Eine neue Dynamik der Krise

02.04.2013, Lesezeit 6 Min.
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„Es herrscht Krieg zwischen den Klassen“, stellte Star-Kapitalist Warren Buffet einst bekanntermaßen fest, „aber es ist meine Klasse, die reiche Klasse, die diesen Krieg führt – und wir gewinnen.“

Dieser Krieg wird tatsächlich und immer heftiger geführt. In Griechenland bekämpft die Regierung sogar mit Kriegsrecht Streiks der U-BahnerInnen und Seeleute. Doch trotz aller Spardiktate der AusbeuterInnen will die Konjunktur einfach nicht in Gang kommen. Während die kapitalistischen Kernländer entgegen aller Beschwörungen mit der drohenden Rezession kämpfen, scheint auch den viel besungenen „Wachstumslokomotiven“ der Schwellenländer so langsam der Treibstoff auszugehen. Angesichts der Situation in Italien und Zypern droht sich die europäische Krise noch weiter zu verschärfen. In der Folge wird das einzige, was in der nächsten Zeit Hochkonjunktur haben wird, der von Buffet benannte Klassenkrieg sein.

Eine wirtschaftliche Krise ist immer auch eine politische Krise. So auch im mächtigsten Kapitalismus auf dem Erdball: Obamas Wiederwahl bedeutet die Notwendigkeit eines sozialen Deckmantels für die Krisenpolitik des US-Kapitals. Gleichzeitig bekommt dieser Deckmantel immer mehr Löcher und Risse: außenpolitisch bei den anhaltenden Schwierigkeiten des US-Imperialismus, seine Hegemonie im Nahen Osten wieder zu befestigen sowie bei den größeren innerimperialistischen Auseinandersetzungen, vor allem mit Deutschland in Bezug auf die Eurokrise; und innenpolitisch bei den massenhaften Kürzungen, die Obama nach dem Scheitern der Haushaltsverhandlungen mit der Republikanischen Partei nun durchsetzen muss.

Auf der anderen Seite der Front steht die lohnabhängige Klasse, die nach 30 Jahren Niederlagen beginnt, aus ihrer Defensive herauszukommen. Den Anfang machten die großen, noch andauernden Kämpfe in Nordafrika. Auch die Streikwellen und Generalstreiks in Südafrika, Argentinien und vor allem Indien schlugen große Wellen.

Solche Tendenzen sind ein dynamischer Faktor in der anhaltenden Wirtschaftskrise. Auch in Europa: Portugal erlebte vor kurzem die größten Demonstrationen der letzten Jahre und in Frankreich, der zweitgrößten Wirtschaft des Euro-Raums, entbrennen wichtige Arbeitskämpfe in der Autoindustrie. Diese Auseinandersetzungen weisen darauf hin, dass die Krise eine neue Dynamik bekommen könnte, wenn auch in den imperialistischen Kernländern wichtige Sektoren der ArbeiterInnenklasse in den Kampf treten.

Und wie steht die Dynamik in Deutschland? Buffets Zitat kommt einem/r in den Sinn, wenn man sich beispielsweise den Kampf beim Verpackungshersteller Neupack ansieht. Ein mittelständischer Betrieb der Familie Krüger sieht sich in der Lage, eine DGB-Gewerkschaft und mit ihr die ganze Gewerkschaftsbewegung zum Narren zu halten! Seit Monaten kämpfen mehrere hundert KollegInnen für einen Tarifvertrag. Die IG BCE – deren Vertreter feststellte, „Wir streiken für Sozialpartnerschaft“ – droht nun, den Streik abzuwürgen. Folgerichtig, denn Sozialpartnerschaft heißt Niederlage für die Beschäftigten. Das Gerede von Sozialpartnerschaft, Standortsicherung, Lohnzurückhaltung ist der Spielmannschor zum fortwährenden Rückzug der ArbeiterInnen vor der Offensive der KapitalistInnen.

Kein Wunder, dass die Reihen der organisierten ArbeiterInnenschaft immer dünner geworden sind. Wir, d.h. die gesamte ArbeiterInnenklasse, stehen vor der strategischen Aufgabe, aus der Bewegung ständigen Zurückweichens wieder heraus zu kommen.

Das bedeutet auch, dass wir taktische Siege erringen müssen, die helfen, unsere Gegenoffensive vorzubereiten. Das „Gefecht“ bei Neupack bietet eine solche Gelegenheit. Sollten die Krügers mit Erfolg belohnt werden, wird das die KapitalistInnen zu weiteren Angriffen ermutigen. Doch das Kräfteverhältnis ließe sich durchaus so verändern, dass den Krügers eine schallende Ohrfeige versetzt würde. Dafür ist es notwendig, dass wir, Gewerkschaften und linke Organisationen, unsere Kräfte anspannen und bei Neupack zuschlagen. Es braucht eine Kampagne aktiver Solidarität, die die Krügers zur Kapitulation zwingt!

Siegreiche taktische Kampagnen müssen dabei natürlich mit einer Strategie verbunden werden, um auch die notwendige gesellschaftliche Wirkung zu entfalten. Eine Strategie gegen Sozialpartnerschaft und für die Entmachtung der Gewerkschaftsbürokratie durch die gewerkschaftliche Basis. Eine Strategie mit dem Ziel der Enteignung und Entmachtung der KapitalistInnenklasse durch die Masse der Lohnabhängigen. Kurz: Eine Strategie, die der Kriegserklärung der KapitalistInnen statt dem Wunsch nach Waffenstillstand das Versprechen ihrer Niederlage entgegenhält.

Die Umsetzung einer solchen Strategie bedingt den Aufbau revolutionärer Parteien auf nationaler und internationaler Ebene. Denn die beschriebenen klassenkämpferischen Dynamiken der lohnabhängigen Klasse finden ihre Grenzen in der politischen Führung der Gewerkschaftsbürokratien und sich radikal gebender Reformparteien. So ist beispielsweise SYRIZA in Griechenland zu einer neuen Vermittlungsinstanz zwischen den Klassen geworden, die dafür sorgt, dass die Massen an der bürgerlichen Demokratie und der kapitalistischen Eurozone festhalten. Sie erfüllt damit die Funktion, die Tendenzen zur Radikalisierung in harmlose Bahnen zu lenken, anstatt zum Bruch mit diesem System zu führen.

Deshalb kann es auch nur zum Desaster führen, wenn Gruppen der radikalen Linken wie Marx21 oder die SAV versuchen, diesen Reformismus voranzubringen und nach links zu drücken, „als Schritt in die richtige Richtung“. Denn diese Politik der Aussöhnung, des organisatorischen „Einfluss-Gewinnens“ und des allmählichen „nach links Drückens“, hat die radikale Linke und insbesondere den Trotzkismus schon oft in die Bedeutungslosigkeit gebracht.

Darum nieder mit der Sozialpartnerschaft! Die Kugeln des Gegners haben die weißen Fahnen unserer verräterischen Führungen an den Gewerkschaftsspitzen zu genüge durchlöchert. Es ist für uns längst überfällig, aus der Defensive herauszukommen. Dazu braucht es die richtigen Waffen. Wir suchen daher den Anschluss an das Programm der historischen Vierten Internationale. Es ist das Erzeugnis von einem Jahrhundert ArbeiterInnenbewegung, vom Kampf für den Acht-Stunden-Tag bis zur sozialistischen Oktoberrevolution. Es wird das Programm unseres Sieges sein.

  • Für den Wiederaufbau der Vierten Internationale!

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