Der Aufruhr an der Wall Street um GameStop enthüllt die wahre Natur des Finanzkapitals

01.02.2021, Lesezeit 6 Min.
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Foto von rblfmr/Shutterstock.

Die GameStop-Blase zeigt nicht nur anschaulich, was für ein Casino die Börse ist. Sie zeigt uns auch, dass Arbeiter:innen zum Schweigen gebracht werden, wenn sie die Methoden der Bourgeoisie anwenden.

Die GameStop-Blase hat diese und letzte Woche immer wieder den Nachrichtenzyklus dominiert, da der Aktienkurs des angeschlagenen Einzelhändlers von 19.85 US-Dollar am 12. Januar auf 339 US-Dollar am 27. Januar gestiegen ist. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Aktie auf 193 US-Dollar gefallen, was aber immer noch eine zehnfache Vervielfältigung zum Vormonat darstellt.
Der astronomische Preisanstieg ist auf das gestiegene Interesse an der Aktie zurückzuführen, nachdem eine Reihe von Internetgruppen, insbesondere Untergruppen auf Reddit und Discord erkannten, dass die Aktie auf den Shorts von riesigen Hedgefonds gelandet war.

Shorting ist in der Finanzwelt eine gängige Strategie, um aus fallenden Kursen Profit zu machen. Es ist wesentlicher Bestandteil des „Spiels um fiktives Kapital“. Dieses Geld, welches keinen materiellen Wert in Waren oder produktiven Aktivitäten hat und vollständig von Arbeit getrennt ist, wechselt normalerweise den Besitzer allein unter den Reichen.

Um es einfacher auszudrücken: Große Wall Street Händler:innen schlossen eine Wette, dass die GameStop Aktie an Wert verlieren wird. Amateurinvestor:innen in verschiedenen Online-Finanzforen kamen dem auf die Spur und begannen die Aktie zu kaufen, was die Nachfrage steigerte und dadurch den Preis erhöhte. Als die Hedgefonds-Händler:innen versuchten, die Aktie zu kaufen, um ihre Wette einzulösen, stieg der Aktienwert weiter an. All der Hype und die kontinuierlichen Käufe machten GameStop diese Woche zur meistgehandelten Aktie an der Wall Street. Dabei übertraf sie die typischen Marktführer wie Tesla und Amazon.

Die Amateurinvestor:innen, die GameStop-Aktien gekauft haben – darunter Schüler:innen, Angestellte, kleine Immobilienmakler:innen und andere – haben unglaubliche Gewinne erzielt und Reporter:innen dazu veranlasst, Parallelen zu den Gewinnen zu ziehen, die im Allgemeinen von institutionellen Investor:innen und Hedgefonds erzielt werden.

Während Finanzinstitute und vermögende Anleger:innen – die den Aktienmarkt lange Zeit als ihr persönliches Casino behandelt haben – einen Sturm der Empörung über das ungerechte Handeln der privaten Anleger:innen ausgelöst haben, die den Wert von GameStop in die Höhe haben schnellen lassen, gaben bürgerliche Politiker:innen, selbst einige „Progressive“, ihre Stimme der Validierung von fiktiven Profiten am Finanzmarkt. Senatorin und Mehrheitsführerin Elizabeth Warren twitterte eine Erklärung, in der sie schärfere Finanzmarktregulierungen forderte: „Es ist höchste Zeit, dass die SEC und andere Finanzregulierungsbehörden aufwachen und ihre Arbeit tun – Mit einer neuen Regierung und einem demokratisch geführten Kongress habe ich vor sicherzugehen, dass sie dies tun.“ Vorher beschwerte sie sich zynisch darüber, dass die Hedgefonds die Börse wie ihr eigenes Casino behandelten, als wäre das im Fall von GameStop etwas Neues.

Eine Verschärfung der Finanzmarktregulierung hat nie ausgereicht, um die Gier der Aktionär:innen einzudämmen, was Warren auch weiß, aber nicht anerkennt. Welchen Anstoß gibt es denn für Joe Biden, den von der Wall Street unterstützten Präsidentschaftskandidaten, oder allgemein seitens der Demokraten, um ihre riesigen Spender zu regulieren?

