Politische Erklärung zur Krise in Venezuela

04.04.2017, Lesezeit 20 Min.
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Wir haben am Wochenende eine neue Eskalation im Konflikt zwischen der Regierung und der rechten Opposition beobachten können: Die Regierung hat versucht, die Bonapartisierung noch weiter voranzutreiben, wofür aber das Kräfteverhältnis nicht ausreichte. Die rechte venezolanische Opposition verstärkte ihre Rufe nach der Einmischung der rechten Regierungen der Region und des US-Imperialismus in die venezolanische Situation. Unterstützt wird sie dabei vom Chef der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, und von den Sanktionen der Trump-Regierung gegen den venezolanischen Vizepräsidenten El Aissami.

Die Opposition hatte in der Nationalversammlung den Prozess der Durchsetzung einer „Demokratischen Charta“ begonnen. Der Oberste Gerichtshof antwortete mit zwei Urteilen, die von „Vaterlandsverrat“ der Abgeordneten sprachen, ihnen praktisch die parlamentarische Immunität aberkannten. Sie nahmen der Nationalversammlung alle gesetzgeberischen Rechte weg, um sie dem Obersten Gerichtshof selbst sowie dem Präsidenten zuzuteilen.

Unerwarteterweise lehnte die Generalstaatsanwältin die Urteile ab und charakterisierte sie als „Bruch mit der verfassungsmäßigen Ordnung“. Dadurch eröffnete sie eine Krise im Innern des Chavismus, der in dieser Krisenzeit bisher eine große Einheit gezeigt hatte. Die Regierung ruderte zurück und neue Urteile des Obersten Gerichtshof nahmen die Teile der vorherigen Urteile zurück, die dem Parlament seine Macht genommen hatten. Jedoch hält das Oberste Gericht weiterhin an der Auffassung fest, dass die Nationalversammlung das politische System „missachten“ würde. Es lässt Präsident Maduro weiterhin die Macht, am Parlament vorbei die „gemischten Unternehmen“ (teils staatliche, teils private Firmen) zu fördern und die Ölgesetze zu reformieren. Wenn die Regierung auf diesem Weg weitergeht, riskiert sie, eine noch größere Krise zu eröffnen. Maduro ist geschwächt und die Krise kann sich verschärfen. Die Spaltung in der regierenden Schicht ist keine kleine Sache, und noch ist unklar, welche Rolle die Armee in der Krise spielen wird.

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Präsident Nicolás Maduro gemeinsam mit Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes.

Es handelt sich um einen Ausdruck der tiefen organischen Krise, die das Land durchzieht: Es geht um die Frage, wie der Übergang zum Postchavismus gestaltet wird. Dabei haben allerdings wir von unten nichts zu sagen. Wir Arbeiter*innen und Menschen aus armen Sektoren müssen weiterhin auf unseren Schultern die schreckliche wirtschaftliche und soziale Krise erleiden. Trotzdem sind unsere Bedürfnisse in diesem Streit nicht vertreten. Die Regierung stützt sich immer mehr auf die Armee und auf autoritäre Maßnahmen, die Rechte ruft ebenfalls die Armee und ausländische Interventionen an. Keine Seite will die entscheidende Teilnahme der Massen an den Geschicken des Landes, sie alle wollen die Ausgebeuteten und Unterdrückten von den Entscheidungen ausgrenzen.

Deshalb sind wir der Ansicht, dass es notwendig ist, für eine Verfassungsgebende Versammlung zu kämpfen, die wirklich frei und souverän ist. Dort müssen alle Angelegenheiten des Landes, alle Probleme der Arbeiter*innenklasse, der armen Sektoren, der landlosen Bauern*Bäuerinnen, der Frauen und der Jugend besprochen werden. Eine Verfassungsgebende Versammlung, die zur Mobilisierung der Arbeiter*innen und der Massen für unsere eigenen Forderungen dient, um zu verhindern, dass alles in den Händen der Herrschenden bleibt. Denn ihr Streit drückt nur ihre eigenen Interessen aus und nicht die der Arbeiter*innen und der armen Bevölkerung.

