Hintergründe zur Wahl in Uganda: Der Liebling des Westens lässt wählen

23.02.2016, Lesezeit 15 Min.
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In Uganda hat sich Yoweri Musevi wieder zum Präsidenten wählen lassen. Hinter dem Wahlbetrug und seinem korrupten, repressiven Regime steht mehr: Die Halbkolonie Uganda wird vom Imperialismus als Polizistin in der Region eingesetzt. Eine Analyse der Hintergründe.

Glaubt man dem offiziellen Ergebnis der Wahl in Uganda, dann wurde der seit 1986 regierende Präsident Yoweri Museveni (National Resistance Movement, NRM) mit über 60 Prozent der Stimmen eindrucksvoll im Amt bestätigt. Kizza Besigye (Forum for Democratic Change, FDC) erhielt als Zweitplatzierter rund 35 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Nicht nur der unterlegene Besegiye zweifelt jedoch das Resultat an. Die zentrale Wahlkommission und die lokalen Wahlvorstände sind mit Anhänger*innen des NRM besetzt. Der Vorsitzende der Wahlkommission Kiggundu hat mehrmals Oppositionskandidat*innen verunglimpft und im Fernsehen geäußert, Besegiye, hätte niemals antreten dürfen. Besigye befürchtet nun wie schon 2006 um den Sieg betrogen worden zu sein. Inzwischen hat Musevenis ehemaliger Geheimdienstkoordinator nämlich behauptet, vor zehn Jahren die Wahlfälschung organisiert zu haben. Besigye habe damals eigentlich die absolute Mehrheit gewonnen.

Der Wahltag selbst verlief vielerorts chaotisch, besonders in den Hochburgen des FDC. Im Viertel Ggaba der Hauptstadt Kampala wurden mit sieben Stunden Verspätung lediglich Wahlunterlagen für die gleichzeitigen Parlamentswahlen, nicht aber für die Präsidentschaftswahlen ausgegeben. Als sich Wähler*innen beschwerten, setzte die Polizei Tränengas ein und beendete somit kurzerhand den Wahlgang. Als Beobachter*innen Zwischenergebnisse ins Internet stellten, wurde auf Anweisung der Wahlkommission der Zugang zu Facebook, WhatsApp und Twitter landesweit blockiert. Kizza Besigye wurde festgenommen als er sich Zugang zu einem Gebäude forderte, in dem er die Organisation von Wahlfälschung vermutete.

Nach Bekanntgabe des Ergebnisses wurde Besigye zunächst unter Hausarrest gestellt, wie schon drei Tage vor der Wahl. Nachdem er seine Anhänger zu einer Demonstration zum Sitz der Wahlkommiission aufgerufen hatte, verbrachte ihn die Polizei zur nächsten Polizeistation. Auf die Proteste seiner Anhänger*innen reagierten die Ordnungskräfte mit Tränengas und Gummigeschossen. Ein Oppositionsanhänger wurde tödlich getroffen, zahlreiche andere verletzt.

Obwohl auch die EU-Wahlbeobachter*innen an der Unabhängigkeit der Wahlkommission haben und die Festnahme Besigyes kritisierten, bescheinigten sie Museveni, die Wahl sei „in den meisten Teilen des Landes in einem ruhigen und friedlichen Umfeld“ abgehalten worden. Die milde Kritik der Abgesandten der ehemaligen Kolonialherren Afrikas überrascht nicht, ist doch Museveni seit nunmehr 30 Jahren der Liebling der imperialistischen Mächte und steht wie kein anderer Staatsmann Ostafrikas für die Aufrechterhaltung der neokolonialen Ordnung nicht im eigenen Land sondern auch in der ganzen Region. Eine Region, die einerseits immer noch mit den Auswirkungen der Kolonialzeit und den darin wurzelnden Konflikten kämpft, die andererseits aber reich an Rohstoffen und natürlichen Ressourcen ist.

Britische Kolonialzeit

Die britische Kolonialmacht fügte 1894 das Königreich Buganda und die angrenzenden Gebiete zum sogenannten britischen Protektorat Uganda zusammen. In den vorausgegangen Jahren wurde die koloniale Durchdringung in erster Linie durch katholische, protestantische und islamische Missionare getragen. Diese Konfessionalisierung überlagerte ethnische Unterschiede der über 40 Völker. Die britischen Imperialist*innen nutzten diese Unterschiede geschickt aus und stachen so die französische, deutsche und ägyptische Konkurrenz aus. In der Folge installierten sie auf der Grundlage dieser Unterschiede ein System des „Teile und Herrsche“. Die Buganda-Aristokratie erhielt zur Belohnung für die Mithilfe bei der Ausdehnung des Protektorats weitgehende politische Sonderrechte und die Anerkennung ihres traditionellen feudalen Lehnbesitzes als privates Bodeneigentum.

