Erneut Bahnstreiks im Fernverkehr: GDL verstärkt den Arbeitskampf

05.03.2024, Lesezeit 5 Min.
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Foto: shutterstock.com/Jiaye Liu

Nachdem die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL und der Deutschen Bahn frühzeitig gescheitert sind, sind die Beschäftigten ab Donnerstag zu einem 35-stündigen Warnstreik aufgerufen. Danach soll es unangekündigte „Wellenstreiks“ geben.

Die 35-Stunden-Woche war die zentrale Forderung der GDL im aktuellen Tarifkonflikt – jetzt soll 35 Stunden lang gestreikt werden. Laut GDL-Chef Claus Weselsky waren die Verhandlungsgegner:innen der Deutschen Bahn nicht bereit für ausreichende Kompromisse: „Es ist die GDL, die in dieser Tarifrunde bereits umfangreiche Zugeständnisse gemacht hat und es ist der Bahnvorstand, der sich keinen Millimeter bewegt und die GDL-Mitglieder in weitere Streiks treibt.“ Die Bahn kritisiert die Positionen der Beschäftigten als unrealistische Maximalforderungen, nennt die Gewerkschaft „stur und egoistisch“. Jetzt soll erneut gestreikt werden: Ab Mittwochabend um 18 Uhr im Güterverkehr, ab Donnerstag um 2 Uhr im Personenverkehr. Der Streik wird am Freitag enden.

Nachdem die sogenannten „Arbeitgeber:innen“ die Forderung nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden zunächst komplett abgelehnt hatten, waren die Konfliktparteien zuletzt auf Basis eines Vorschlags der Bahn in Verhandlungen getreten. Dieser Vorschlag sah ein Wahlmodell vor, das eine Arbeitszeitverkürzung auf 37 Wochenstunden beinhaltete, wofür Beschäftigte aber auf eine Gehaltserhöhung verzichten müssten. Auch die weiteren Forderungen gehen weit auseinander. Die GDL fordert u.a. mindestens 555 Euro mehr Lohn sowie verschiedene Zulagenerhöhungen und Einmalzahlungen zum Inflationsausgleich, bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Die Bahn bietet bisher eine rechnerische Gehaltserhöhung von 13 Prozent, aber bei einer Laufzeit von 32 Monaten. Dass sie mit einem solchen Angebot keine Einigung erzielen wird, sollte der „Arbeitgeber:innenseite“ allerdings klar sein: Keine Gewerkschaft, die etwas auf sich hält, wird einen Tarifvertrag mit einer fast dreijährigen Laufzeit eingehen. Die Streiks gehen also weiter.

Eine „neue Eskalationsstufe“ der Streiks

In den Schlagzeilen kursiert vor allem die Ankündigung, dass die GDL nach dem kommenden Warnstreik auf sogenannte „Wellenstreiks“ setzen werde. „Wir haben nicht mehr vor, einzelne Streiks anzukündigen“, so Weselsky. Der zentrale Punkt: Bei diesen Wellenstreiks soll es keine 48-stündige Vorankündigung von Warnstreik mehr geben, was die Planbarkeit der Arbeitsniederlegungen nahezu unmöglich macht und die Zuverlässigkeit des Verkehrsmittels Bahn weiter einschränkt. Es handelt sich also um eine taktische Eskalation der Gewerkschaft, um ihre Ziele zu erreichen. Damit nimmt sie den Fuß langsam von der Bremse und zeigt auf, welche Kampfkraft die Beschäftigten entfalten können.

Dabei ist zu betonen, dass das schärfste Mittel der Beschäftigten, der unbefristete Erzwingungsstreik, noch nicht eingesetzt wird, obwohl die Mitglieder ihr Mandat dafür bereits im Dezember per Urabstimmung ausgesprochen hatten. Die Eskalation ist in diesem Kontext also eher noch als moderat einzustufen. Dennoch ist sie ein wichtiger Schritt für die Durchsetzung der Interessen der Bahnbeschäftigten. Ohne Planbarkeit der Streiks wird die Bahn in Ansätzen zu spüren bekommen, wie Streiks außerhalb der Sozialpartnerschaft aussehen könnten.

Für die Zusammenführung und weitere Demokratisierung der Streiks

Sollte die Bahn weiterhin keine Zugeständnisse machen, müssen unbefristete Streiks der nächste Schritt sein, um den Druck endgültig zu intensivieren. Außerdem befindet sich nicht nur die GDL aktuell im Arbeitskampf. Auch im Nahverkehr und beim Lufthansa-Bodenpersonal wird derzeit gestreikt, letztere sogar an den gleichen Tagen wie die GDL. Eine erweiterte und bewusste Verbindung der verschiedenen Kämpfe wäre durchaus zu begrüßen, um die Schlagkraft der gesamten Arbeiter:innenklasse zu entfalten und die Isolation der Branchen zu überwinden, die letztlich nur den Bossen hilft.

Die „One-Man-Show“ Weselsky ist aktuell in allen Medien, wird allerdings nicht zu einer neuen Amtszeit antreten. Im Sinne der Gewerkschaftsdemokratie muss auch die Fixierung auf seine Person überkommen werden. Mit der Urabstimmung im Dezember ist die GDL bereits über die ritualisierten Arbeitskämpfe der meisten anderen Gewerkschaften hinausgegangen – mit der Umsetzung der Erzwingungsstreiks lässt die Führung allerdings auf sich warten. Klar ist, dass die Beschäftigten über jede Facette ihrer Streiks selbst entscheiden können müssen. Das heißt beispielsweise tägliche Versammlungen an Streiktagen, um über Forderungen und Streiktaktiken zu diskutieren, und imperative Mandate, also die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der GDL-Führung, um die Entscheidungen der Versammlungen umzusetzen.

Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert derweil beide Konfliktparteien: „Die Tarifpartner machen gerade die Verkehrswende kaputt“, so Pro-Bahn-Chef Detlef Neuß. „Der Bund ist Eigentümer der Bahn. Deswegen ist er in der Pflicht zu intervenieren.“ Es ist zu bedauern, dass der Fahrgastverband eine solche vermittelnde Rolle einnimmt, wobei die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auch den Fahrgästen zugutekommt und langfristig der einzige Weg ist, ein verlässliches Bahnsystem zu bewerkstelligen. Der Bund sollte hingegen nicht als Eigentümer mit Markt- und Profitorientierung auftreten, was über den Umbau der Bundesbahn in die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft ermöglicht wurde. Die Streiks müssen perspektivisch die vollständige Verstaatlichung unter Arbeiter:innenkontrolle anstreben, als einziges Mittel, um langfristig gute Arbeitsbedingungen, niedrige Fahrtpreise und ein nachhaltiges sowie gutes Streckennetz statt Profiten und millionenschweren Boni für den Bahnvorstand zu sichern. Solidarität mit den streikenden Beschäftigten!

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