Eine Regierung, die sich immer mehr auf die Armee stützt

Die Maduro-Regierung kam inmitten einer tiefgründigen wirtschaftlichen und auch politischen Krise an die Macht – ausgelöst durch die Lücke, die Chávez hinterließ. Sie musste das Debakel des Chavismus verwalten und hat in schwindelerregender Geschwindigkeit die Züge des „linken Bonapartismus sui generis“ verloren, die Chávez aufrechterhalten hatte – d.h. das System einer starken präsidialen Figur, die gestützt wird durch die Armee und die Mobilisierung der Massen und die sich als Vertreter der nationalen Interessen im Streit mit den imperialistischen Kapitalen und Regierungen aufstellt. Maduro rudert in der Frage der „Ölsouveränität“ zurück, während er gleichzeitig eine wirtschaftliche Kürzungspolitik durchzieht. Er schreitet immer mehr in einer einfachen Bonapartisierung voran, indem er als Präsident immer mehr seine Macht durch die Armee ausübt, während im die Unterstützung der Massen fehlt. Der plebiszitäre Bonapartismus ist in Venezuela Geschichte.

Teil dieser Art der Regierung ist die Blockade jeglicher Wahl – selbst jeglicher Gewerkschaftswahlen –, seitdem die Regierung die Parlamentswahlen gegen die Rechten verloren hat. Das Regieren unter einem permanenten „Ausnahmezustand“ gehört auch dazu, ebenso wie die repressiven Antworten auf soziale und politische Unruhen, nicht nur bei Demonstrationen der Rechten, sondern auch bei den Mobilisierungen und Kämpfen der Arbeiter*innen, den verzweifelten Protesten und Plünderungen aufgrund von Mangel und Hunger. Teil davon ist auch die Militarisierung der Armenviertel, wo straflos immer wieder Jugendliche von Sicherheitskräften ermordet werden.

Die Regierung kann das tun, weil sie die Kontrolle über die Armee behält (oder hat die Armee vielleicht sogar die Kontrolle über die Regierung?). Die Militärs haben eine große Präsenz in der nationalen Politik, sowohl in der Struktur der Regierung, als auch in der Führung der staatlichen Wirtschaftssektoren und des Sozialwesens. Sie greifen dort immer mehr ein und spielen so ihre Rolle als „Schiedsrichter“ der konflikthaften nationalen Situation und der Krise der Machtverteilung. Zusätzlich genießen sie vielfältige Privilegien und Geschäftsmöglichkeiten.

Die Rechte stützt sich auf… die Rechte auf dem Kontinent und den Imperialismus

Die rechte Opposition verschärft – getreu ihrer politischen DNA – ihre Forderungen nach ausländischer Intervention, im Block mit der Rechten auf dem Kontinent und dem US-Imperialismus. Ihre Forderungen nach der Aktivierung der „Demokratischen Charta“ der OAS, ihre Bitten an Trump und ihre Diplomatie in der Region sind alle darauf gerichtet, sich die Unterstützung der rechten Regierungen und rechten Parteien gegen die Maduro-Regierung zu sichern.

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Der Präsident der Nationalversammlung, Julio Borges, im Moment, in dem er eine Kopie des Urteils des Obersten Gerichtshofs zerstört.

Die Putschregierung von Temer gehört dazu, wie die Regierung Macri oder der unmögliche Peña Nieto – Präsident in Mexiko, wo der Staat Komplize bei der Entführung und Ermordung von Studierenden, Staatsbürger*innen und Kämpfer*innen ist. Ebenso wird sie unterstützt von der Regierung Kolumbiens, wo die Aktivität als Gewerkschaftsanführer*in oder Verteidiger*in der Menschenrechte mit Verfolgung und Tod bezahlt wird. Dazu kommt noch der US-Präsident Trump. Dies alles sind die Verbündeten der Opposition, die in unserem Land „für die Demokratie kämpfen“.