Ähnlich wie in Nigeria wurde Polizei und Armee hauptsächlich unter den Bewohnern des Nordens der Kolonie rekrutiert. Das fruchtbarere südliche Buganda bildete das wirtschaftliche, administrative und kulturelle Zentrum des Protektorats, während der Norden ökonomisch und sozial zurück blieb. So vertiefte der Kolonialismus ethnische, religiöse und soziale Unterschiede.

Der Kolonialherrschaft stand daher auch keine einheitliche Nationalbewegung gegenüber, sondern ein fragmentiertes Spektrum von Parteien, von Verfechter*innen einer Restauration der Buganda-Monarchie über kleinbäuerlich und katholisch orientierte Gruppen bis zum nördlich und protestantisch geprägten Uganda People’s Congress. Nach der formalen Unabhängigkeit 1962 standen sich diese Kräfte in andauernden Konflikten bis 1986 feindlich gegenüber. Diesen Auseinandersetzungen fielen nach vorsichtigen Schätzungen nahezu eine halbe Million Menschen (bei knapp 17 Millionen Einwohner*innen) zum Opfer.

Musevenis Weg vom „Marxisten-Leninisten“ zum Neoliberalen

Anfang 1986 nimmt die Guerillaarmee des NRM, die NRA, die Hauptstadt Kampala ein und Museveni wird als Präsident vereidigt. Damit hatte erstmals in Afrika eine Guerillabewegung einen Regierungswechsel herbeigeführt. Möglich wurde dieser Sieg durch die Erweiterung der politischen Basis der NRM. Den Kern des NRM bildete zunächst Musevenis Uganda Patriotic Movement, das sich auf jüngere gebildete Personen aus dem Westen des Landes stützte, darunter auch viele Zuwanderer*innen und Geflüchtete aus Ruanda. Im Januar 1986 bestand die NRA zu einem Vierteln aus Ruader*innen. Museveni gelang es, die NRM auf Baganda auszuweiten; die NRA konnte sich in dem ländlichen Kernland von Buganda festsetzen und von dort bis vor die Tore Kampalas vorstoßen.

Begonnen hat Museveni seine politische Karriere als Schüler des pan-afrikanischen Akademikers und Aktivisten Walter Rodney in der University Students‘ African Revolutionary Front, die sich als „marxistisch-leninistisch“ bezeichnete und sich an Frantz Fanon und Che Guevara orientierte. Sein erstes Training als Guerillero erhält Museveni bei der FRELIMO in den befreiten Gebiete Mozambiques.

Schon als Führer der NRA hat er wenig Berührungsängste: 1981 macht er auf dem Weg nach Großbritannien Stopp in Libyen, wo er von Ghadafi einige Gewehre, Minen und Panzerfäuste erhält. In London dient er sich dann dem britischen Außenminister Lord Carrington an und versucht vergeblich diesen zu überzeugen doch das NRM zu unterstützen.

Einmal an der Macht ist von der pseudo-marxistischen Vergangenheit des Präsidenten nichts mehr übrig: Er behauptet nun, schon seit Schulzeiten ein wiedergeborener Christ zu sein. In der Wirtschaftspolitik knüpft er nahtlos an seinen gestürzten Vorgänger Milton Obote an und setzt die Unterwerfungspolitik unter die Diktatur imperialistischer Institutionen fort. Auf seiner offiziellen Webseite liest sich das so: „In Abkehr von früheren Ideen befürwortet Museveni die neoliberalen Strukturanpassungen, wie sie von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) verfochten werden. Uganda bleibt heute eine kapitalistische Volkswirtschaft.“

Der Kern dieser sogenannten Strukturanpassungsprogramme (SAP) bildet eine Einschränkung der Staatsausgaben, Privatisierung staatlicher Unternehmen, die Abschaffung von Subventionen für Nahrungsmittel und andere Waren des Massenkonsums und massive Kürzungen im Gesundheits- und Bildungsbereich. Gleichzeitig wurde der Markt für ausländische Produkte geöffnet, was zu einer massiven Deindustrialisierung führte, weil die einheimischen Unternehmen nicht konkurrenzfähig waren.

Die Zerstörung der Ansätze einer industriellen Basis besonders im Osten des Landes verschärfte Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit noch weiter. Die inoffizielle Arbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent, der Anteil der Armen beträgt nach UN-Schätzungen 70 Prozent. Besonders hoch ist die Jugendarbeitslosigkeit. Die Afrikanische Entwicklungsbank nennt eine Rate von 83 Prozent.