Sobald die privaten Investor:innen anfingen, von der GameStop-Aktie zu profitieren, wenn auch nur für kurze Zeit, ergriff die Bourgeoisie Maßnahmen. In fast synchronen Aktionen wurden in den letzten 24 Stunden die betreffenden Untergruppen auf Discord und Reddit geschlossen. Robinhood, ein Online-Brokerunternehmen, das behauptet, „die Finanzen für alle zu demokratisieren“, machte es unmöglich, weitere GameStop-Aktien zu kaufen und raubte damit den privaten Anleger:innen die Möglichkeit in einen als „frei“ angepriesenen Markt zu investieren.

In Wahrheit ist Robinhoods größter Kunde nicht die Basis privater Anleger:innen, sondern Hedgefonds, die Daten über Robinhood-Nutzer:innen kaufen, um Rückschlüsse darauf zu ziehen, in was sie als nächstes investieren sollten. Am 28. Januar wurde eine Sammelklage gegen das Unternehmen eingereicht, weil sie die GameStop-Aktie aus ihrer Plattform entfernten. Laut der Klage „hat Robinhood die Aktie „GME“ gezielt, absichtlich und wissentlich von ihrer Handelsplattform entfernt und dies inmitten eines beispiellosen Aktienanstiegs, wodurch (…) der freie Markt manipuliert wurde.“

Es ist wahrscheinlich, dass die mit der Regulierung der Aktienmärkte beauftragte US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission) hinter diesen Maßnahmen steht, da die SEC eine Erklärung zur erhöhten Volatilität an den Märkten abgegeben hat, und dass sie die Situation bewerten und die Anleger:innenaktivitäten überprüfen will.

Während die GameStop-Blase eine interessante Episode war, bietet das, was die privaten Investor:innen dort getan haben, keinen wirklichen Ansatz zur Bekämpfung des Finanzkapitals. Finanzunternehmen investieren ständig spekulativ und erzeugen wissentlich Blasen, um Gewinne zu erzielen.
An der Wall Street ist es üblich, die Aktienkurse zu überhöhen: Aktienrückkäufe sind eine der Hauptmethoden, mit denen Unternehmen die Preise künstlich erhöhen, um die Gehälter in der Cheffetage hoch und die Aktionär:innen zufrieden zu halten. Wenn überhaupt zeigt die GameStop-Blase den Sozialist:innen, dass selbst, wenn Arbeiter:innen die Werkzeuge des vom Kapitalismus geliebten Finanzsystems zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, sie ausgeschlossen und bestraft werden. Das System existiert für die wenigen Reichen. Für den Rest von uns bietet das derzeitige System nichts. Es ist nicht einmal etwas, das wir anstreben sollten, „zurückzufordern“.

Die Associated Press berichtete, dass GameStop zu einem „Schlachtfeld geworden ist, auf dem sich Schwärme kleinerer Investoren episch gegen die 1% behaupten.“ Dies könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein: Was mit GameStop passiert ist, ist weder die Art von Rebellion, die wir gegen die Reichen brauchen, noch stellt es einen Schritt näher an den Sozialismus dar. Ja, Kleinanleger:innen haben etwas Geld auf Kosten großer Händler:innen verdient, aber das Finanzkapital als Ganzes bleibt stark und Banken und Hedgefonds kontrollieren die Zügel unserer Wirtschaft. Ein zentralisiertes Finanzsystem, insbesondere eines, das fiktives Kapital und casinoähnliche Gewinnmethoden wie Shorting validiert, wird niemals arbeiter:innenfreundlich sein.

Finanzkriegsführung oder Börsenterrorismus, egal wie geschickt, ist kein revolutionärer Akt. Wenn den Kapitalist:innen eine Lektion erteilt wurde, dann dass sie die Redefreiheit einschränken und die Marktzugänge so schnell wie nötig schließen sollten, um ihre Gewinnpläne zu schützen. Als Sozialist:innen müssen wir die Massen organisieren und das einzige fordern, was uns befreien kann: die Abschaffung dieses verrotteten Finanzsystems.

Dieser Artikel erschien zuerst auf unserer Schwesterseite Left Voice.

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