Gleichzeitig rufen sie immer wieder die Armee an und zeigen so, dass zu ihren „demokratischen“ Optionen auch die Absetzung der aktuellen Regierung durch eine militärisch durchgesetzte Lösung gehört.

Unsere demokratischen Ansprüche und unsere Bedürfnisse werden von keinem Lager repräsentiert

Die Arbeiter*innen und die Gesamtheit der Massen haben keine Stimme in diesem Streit. Für immer mehr Menschen ist klar, dass die Opposition nicht in die Nationalversammlung gelangte, um eine Lösung für unsere Probleme zu finden, sondern um ihre eigenen Hoffnungen auf die Rückeroberung der politischen Macht zu sättigen. „Ihnen allen geht es gut, sie hungern nicht, sie haben Dollars, sie stehen nicht Schlange, sie alle aus beiden Lagern!“ Kommentare wie diese sind voll von der Weisheit der Massen und sind immer häufiger zu hören.

Die Jahre unter der Chávez-Regierung haben uns unter anderem eine Reihe von Gesetzen hinterlassen, die die Kämpfe der Arbeiter*innen und der Massen kriminalisieren. Sie beschneiden das Recht auf Streik und auf gewerkschaftliche Autonomie. Sie schränken also wichtige demokratische Rechte und Freiheiten ein, die die Arbeiter*innen für ihre Kämpfe brauchen. Aber die Rechte kam nicht in die Nationalversammlung, um diese Gesetze abzuschaffen, sie hat es nichtmal versucht. Denn diese Gesetze nützen auch den Rechten, die sie gegen die Arbeiter*innenklasse einsetzen können, wenn sie zurück an die Macht gelangen. Neben der Demagogie bezüglich der Lebensmittelmarken für Rentner*innen – eine reale, legitime und dringende Forderung – haben sie seit Tag Eins in der Nationalversammlung stattdessen nur eines gemacht. Und zwar haben sie immer wieder erklärt, dass ihr Ziel darin bestehe, Maduro in wenigen Monaten abzusägen. Als Teil ihres Ringens haben sie vor einigen Monaten eine Erklärung veröffentlicht und behauptet, dass Maduro das Amt des Präsidenten schon „aufgegeben“ hätte.

Der Chavismus will weiterhin regieren, um seine Feste der Korruption weiter feiern und seine Kürzungspolitik (Entwertung des Bolivar, Zahlung der Auslandsschulden, Preiserhöhungen, Diktat von Tarifverträgen, Repression gegen Kämpfe usw.) durchsetzen zu können. Er will seine Allianzen mit konzentrierten Sektoren der „produktiven“ nationalen Bourgeoisie fortführen (denen er gerade dutzende Millionen von Dollar geschenkt hat). Und er will sich weiter transnationalen Konzernen öffnen (Arco Minero, Joint Ventures im Öl- und Gasbereich, Sonderwirtschaftszonen). Demgegenüber wollen die Rechten an die Regierung kommen, damit sie diejenigen sind, die sich bereichern, damit sie die Auslandsschulden bezahlen und die Öffnung gegenüber den transnationalen Konzernen noch weiter vorantreiben können. Sie wollen, dass die Unternehmer*innen und Händler*innen noch mehr als jetzt schon tun, was ihnen beliebt (mit ihren Dollars, ihrer Produktion, mit den Arbeiter*innen und den Arbeitsplätzen). Sie wollen das Land zurück in den Einflussbereich des US-Imperialismus bringen.

Währenddessen schreiten die antidemokratischen Bedingungen der „Erneuerung“ der Parteien, die die Regierung durchgesetzt hat, in Richtung eines Systems voran, wo nur die mehrheitlichen Parteien, die große wirtschaftliche Apparate haben, repräsentiert sind. Diejenigen, die ohne legalen politischen Ausdruck bleiben, sind diejenigen Strömungen, die sich links von der Regierung aufstellen, die antikapitalistisch sind oder die die Kämpfe der Arbeiter*innenbewegung ausdrücken. Die Rechten werden weiterhin einen politischen Ausdruck in ihren hegemonialen Parteien haben.

