PNV mit sechs Sitzen.

Bei diesen Ergebnissen wird es schwer werden, eine Regierungsmehrheit zu bilden, denn mehr als zwei Parteien werden für die Erlangung der absoluten Mehrheit nötig sein. Nur die beiden traditionellen Parteien PP und PSOE zusammen könnten das schaffen, doch diese „große Koalition“ ist kaum wahrscheinlich und hat sich in der spanischen Politik noch nie ergeben.

Im Gegenteil haben sich beide Parteien seit 1982 immer an der Macht abgewechselt. Dieses Zweiparteiensystem wird nun von links von Podemos in Frage gestellt, sowie von Ciudadanos als einer neuen „modernen“ Rechten.

Die große Frage ist: Welche Regierungspakte wird es geben? Bei diesen Ergebnissen ist nichts sicher. Die gemeinsamen Sitze der PP und Ciudadanos (die schlechter als erwartet abschnitten) würden einer rechten Koalition keine absolute Mehrheit geben – dafür fehlen 16 Sitze.

Sie bräuchten in dem Fall die Unterstützung einer anderen Partei, um eine Regierung zu bilden. Könnte diese Unterstützung von der PNV kommen, die die PP schon in anderen Situationen in der Vergangenheit unterstützt hat? Das wird schwierig, weil dieses Mal Ciudadanos als Weggefährt*innen im Spiel sind Sie verlautbarten öffentlich, dass sie keinen Pakt mit nationalistischen Kräften eingehen würden. Außerdem findet sich in ihrem Programm nichts weniger als das Ende der baskischen Freiheitsbestrebungen.

Oder könnte ein „linker Pakt“ zwischen PSOE, Podemos und Vereinten Linken (Izquierda Unida, IU) ausgehandelt werden? Wer wäre Präsident? Pedro Sánchez (PSOE) oder Pablo Iglesias (Podemos)? In diesem Fall könnten die Stimmen der Abgeordneten der Republikanischen Linken Kataloniens (Esquerra Republicana de Catalunya, ERC) – zwischen neun und elf Sitze – entscheidend sein, um eine Regierungskoalition zu bilden. Doch auch das scheint sehr kompliziert. Die PSOE ist ein offener Feind einer der grundlegenden Forderungen der ERC, einem katalanischen Referendum.

Am 13. Januar konstituieren sich die Parlamentskammern (Abgeordnetenhaus und Senat). Dort wird eine erste Abstimmung zur Wahl eines Präsidenten stattfinden, bei der eine absolute Mehrheit nötig ist. Daraufhin wird dieser mit der Regierungsbildung beauftragt. Scheitert die Wahl, wie prognostiziert wird, haben die Parteien zwei Monate Zeit, um einen neuen Präsidenten zu wählen, der mit einfacher Mehrheit bestimmt wird.

Während die politische Ungewissheit wächst, ist eines sicher: Das spanische Zweiparteiensystem, welches seit dem Übergang zur Demokratie 1978 existiert, ist an sein Ende gelangt. Ein neuer politischer Zyklus beginnt. Dessen Charakter ist noch unklar.

Diese und weitere Analysen auf IzquierdaDiario.es

Mehr zum Thema