Durch den Wegfall der Subventionen stieg zu Beginn der 90er Jahre die jährliche Inflationsrate auf Werte von über 30 Prozent. Derzeit liegt sie für Lebensmittel immer noch bei nahezu 14 Prozent. Die rasant steigenden Preise für Nahrungsmittel haben aber nicht zu höheren Erlösen für die für den Weltmarkt produzierenden Bauern geführt. Im Gegenteil: Da sich die Preise für das Hauptexportgut Kaffee seit Jahren im freien Fall befinden, sinken auch die Einnahmen der landwirtschaftlichen Produzent*innen.

Seit Jahren ist die Handelsbilanz auch daher negativ. Das auf den ersten Blick eindrucksvolle Wirtschaftswachstum von jährlich um die 6 Prozent ist in erster Linie auf den Kapitalexport aus den imperialistischen Staaten zurückzuführen, das heißt, es nützt dem Land nichts. Die Auslandsverschuldung des Landes steigt von Jahr zu Jahr.

Obwohl noch kein einziger Tropfen Öl gefördert wurde, wird schon heute über einen Ölboom fantasiert, denn es wurden große Ölvorräte entdeckt. Durch die Abhängigkeit von den imperialistischen Mächten und deren Kredite hat Uganda mögliche Einnahmen aus dem Ölgeschäft jedoch faktisch auf Jahrzehnte verpfändet.

Ein halbkolonialer Polizist des Imperialismus in Ostafrika

Der Status einer Halbkolonie wird deutlich an dem erbärmlichen Zustand des Bildungs- und Gesundheitswesen. Die Einschränkung der Staatsausgaben im Zuge der Strukturanpassungsprogramme hat diese Bereiche besonders betroffen. In diese Lücke stießen verschiedene konkurrierende religiöse Organisationen aus Europa und Nordamerika. Besonders ländliche Krankenhäuser wurden an christliche Gruppen regelrecht ausgesourct und verschenkt.

Die NRM-Regierung hat die Gesellschaft besonders für fundamentalistische christliche Gruppen aus Nordamerika geöffnet. Evangelikale NGOs unterliegen weit geringeren Einschränkungen als säkulare NGOs. Wie groß der Einfluss US-amerikanisch wiedergeborener, evangelikaler und pfingstlerischer Gruppen inzwischen ist, wird zeigt die besonders repressive Gesetzgebung gegen LGBTI*-Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und weitere Identitäten). Museveni unterzeichnete ein Anti-LGBTI*-Gesetz, obwohl bei der Abstimmung das Parlament beschlussunfähig war. Für den Präsidenten ist das Hofieren der fundamentalistischen Kirchen ein Mittel, seine Basis zu erweitern und der katastrophalen sozialen Lage und der Kritik an seiner Person abzulenken, die inzwischen auch Teile des NRM erreicht hat.

Wenn auch die ausgesprochen homophobe Kampagne des ugandischen Staates Widerspruch in liberalen Kreisen hervorgerufen hat, so bleibt Museveni und Uganda trotzdem auch weiterhin der bevorzugte regionale Bündnispartner für die imperialistischen Mächte. Die Bundesregierung formuliert das so: „Nach jahrzehntelangen gewaltsamen Konflikten hat sich Uganda in den vergangenen Jahren zu einer stabilisierenden Kraft in Ostafrika entwickelt. Das Land engagiert sich für Frieden und Sicherheit in der Region und treibt die Integration Ostafrikas aktiv voran.“

In anderen Worten: Uganda ist der getreue Polizist des US-amerikanischen und britischen Imperialismus in Ostafrika. 1994 war der Rückhalt Ugandas essenziell für die Verdrängung der von Frankreich unterstützten Regierung Ruandas durch die von den USA geförderten Rebellen der Ruandischen Patriotischen Front (RPF). Die Gründer der RPF Fred Rwigyema und Paul Kagame waren zunächst Offiziere in der NRA. Nach dem Sieg der NRA wurde Rwigeyma stellvertretender Verteidigungsminister Ugandas und Kagame Chef des Militärgeheimdienstes. Gleichzeitig bauten sie in Uganda die RPF auf. Kagame erhielt 1990 eine militärische Ausbildung in den USA. Erste Angriffe auf Ruanda der RPF 1990 wurden noch von französischen Truppen zurückgeschlagen. Nachdem jedoch der ruandische Präsident unter bislang ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz 1994 ums Leben kam, war die RPF siegreich und Kagame wurde Präsident Ruandas.

