Steadfast Defender 24: Die NATO fletscht die Zähne

25.01.2024, Lesezeit 8 Min.
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NATO-Aufmarsch in Rukla, Litauen. Foto: Rokas Tenys / Shutterstorck

Die NATO startet das größte Militärmanöver seit 1988. Rund 90 Tausend Soldat:innen sollen den Krieg gegen Russland proben und die Kampfbereitschaft des Westens unter Beweis stellen.

Christopher Canoli, Oberkommandeur der NATO, kündigte letzte Woche das umfangreichste militärische Manöver der NATO seit dem Ende des Kalten Krieges an. Im Rahmen der Operation, welche den Namen „Steadfast Defender 24″ (Standhafter Verteidigung 24) trägt, sollen von Ende Januar bis Ende Mai 90 Tausend Soldat:innen aus allen 31 NATO-Staaten und dem Beitrittskandidaten Schweden mobilisiert werden. Die britische Armee will 20 Tausend Soldat:innen bereitstellen, die Deutsche immerhin Zwölftausend.
Über 50 Kriegsschiffe, über 80 Kampfflugzeuge und 1100 Panzer sollen dafür in Bewegung gesetzt werden.

Erklärtes Ziel ist es, sich auf den Einmarsch Russlands in einen NATO-Staat vorzubereiten. In diesem Fall müssten nach Artikel Fünf alle anderen NATO-Staaten an der Front kämpfen. Laut Canoli handele es sich um „simuliertes aufkommendes Konfliktszenario gegen einen nahestehenden Gegner“, bei dem auch die Verlegung von US-Streitkräften an die Ostfront geprobt werden soll. Dementsprechend werden die Militärübungen hauptsächlich in der Nähe der Grenzen zu Russland, von Norwegen über Polen und das Baltikum bis Rumänien, stattfinden.

Die Bundeswehr wird sich vor allem mit dem großangelegten „Quadriga 24″ Manöver beteiligen, welches als „praktische Konsequenz der Zeitenwende“ beworben wird. Es setzt sich aus vier Teilübungen zusammen, die sowohl in Deutschland selbst, als auch in nord- und osteuropäischen Staaten ausgetragen werden sollen. Geübt werden sollen unter anderem der Transport mit der Luftwaffe und der Einsatz von Kampf- und Schützenpanzern.

Das Großmanöver ist der Höhepunkt einer sich schon länger abzeichnenden Entwicklung der Militarisierung. Die NATO-Staaten wollen gegenüber ihren Rivalen ihre militärische Stärke und Bereitschaft signalisieren, während die eigene Bevölkerung auf Krieg eingeschworen werden soll. So fand im Sommer letzten Jahres mit „Air-Defender“ das größte Luftwaffenmanöver der Geschichte statt.

Worum geht es der NATO wirklich?

Canoli pries das Manöver als „eine klare Demonstration unserer Einigkeit, Stärke und Entschlossenheit sein, uns gegenseitig, unsere Werte und die auf Regeln basierende internationale Ordnung zu schützen”. Doch welche internationale Ordnung soll hier eigentlich geschützt werden?

Selbstverständlich geht es bei all dem um mehr als Selbstverteidigung gegen äußere Aggressionen. Die NATO probt und rüstet auf, um die ökonomischen und politischen Interessen ihrer führenden Staaten künftig noch aktiver auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Dass militärische Interventionen wieder eine größere Bedeutung für einige NATO-Mitgliedsstaaten bekommen, zeigen die Luftangriffe der USA und Großbritanniens im Jemen und die militärische Unterstützung des Genozids in Gaza.

Doch das Manöver richtet sich auch an die Einwohner:innen der NATO-Staaten. Einerseits soll über das militärische Patt, das sich zunehmend in der Ukraine abzeichnet, hinweggetäuscht werden. Dort ist die NATO faktisch Kriegspartei und bekämpft Russland mit umfangreichen Waffenlieferungen und Ausbildungsoffensiven für ukrainische Soldat:innen. Trotzdem erscheint fast zwei Jahre nach Kriegsbeginn ein Sieg der Ukraine unwahrscheinlicher als am Anfang. Dieses militärische Scheitern des NATO-Blocks, soll nun durch ein Machtdemonstration im Stil des Kalten Krieges kaschiert werden.

Andererseits zielt das Manöver darauf ab, die Bereitschaft für Krieg und Aufrüstung in der Bevölkerung hochzuhalten beziehungsweise zu erhöhen. Dazu soll die Präsenz des Militärs in unserem Alltag weiter normalisiert werden. In diesem Sinn kündigt die Bundeswehr erfreut an, das Manöver werde „in Europa und insbesondere in der deutschen Öffentlichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger sichtbar sein“.