Wir lehnen den Ausnahmezustand und jegliche Einschränkung der demokratischen Freiheiten ab. Wir kämpfen für die breitesten Freiheiten für den Zusammenschluss, die Organisation und Mobilisierung. Wir schlagen eine wirklich demokratische Alternative vor, in der sich der Wille der Arbeiter*innen und der armen Bevölkerung ausdrücken kann.

Eine freie und souveräne Verfassungsgebende Versammlung

Wenn die Probleme wirklich gründlich angegangen und der „Wille der Massen“ ausgeübt werden soll, müssen wir eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen, die tatsächlich frei und souverän ist. Dort können alle Probleme der Massen und des Landes diskutiert werden. Dort können wir für unsere Forderungen kämpfen und die Versammlung in den Dienst der Mobilisierung der Arbeiter*innen und der Massen gegen das Geflecht der politischen Spitzen, des Militärs und der ausländischen Einmischung stellen, das statt uns über unsere Zukunft entscheiden will.

Weder die „republikanischen“ Vorschläge der Rechten noch die Institutionen der „Fünften Republik“ mit ihrem extremen Präsidialsystem erlauben den vollständigen Ausdruck unseres Willens – trotz der chavistischen Phrasen von „Partizipation“ und „Protagonismus“ und sogar „Macht des Volkes“. Es handelt sich vielmehr um Instrumente der Kontrolle durch die Regierung. Sie dienen der Kooptierung, die eine wirkliche Partizipation der Massen in den zentralen Diskussionen verhindert. Solche zentralen Diskussionen sind die Frage nach der Zukunft der Auslandsschulden, die Verbindung mit ausländischem Kapital zum Abbau von Öl und Erzen und die Durchsetzung anderer politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen.

Unter den aktuellen Bedingungen kann eine wirklich demokratische Antwort, die beide Projekte in Frage stellt, die diese kapitalistische Gesellschaftsordnung aufrecht erhalten wollen, nur durch die Arbeiter*innenklasse erreicht werden. Sie muss für eine freie und souveräne Verfassungsgebende Versammlung kämpfen, die die exekutive und legislative Macht in sich vereint. Diese Versammlung muss das Präsidentenamt – das nur auf die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung gerichtet ist und Bonapartismen fördert – und die antidemokratische Repräsentation in der Nationalversammlung – die nicht proportional ist und die stärkste Kraft überrepräsentiert – abschaffen. Sie muss die Einmischung der Armee in der Wirtschaft und der öffentlichen Sphäre und ihre repressive Intervention in die innere Ordnung beenden. Sie muss die aktuelle Justiz ersetzen: Diese Kaste von Richter*innen, die niemand gewählt hat, muss ersetzt werden durch Richter*innen des Volkes, die durch universelles Wahlrecht gewählt werden. Diese Verfassungsgebende Versammlung muss aus Vertreter*innen bestehen, die einen Arbeiter*innenlohn verdienen und in jedem Augenblick abwählbar sind.

Eine solche Versammlung kann nur durch die Mobilisierung erkämpft werden, indem sie mit der Gesamtheit der Forderungen der Arbeiter*innen und der Massen zur Beantwortung der Krise verbunden wird. Auf dem Weg dieses Kampfes können die Arbeiter*innen und die arme Bevölkerung selbst Erfahrungen mit den Illusionen machen, die sie in diese „Demokratie“ haben. Denn in dieser Demokratie haben wir von unten keine wirkliche Macht. Dieser Prozess kann die Arbeiter*innen an die Überzeugung heranführen, dass die einzige wirklich tiefgründige Lösung darin besteht, die Zügel des Landes in ihre eigenen Hände zu nehmen und eine eigene Regierung der Arbeiter*innen und der armen Massen einzusetzen, die auf ihren Kampforganisationen beruht. Das ist die einzige Regierung, die fähig ist, die demokratischen und strukturellen Aufgaben vollständig zu lösen. Zu diesen Aufgaben gehört die Befreiung aus der Abhängigkeit von der imperialistischen Herrschaft. Eine solche Regierung eröffnet den Weg zum Aufbau eines wirklichen Sozialismus: ohne Kapitalist*innen, ohne Großgrundbesitzer*innen, ohne Ausbeutung.

