Selber schuld

16.08.2016, Lesezeit 3 Min.
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Das Zwangsouting homosexueller Sportler der Olympischen Spiele im Magazin Daily Beast löste einen Shitstorm im Netz aus. Die taz zog nach. Ihr Autor Schubert hat in seinem Artikel „Ehrlicher Ficken“ einen Schuldigen gefunden: Homosexuelle sind im Grunde an allem selbst schuld, sie lügen und betrügen.

Das US-amerikanische Magazin Daily Beast veröffentlichte am Donnertag letzter Woche einen Artikel, in dem mehrere homosexuelle Teilnehmer der Olympischen Spiele zwangsgeoutet wurden. Der Artikel wurde nach Empörung der Online Community aus dem Netz genommen. Doch ausgerechnet die taz verteidigt die Veröffentlichung in einem am Samstag erschienenen Text mit dem zynischen Titel “Ehrlicher ficken”.

Der Journalist Nico Hines war für The Daily Beast auf der Recherche nach interessanten Sex-Geschichten aus dem Olympischen Dorf, für die er sich als heterosexueller Mann in die Dating-App grindr mit einem eigens dafür angelegten Account einloggte. Die App wird von homosexuellen Männern benutzt. Wer dort mitmacht, kann sich im näheren Umkreis orten lassen, um zu sehen, mit wem er sich zum Sex treffen kann.

Nun verteidigt der taz-Autor Manuel Schubert die Aktion der Daily Beast zuerst damit, dass keine Namen der schwulen Sportler genannt wurden. Doch die im ursprünglichen Artikel gegebenen Informationen ermöglichen es, innerhalb von Sekunden die Identität der Betreffenden zu erfahren. Es findet Erwähnung, aus welchem Land die Sportler kommen, sogar die Tatsache, dass in diesen Homosexualität unter Strafe steht, ist genannt. Von Anonymität kann keine Rede sein, mit geradezu schadenfreudiger Berechnung wählte der Autor diese Sportler aus, mit Bewusstsein über die Lage in ihren Herkunftsländern.

„Sexuelle Orientierung eines Sportlers liegt im Öffentlichen Interesse“

Weiter wird in der taz die Frage gestellt, ob es nicht naiv sei, als nicht geouteter schwuler Mann eine Dating-App wie grindr zu benutzen, welche der Daily Beast-Autor Nico Hines, selber Hetero, für seine “Recherche” verwendet. Darin versteckt sich die Argumentation, man dürfe erst Sex haben und Dating-Apps benutzen, wenn die Öffentlichkeit über die eigene Sexualität informiert ist. Der taz-Autor konstruiert, dass die Sexualität von Sportler*innen “ausdrücklich von öffentlichem Interesse” sei. Auch, weil darüber Sport nun mal vermarktet würde. Doch statt das in Frage zu stellen, will Schubert, dass sich auch schwule Sportler dem unterwerfen.

Die wahren Lügner und Betrüger

Er geht sogar so weit, die Kritik am ursprünglichen Artikel als paternalistisch zu diskreditieren, die  betroffenen Sportler würden in eine Opferrolle gezwungen, indem darauf hingewiesen wird, dass in ihren Herkunftsländern Homosexualität unter Strafe steht. Dabei ignoriert der Autor die realen Folgen dieser Outings für die Leben der Sportler. Die grausame Homophonie in Gesetzen und Alltag wird nicht durch die ebenso grausame Praxis von Zwangsoutings bekämpft werden. Dadurch werden nur Individuen gefährdet und Heten können sich darüber lustig machen, dass LGBTI*-Menschen ihre Identitäten geheim halten. Zwangsoutings haben nichts mit dem Ziel, “die Ehrlichkeit” im Sport zu stärken, zu tun.

Ehrlich wäre es, anzuerkennen, dass es für einige von uns immer noch lebensgefährlich ist, ihre Identität öffentlich zu machen. Die einzigen Lügner und Betrüger, die “in einer Reihe mit Dopingsündern” stehen, wie der taz-Autor die Sportler beschreibt, sind diejenigen, die von Solidarität mit LGBTI*-Menschen faseln, aber gleichzeitig eben jenen selbst die Schuld an ihrer Unterdrückung geben.

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