Mit der stillschweigenden Unterstützung Washingtons arbeiteten Kagame und Museveni nun am militärischen Sturz des Präsidenten Zaires Mobuto. 1997 gelang es ihnen Laurent Kabila als Präsident zu installieren. Nun war der Zeitpunkt gekommen die Kriegsbeute einzusammeln. Insbesondere Offiziere der ugandischen Armee plünderten ungehemmt die Bodenschätze im Osten der Demokratischen Republik Kongo. 2005 verurteilte der Internationale Gerichtshof Uganda dazu, 10 Milliarden US-Dollar an Entschädigung an den Kongo zu zahlen.

In Somalia stellt Uganda das größte Kontingent der afrikanischen Invasionsarmee. Offiziell werden die Verluste geheim gehalten, Schätzungen gehen von mehreren tausend getöteten ugandischen Soldat*innen aus. Finanziert werden die afrikanischen Truppen von der EU und den USA. Die ugandische Armee stellt also wieder einmal die Söldner*innen und Fußtruppen in einem Krieg, der auf Weisung der imperialistischen Großmächte geführt wird. Gleichzeitig sorgt Museveni als Vermittler zwischen den Parteien in Burundi dafür, dass Burundi als zweitgrößter Truppensteller weiterhin an der Invasion in Somalia teilnimmt.

Von der Opposition kommt keine Alternative

Obwohl täglich ugandische Soldat*innen in Somalia sterben, stellt das FDC die Rolle Ugandas als lokaler Polizist des Imperialismus nicht grundsätzlich in Frage. Es kritisiert lediglich, dass die Regierung die Ziele der Auslandseinsätze nicht klar definiert und das Parlament nicht in jedem Fall seine Zustimmung erteilt habe.

Ebenso wenig stellt sich das FDC gegen die kapitalistische Grundausrichtung des Landes und die Unterwerfung unter das wirtschaftliche Diktat imperialistischer Einrichtungen wie Weltbank und Währungsfond. Oppositionspolitiker*innen haben den beklagenswerten Zustand von Straßen, Schulen und Krankenhäuser dargestellt und die Trostlosigkeit der Armut angeprangert, dies aber nicht in Zusammenhang mit den Auswirkungen der Strukturanpassungsprogramme gestellt.

Es wäre auch unrealistisch, dies von einer Partei zu erwarten, die hauptsächlich von europäischen und nordamerikanischen Institutionen wie der Christlich Demokratischen Internationale, dem Westminster Institute, dem International Republican Institute (den US-Republikanern nahestehend), dem National Democratic Institute (den US-Demokraten nahestehend) sowie den britischen Tories ausgehalten wird.17

Statt eine politische Alternative aufzuzeigen, verlegt sich das FDC auf die leere Phrase, des von den internationalen NGOs vorgegebenen „Good Governance“ und natürlich der Korruptionsbekämpfung. So richtig es sein mag die ausufernde Korruption des NRM anzuprangern, so ist diese jedoch nur ein Symptom des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Status Ugandas als Halbkolonie innerhalb der kapitalistischen und imperialistischen Weltordnung.

Weil das FDC letztlich die pro-imperialistische Grundausrichtung des NRM teilt, gelingt es der Opposition auch nicht die Massen der Arbeiter*innen und Jugendlichen zu mobilisieren, die erforderlich wären, einen neuerlichen Wahlbetrug zu verhindern sowie das korrupte und autokratische Regime Musevenis hinwegzufegen.

Dies kann nur einer Bewegung gelingen, die von einer klaren antikapitalistischen Position aus sich an den Interessen der Arbeiter*innen und Bäuer*innen orientiert und nicht an einer den imperialistischen Mächten hörigen Kaste von Politiker*innen und Offizier*innen. Diese Bewegung würde auch Schluss damit machen, dass ugandische Soldat*innen im Sold der Großmächte ihr Leben in fremden Ländern lassen müssen.

Der Kampf gegen Unterdrückung, Armut und Ausbeutung kann nur dann erfolgreich sein, wenn jegliche Repression abgelehnt und entschlossen bekämpft wird. Das gilt ganz besonders für den Einsatz gegen die Verfolgung von LGBT*-Menschen und das Zurückdrängen ausländischer Kulte, damit Religion und Politik wirklich getrennt sind und Glauben die Privatangelegenheit eines jeden einzelnen wird.

Letztlich aber kann die Emanzipation einer Halbkolonie nur gelingen, wenn die Arbeiter*innen der imperialistischen Staaten ihrer eigenen Bourgeoisie die politische, wirtschaftliche und militärische Macht entreißen, andere Völker auszubeuten und zu unterdrücken.

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