Unsere Banner, unsere Kampfmethoden

Wir müssen kraftvoll mit unseren eigenen Bannern und Kampfmethoden in die nationale Situation eingreifen. Dabei müssen wir völlige Unabhängigkeit von beiden Lagern bewahren. Für mehr Lohn, für bessere Tarifverträge, für die Festanstellung aller Befristeten und Leiharbeiter*innen, gegen Entlassungen und Betriebsschließungen, gegen die Einmischung und Kontrolle des Nationalen Wahlrats in die Gewerkschaftswahlen, gegen Preiserhöhungen, für die Kontrolle der Produktion und der Verteilung der Lebensmittel durch die Arbeiter*innen und die Massen, gegen die Räumung der landlosen Bauern*Bäuerinnen, für das Land, gegen sexuellen Missbrauch und Gewalt, für das Recht auf Abtreibung, gegen Polizeigewalt gegen Jugendliche und arme Sektoren, neben anderen mehr.

Versammlungen, Kampfkomitees, Mobilisierungen, Streiks, Fabrikbesetzungen, Koordinierung der Kämpfe von unten – das sind unsere Methoden, mit denen unsere potenzielle Kraft spürbar wird.

Für einen Notfallplan der Arbeiter*innen und der Massen

Unmittelbar gibt es eine Reihe von grundlegenden Maßnahmen, für die wir dringend kämpfen müssen, um uns dagegen zu wehren, dass wir die Krise bezahlen, die wir nicht ausgelöst haben – Maßnahmen, die wir nur durch Mobilisierung und Kampf erringen können.

Gleitende Lohnskala und wirkliche Arbeiter*innenkontrolle der Preise! Die brutale Inflation verwandelt unsere Löhne in nichts. Wir brauchen Löhne, die wirklich die Notwendigkeiten unserer Familien abdecken und die sich monatlich an den Anstieg der Lebenshaltungskosten anpassen. Das muss in den Tarifverträgen festgesetzt werden, die wir mit unseren Kämpfen erringen. Es handelt sich um eine grundlegende defensive Maßnahme, um die Verarmung der Familien der Arbeiter*innen und der Massen zu stoppen. Sie muss ergänzt werden durch eine wirkliche Kontrolle der Preise durch Delegierte, die demokratisch durch die Basis in den Betrieben und den Nachbarschaften gewählt werden, ohne jegliche Einmischung der Bosse oder der Regierung, der Parteien oder des Militärs. Die Kontrolle der Preise durch die Regierung ist eine vollständige Farce, die völlig unverschämt immer weiter ausgehöhlt wird. Nur wir, die wir nichts mit den Interessen der Unternehmer*innen zu schaffen haben, können unsere Geldbeutel bis zum Ende verteidigen.

Diskussion und Abstimmung über abgelaufene Tarifverträge! Tarifverträge, die seit Jahren abgelaufen sind, deren Errungenschaften völlig veraltet sind im Vergleich zu den Bedürfnissen der Gegenwart, sowie die Verweigerung der Annahme von Forderungen in aktuelle Tarifrunden sind zwei der wichtigsten Mechanismen, mit denen heute die Bosse in der öffentlichen und privaten Wirtschaft die Löhne und Rechte der Arbeiter*innen unterhalb der realen Lebenshaltungskosten, der realen Bedürfnisse halten. Das ist ein Kampf von höchster Wichtigkeit.

Schluss mit der Zahlung der Auslandsschulden auf Kosten der Bevölkerung! In den vergangenen drei Jahren hat die Regierung nicht weniger als 60 Milliarden Dollar für das internationale Finanzkapital bereitgestellt, während der Bevölkerung Essen, Medikamente, würdige Löhne fehlen, sowie die Infrastruktur und die Bildungseinrichtungen der öffentlichen Schulen am Boden liegen. In diesem Jahr werden es weitere 17 Milliarden Dollar sein. Dieses Ausbluten muss ein Ende haben!

