Die „rote Turbine“ in Moabit läuft wieder an!

06.10.2015, Lesezeit 3 Min.
Gastbeitrag

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// SIEMENS: Der Konzern will Kürzungen auf dem Rücken der Beschäftigten durchsetzen. Die fangen an, sich dagegen zu wehren, trotz der Beschwichtigungsversuche von IG Metall und Betriebsrat. //

Siemens ist ein unverschämt erfolgreicher Konzern, der weiß, wie er seine Profite auf Kosten der Arbeiter*innen maximiert. Nach dem neuesten Wechsel an der Konzernspitze heißt das entsprechende Projekt „PG 2020“. Gerade noch wurde ein milliardenschwerer Gasturbinen-Deal aus Ägypten an Land gezogen, der größte Auftrag der Konzerngeschichte. Und gleichzeitig sollen 4500 Stellen weltweit abgebaut werden. Davon fast 500 im Gasturbinenwerk in Berlin-Moabit.

Halt, nein: Es sind ja nur etwa 250 Stellen. Denn der Betriebsrat hat einen „Interessenausgleich“ erkämpft. „Die Pläne der Unternehmensseite zielten darauf, die Fertigungstiefe in unserem Power and Gas-Standort – und damit das breite technologische Wissen und mehrere Hundert Arbeitsplätze – abzubauen. Dank der vielen konstruktiven Vorschläge der Beschäftigten, den vielen Aktivitäten unser Kolleginnen und Kollegen, der Unterstützung der Berliner Politik und einem abgestimmten Vorgehen über den Gesamtbetriebsrat ist es gemeinsam in harten Verhandlungen gelungen, weitgehend die Fertigungstiefe der Komponentenfertigung zu erhalten und den geplanten Arbeitsplatzabbau deutlich zu minimieren“, erklärt Betriebsrat Günter Augustat. Dafür bekommt Siemens Kostensenkungen durch weitgehende Zugeständnisse bei Lohn und Arbeitszeit. Die Kolleg*innen sollen u.a. auf ursprünglich fest zugesicherte übertarifliche Leistungen verzichten. Das bedeutet Lohnkürzungen von 35%. Informiert über diesen scheinbaren Sieg wurden die Kolleg*innen allerdings nicht von ihrer Gewerkschaft IG Metall oder den von ihr geführten Betriebsräten, sondern durch die Presse und durch das Management, bei einer Infoveranstaltung im MOA-Bogen.

Unter den Moabiter Werker*innen, die bereits in den letzten Wochen abteilungsweise dem Betriebsratsbüro Besuche abgestattet hatten, gibt es aber wenig Willen, sich dem von Siemens an die Wand gemalten Bedrohungszenario kampflos zu unterwerfen. Noch während die Infoveranstaltung lief, meldete sich eine Gruppe Kolleg*innen zu Wort und anschließend verließen etwa 200 Arbeiter*innen den Saal, um auf der Straße unter sich Gegenmaßnahmen zu diskutieren. Sie stellten drei zentrale Forderungen auf: Keine Kürzungen, Kampf um jeden Arbeitsplatz – aber auf Kosten der Konzerngewinne und nicht auf Kosten der Belegschaft. Rücknahme der früheren Verschlechterungen der Betriebsvereinbarung von 2012. Die IG Metall muss zur Gegenwehr in allen Betrieben konkrete Kampfmaßnahmen organisieren und dafür eine bundesweite Vertrauensleute-Vollversammlung organisieren. Sie stimmen dafür, die Produktion am nächsten Tag stillzulegen.

So kam es dazu, dass sich am Freitag mehrere hundert Werker*innen in drei Schichten, gegen den Willen des Betriebsrates, vor dem Tor versammelten. Mit Ihnen stand auch die Produktion still. In letzter Minute beschlossen Betriebsrat und Firmenleitung, den faktisch Streikenden einzuräumen, ihren Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen. So werden arbeitsrechtliche Konsequenzen vorerst vermieden. Die Arbeiter*innen sehen ihre Aktion als nachdrückliches Signal für ernsteren Widerstand.

Aus dem Siemensstädter Schaltwerk gab es bereits Solidaritätsbekundungen, doch den Moabiter Industriearbeiter*innen ist klar, dass sie sich mit den Arbeiter*innen anderer Siemens-Standorte in Deutschland und der Welt, aber auch zu den Kolleg*innen des großen Siemens-Konkurrenten General Electric (GE) Kontakt herstellen müssen. Zu oft haben es Konzerne verstanden, unsere Belegschaften gegeneinander auszuspielen. Unsere Gegenoffensive wird auf Solidarität gebaut sein.

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