„Die Polizei hat gedroht uns umzubringen“ – Unsere Genoss*innen in Bolivien wieder frei

22.09.2017, Lesezeit 4 Min.
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„Wir haben im Gefängnis Todesdrohungen bekommen. Ich wurde so hart geschlagen, dass ich jetzt noch für sechs Tage krankgeschrieben bin. Um uns zum Schweigen zu bringen, haben Polizisten ihre Stiefel in unseren Mund gesteckt.“ Am Montag Abend hatte die Polizei Violeta Tamayo und Carlos Cornejo verhaftet. Nach zwei Tagen sind unsere bolivianischen Genoss*innen auf Kaution frei. Die Regierung von Evo Morales greift immer mehr zur Repression gegen soziale Bewegungen und indigene Proteste.

Auf einer Solidaritätsdemonstration mit den Frauen der Stadt Achacachi, die seit Wochen gegen ihren korrupten Bürgermeister von der Regierungspartei MAS (Bewegung zum Sozialismus) demonstrieren, hat die Polizei Violeta Tamayo und Carlos Cornejo gewaltsam festgenommen. Beide sind Journalist*innen der bolivianischen Online-Tageszeitung La Izquierda Diario Bolivia, Schwesterseite von Klasse Gegen Klasse.

Letzten Montag, während die Polizei eine Straßenblockade der Nachbarschaftsverbände von Achacachi gewaltsam räumte, hielt eine Gruppe von Frauen eine Mahnwache vor dem obersten Gerichtshof in der Hauptstadt La Paz ab. Die Polizei schickte mehr Einsatzkräfte als Demonstrierende, um die Mahnwache zu räumen. Im Zuge der Repression  wurden Violeta Tamayo, Journalistin von La Izquierda Diario Bolivia und Leitungsmitglied der sozialistischen Frauenorganisation Pan y Rosas (Brot und Rosen), und Carlos Cornejo, Aktivist der Unigruppe Octubre, verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, zwei Polizisten angegriffen zu haben. Der ebenfalls am Montag verhaftete Daniel Lozano des Kollektivs No Nos Madrugan wurde bereits am Dienstag wieder freigelassen. Gegen ihn wurde Anklage wegen Unruhestiftung erhoben.

Violeta berichtete live für La Izquierda Diario über die Kundgebung und die Repression gegen die Frauen aus Achacachi. Als sich die Jugendlichen angesichts der brutalen Repression mit den angegriffenen Frauen solidarisierten, wurden auch sie angegriffen, verhaftet und in die Gefängnisse der Spezialeinheit FELCC überführt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wirken umso abstruser, als dass alle Bilder der live im Fernsehen übertragenden Repression das Gegenteil beweisen. Wie sollen Journalist*innen, die Fotos und Videos machen, auch gleichzeitig bewaffnete Polizeikräfte angreifen?

Der reaktionäre und repressive Schwenk der Regierung von Evo Morales und die Verbindung von Kämpfen

Während der letzten Monate haben die sozialen Spannungen in Bolivien in Anbetracht der unpopulären Maßnahmen der Regierung gegen die Rechte der Indigenen, der Landarbeiter*innen und Arbeiter*innen deutlich zugenommen. Diese Spannungen drücken sich vor allem in zwei Mobilisierungen aus, welche immer weiter zusammengeführt werden und von der Regierung der MAS mit immer härteren Repressionen gegen alle beantwortet werden, die für ihre Rechte kämpfen.

Die eine ist der Kampf für ein Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker der Region Territorio Indígena y Parque Nacional Isiboro Sécure (TIPNIS). Dieses Gebiet wurde nach langen Kämpfen der verschiedenen Volksgruppen von der Regierung als „Unantastbares Kultur- und Naturerbe“ deklariert. Den indigenen Völkern wurde damit das unantastbare Recht gegeben, über den Regenwald zu verfügen, den sie bewohnen, mit allen Schätzen die sich über und unter der Erde befinden. Doch seit 2013 kämpfen die Einwohner*innen des TIPNIS gegen den illegalen Verkauf dieser Länder an multinationale Erdöl- und Forstwirtschaftskonzerne, sowie ein Straßenbauprojekt, mit welchem die Regierung die Kolonialisierung des Regenwaldes vorantreiben will. Bei zahlreichen Repressionen gegen Protestmärsche schreckte die Regierung nicht davor zurück die im Drogenhandel verwickelten Coca-Syndikate als paramilitärische Gruppen gegen die Indigenen einzusetzen. Damit bewies die Regierung, dass ihr Diskurs vom indegenismo und der Rechte der pachamama (Mutter Erde) nichts als Demagogie ist, und sie die ökonomischen Interessen multinationaler Konzerne und Kolonialist*innen über das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker stellen. Um ihren Widerstand weiter zu brechen, setzte sie jetzt auch das Gesetz Nr. 180 außer Kraft, welches die Unantastbarkeit des TIPNIS garantiert.

Die andere Mobilisierung richtet sich gegen die Korruptionsskandale des Bürgermeisters der Stadt Achacachi, Edgar Ramos (MAS). Seit mehreren Wochen fordert die Bevölkerung der Stadt mit Straßenblockaden, Demonstrationen, Mahnwachen und Kundgebungen, die sie bis nach La Paz tragen, die Amtsenthebung des Bürgermeisters. Am Dienstag mobilisierte der Gewerkschaftsdachverband COB in Solidarität mit dem Kampf der Bevölkerung von Achacachi und des TIPNIS.

Wir fordern die Einstellung der Strafverfahren gegen Violeta Tamayo, Carlos Cornejo und Daniel Lozano. Aber auch die Freiheit der dutzenden Achacachenier*innen, die verhaftet wurden und gegen die juristisch vorgegangen wird.

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