Außerdem suggeriert die Riesenübung eine ebenso riesige Bedrohung seitens Russland, welches offiziell als Begründung des Manövers herangezogen wird. Die Panikmache zeigt Erfolg: Nachdem Micael Bydén, Oberbefehlshaber der schwedischen Armee, zum Beispiel alle Schwed:innen dazu aufgefordert hatte, sich geistig auf einen Krieg vorzubereiten, begannen Schwed:innen zum Teil Lebensmittel und Batterien für den Kriegsfall zu bunkern. Der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, der Niederländer Robert Bauer, feierte das und sagte, „dass Leute die Möglichkeit eines Krieges überraschend finden und nun anfangen, Radios und Batterien zu kaufen, das ist großartig.“

Damit steht das Manöver „Steadfast Defender 24″ klar im Kontext der westlichen Aufrüstung, die spätestens mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs enorm an Fahrt aufgenommen hat. Während die Bundesregierung 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr pumpt, will sie natürlich auch trainieren, die aufgerüstete Bundeswehr effektiv einzusetzen. Um diese Aufrüstung überhaupt ohne größeren Widerstand durchziehen zu können, muss sie außerdem die deutsche Öffentlichkeit auf die angebliche Kriegsgefahr aus dem Osten einschwören und das Image der Bundeswehr aufpolieren. Das passiert durch Militärmanöver in der Öffentlichkeit, aber auch durch die von CDU/CSU und SPD vorangetriebenen Debatten um die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder kleinere Bundeswehreinsätze wie bald im Roten Meer.

Verteidigt werden mit den aufgerüsteten Truppen aber nicht die Demokratie oder Menschenrechte, wie uns die Regierung weismachen will, sondern die politische und ökonomische Kontrolle des westlichen Imperialismus in der Welt. Das sieht man zum Beispiel im Jemen. Dort bombardieren die USA und Großbritannien die Rebell:innen der Ansar Allah (Huthis), die sie vor wenigen Jahren erst von der Liste der Terrororganisationen gestrichen hatten. Der Krieg im Jemen galt lange und gilt als eine der schlimmsten humanitären Katastrophen des Planeten. Weil die Huthis aber begonnen hatten, Schiffe Richtung Israel zu attackieren, um dem Genozid in Gaza Einhalt zu gebieten, beginnen die USA nun erneut, den Krieg im Jemen anzuheizen, die Situation zu verschlimmern und damit die israelischen Verbrechen in Gaza zu verteidigen.

Der Zweck von NATO-Intervention ist die Sicherung und Ausdehnung des uneingeschränkten Zugriffs US-amerikanischer und europäischer Banken und Konzerne auf billige Arbeitskraft, natürliche Ressourcen und Absatzmärkte. Da dieser Zugriff durch verschiedene Faktoren bedroht wird, treiben die herrschenden Klassen verschiedener Länder die Aufrüstung und die potentielle Ausweitung der Kriege voran. Dabei ist an die Verdrängung russischen Einflusses in Osteuropa zu denken oder an US-amerikanische Drohgebärden gegen China im Pazifik und Südostasien.

Was tun gegen Militarismus?

Nach dem reaktionären russischen Einmarsch in der Ukraine konnte die Bundesregierung ihre „Zeitenwende“ ohne erheblichen Widerstand in der Bevölkerung durchwinken. Eine schlagkräftige Antikriegsbewegung hat sich noch nirgendwo wirklich entwickelt. Seit dem 7. Oktober und dem anschließenden Massaker Israels an der Zivilbevölkerung in Gaza beginnt sich dies zu ändern. In vielen Ländern der Welt, auch in den USA und Europa, hat sich eine große Bewegung gegen den israelischen Krieg und dessen Unterstützung durch die eigenen Regierungen entwickelt. In einigen Ländern wie Großbritannien mobilisierten sich Menschen in einem Umfang, den es seit dem Irakkrieg nicht mehr gab. Es ist nun zentral, ein Programm gegen Aufrüstung und jegliche NATO-Aggressionen in die Palästina-solidarische Bewegung zu tragen und sie zu einer breiten anti-imperialistischen Bewegung zu entwickeln. Ein Anlass dazu werden auch die Proteste gegen die sogenannte Münchner Sicherheitskonferenz am 17. Februar in München sein.

Eine große Bewegung auf der Straße allein reicht aber nicht aus. Die Regierungen und Unternehmen müssen genau dort getroffen werden, wo sie am empfindlichsten sind. Das ist vor allem in vielen Teilen der Infrastruktur der Fall. So können Streiks und Blockaden von Arbeiter:innen von Flughäfen, Häfen und Schienen sowohl Waffenlieferungen nach Israel als auch große Militärmanöver verhindern. Genau diese Arbeiter:innen müssen für die Perspektive eines politischen Streiks gegen Aufrüstung und Krieg gewonnen werden.

Langfristig kann nur der Sturz des globalen imperialistischen Kapitalismus den Kriegen in der Welt ein Ende setzen. Eine konsequente Antikriegsbewegung muss also letzten Endes kompromisslos gegen die eigene kapitalistische Regierung kämpfen und auf die sozialistische Revolution hinarbeiten. Erst eine Welt, in der die arbeitenden und unterdrückten Massen ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen und Ökonomie und Politik im Interesse aller statt für den Profit Weniger gestaltet wird, wird Kriege endgültig beenden.

Geht mit KGK gegen die Siko in München auf die Straße


Ort: München, Karlsplatz (Stachus)
Datum: 17. Februar 2024
Uhrzeit: 13 Uhr

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