Unternehmer*innen und Korrupte dazu zwingen, die Milliarden Dollar zurückzugeben, die sie aus dem Land geschleust haben! Der Raub von nationalen Ressourcen durch Unternehmer*innen (sowohl Oppositionelle als auch Chavist*innen), Bänker*innen und Korrupte ist gigantisch: Selbst laut dem Außenhandelsminister Jesús Farías handelt es sich um 500 Milliarden Dollar. Das reißt ein riesiges Loch in die Reichtümer dieses Landes, während hier die Ressourcen fehlen, um die Grundversorgung des Staates und die öffentliche Industrie (inklusive der Ölindustrie) aufrechtzuerhalten, um Löhne, Lebensmittel, Medikamente, Wohnungen und noch viel mehr bereitzustellen. Die Unternehmer*innen müssen gezwungen werden, diese Ressourcen sofort wieder zurückzugeben. Ansonsten muss ihr Eigentum hier enteignet und in öffentliche Güter unter Kontrolle der Arbeiter*innen und Beteiligung der Nachbarschaften umgewandelt werden – nicht unter Kontrolle der Bürokrat*innen der Regierung oder des Militärs!

Keine Arbeiter*innen mehr auf der Straße! Eine wirkliche Arbeiter*innenkontrolle aller Unternehmen und Institutionen, die entlassen oder schließen, ohne Militärs oder Bürokrat*innen! Sowohl im Staat als auch in den privaten Betrieben steigen die Entlassungen und Schließungsdrohungen, wenn es nicht sogar schon de facto-Schließungen gibt. Wenn schon die Löhne hart angegriffen werden, sind Entlassungen ein Sprung in der Verarmung von Tausenden von Arbeiter*innenfamilien. Es ist nicht „normal“, es ist nicht „logisch“: Hinter den Entlassungen steckt die Stabilität der Profite der Bosse. Wir können das nicht zulassen! Die Arbeiter*innen müssen die Betriebe kontrollieren, die entlassen oder schließen wollen – mit vollständigem Zugang zu den Geschäftsbüchern der Betriebe! Sie sollen sie selbst weiterführen, um die Arbeitsplätze und die Produktion zu garantieren!

Wir müssen die Wege finden, um die Kraft der Arbeiter*innenklasse in Bewegung zu setzen, die für diese Forderungen kämpfen kann. Heute sind viele Kämpfe isoliert, andere werden von der Gewerkschaftsbürokratie blockiert, wenn nicht gar von der Repression der Bosse. Die Einberufung von Gewerkschaftstreffen und sektoralen Treffen ist dringend nötig, um Kampfpläne und gemeinsame Mobilisierungen zu beschließen. So kann die Isolierung überwunden und Solidarität in die Praxis umgesetzt werden. Hin zu einem landesweiten Arbeiter*innentreffen, das einen landesweiten Kampfplan für unsere Forderungen beschließt!

Als Liga der Arbeiter*innen für den Sozialismus (LTS) schlagen wir diese Perspektive allen linken Organisationen vor, die sich der Regierung entgegenstellen, die sich als Arbeiter*innenorganisationen und als Sozialist*innen sehen. Wir schlagen sie kritischen Sektoren des Chavismus und den Massen im Kampf vor, den Organisationen der Arbeiter*innen und Frauen, die kämpfen, der Jugend, die den Ballast dieses Systems überwinden will. Wir wollen einen gemeinsamen Kampf für eine freie und souveräne Verfassungsgebende Versammlung und für einen Notfallplan der Arbeiter*innen und der Massen führen. Das muss unserer Meinung im Rahmen einer antikapitalistischen und antiimperialistischen Perspektive für eine Arbeiter*innenregierung geschehen.

Am 2. April 2017 von der Liga der Arbeiter*innen für den Sozialismus (LTS) bei La Izquierda Diario veröffentlicht.

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