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„An vielen Stellen am Botanischen Garten wird Outsourcing vorangetrieben“ – Brandbrief an Berliner Abgeordnetenhaus

28.10.2017, Lesezeit 10 Min.
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Der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes Botanischer Garten / Botanisches Museum hat einen Brandbrief an das Berliner Abgeordnetenhaus und den Senat für Wissenschaft und Forschung geschickt, um die Manöver der Freien Universität zu verurteilen. Sie versucht im Rahmen der geplanten Eingliederung neue Bereiche auszugliedern und übergeht die Forderungen der Arbeiter*innen.

Sehr geehrte Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses und des Senats für Wissenschaft und Forschung,

wir begrüßen nach wie vor, dass die Freie Universität die ausgelagerte Betriebsgesellschaft Botanischer Garten und Botanisches Museum nach der erfolgreichen Tarifbewegung wieder an die Freie Universität zurückholen möchte. Zu diesem Zweck finden mit einer Verhandlungskommission, die aus dem Betriebsrat, dem Wirtschaftsausschuss und der Schwerbehindertenvertretung besteht, Interessenausgleichsverhandlungen mit der Freien Universität statt, die die konkreten Bedingungen des Übergangs zum 1. Januar 2018 festlegen sollen. Eine Teilnahme von ver.di an der Verhandlungskommission, wie sie der Betriebsrat vorsieht, wird von der Freien Universität allerdings bis heute rigoros abgelehnt. Ebenso wurde die Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung zunächst abgelehnt. Wir konnten dann gegen erheblichen Widerstand der Freien Universität die Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung durchsetzen und haben dann angesichts der fortschreitenden Zeit mit den Interessenausgleichsverhandlungen begonnen.

Betriebsänderungen statt Betriebsübergang:

In der Öffentlichkeit stellt sich der Betriebsübergang zumeist so dar, als hätte die Freie Universität einen Fehler eingesehen und würde daher nun die Ausgliederung und das Lohndumping von ca. 70 Beschäftigen beenden wollen. Tatsächlich aber fahren die Freie Universität und die Geschäftsführung des Botanischen Gartens in den Interessenausgleichsverhandlungen einen harten und uneinsichtigen Kurs. Gut 20 der derzeit 70 Beschäftigten sind schon aus dem Grund nicht Teil des Betriebsübergangs, weil es sich um Saisonarbeiter*innen handelt. Sie müssen sich mit einer Absichtserklärung der Arbeitgeberin vertrösten lassen, sie unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Machbarkeit gegebenenfalls im nächsten Jahr wieder neu einzustellen. Die Freie Universität hat den Zeitpunkt des Betriebsübergangs klug gewählt, weil die Saisonkräfte zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs in keinem Arbeitsverhältnis zur FU stehen werden.

Hinter dem offiziell von der FU propagierten „Betriebsübergang“ verbirgt sich am Ende ein ganzes Sammelsurium an Betriebsänderungen und Umstrukturierungen mit zum Teil gravierenden Auswirkungen für die Beschäftigten des Gemeinschaftsbetriebes, die nun im Schweinsgalopp umgesetzt werden sollen. Die Freie Universität nutzt hierfür auch geschickt den Wechsel der personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeiten von Betriebsrat zu Personalrat. Dass die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs überhaupt als Betriebsänderung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen ist, streitet die Freie Universität dabei immer wieder gerne ab. Denn diese würde verbindliche Interessenausgleichsverhandlungen notwendig machen. Die bereits geführten Gespräche entpuppten sich dagegen als Forum, der Beschäftigtenvertretung strikt ein ums andere Mal das aus Sicht der FU einzig opportune Verhandlungsergebnis zu kommunizieren: den eigenen Standpunkt.

Umstrukturierung des Bereichs Technik:

Die gravierendste Änderung, die die Freie Universität im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang umzusetzen gedenkt, besteht darin, den Servicebereich Technik nicht in der Zentraleinrichtung des Botanischen Gartens zu belassen, sondern 7 der 9 Beschäftigten in die Freie Universität nach Dahlem auszugliedern. Für den Technikservice im Botanischen Garten ist zu befürchten, dass hier nach der Reinigung das nächste Outsourcing vorbereitet und die Voraussetzungen für den umfassenden Einsatz von Fremdfirmen geschaffen werden sollen.

Bislang werden die technischen Anlagen am Botanischen Garten von sieben Schichttechnikern und zwei Elektrikern überwacht, die auch die Reparaturen durchführen. Die Gewährleistung der technischen Abläufe in den Gewächshäusern und des Botanischen Museums ist konstitutiv an das im Laufe der langjährigen Tätigkeit erworbene Erfahrungswissen und die durch die täglichen Kontrollgänge erworbene Alltagsroutine der für die Technik der Gewächshäuser und des Museums im Botanischen Garten verantwortlichen Techniker*innen gebunden. Rund um die Uhr garantieren sie, dass in den Gewächshäusern die technischen Anlagen so fehlerfrei laufen, dass die Pflanzen optimale Bedingungen vorfinden. Künftig aber, so die Verlautbarungen der Freien Universität, sollen nur noch zwei der bisherigen Schichttechniker als Hausmeister tagsüber an den Wochentagen vor Ort im Botanischen Garten sein. Die anderen 5 sollen in der Hauptleitwarte der FU eingesetzt werden und nur noch bei Havarien in den Botanischen Garten ausrücken sowie gleichzeitig andere Liegenschaften mitbearbeiten. Dasselbe gilt auch für die beiden Elektriker, die gegenwärtig (noch) im Botanischen Garten beschäftigt werden.

Die nächtlichen Kontrollgänge wie auch die täglichen Rundgänge sollen abgeschafft werden. Begründet wird dies damit, dass für die (ferne) Zukunft eine Automatisierung der Gewächshäuser in der Art geplant sei, dass etwaige Störmeldungen direkt an die zentrale Leitwarte der FU übersendet werden. Eine menschliche Kontrolle der Anlagen wird für überflüssig erachtet. Gleichzeitig wird der Umfang der Arbeitsstunden zur Bewirtschaftung der technischen Anlagen im Botanischen Garten nach ersten Berechnungen um zwei Drittel reduziert.

Wie der gegenüber dem Kuratorium formulierte Anspruch, den Betrieb der Gewächshäuser und der Freilandflächen nachhaltig sicherzustellen, angesichts des Wegfalls der täglichen und nächtlichen Kontrollgänge und der Auslagerung der bisher im Botanischen Garten beschäftigten Techniker*innen umgesetzt werden soll, erschließt sich nicht. Vielmehr stellt es sich bereits jetzt trotz erfolgter Modernisierungen und neuer Gewächshäuser so dar, dass die neue Gewächshaustechnik genauso anfällig ist wie die alte und eine ständige persönliche Kontrolle und schnelles Handeln zur Schadensabwendung erforderlich machen. Hinzu kommt, dass seit der Übernahme der baulichen Unterhaltung durch die technische Abteilung der FU die Verwaltungslastigkeit zum Schaden des Botanischen Gartens führt, da erst über Umwege und durch lange Bearbeitungszeiten Fremdfirmen beauftragt werden, um gemeldete Schäden zu beheben.

Die finanziellen Mittel stehen demnach zur Verfügung, nur erscheint es uns unlogisch mit diesen viele Verwalter und Fremdfirmen zu beauftragen. Aus unserer Sicht ist es sinnvoll und zukunftsfähig, permanent eigenes sach- und ortskundiges Personal einzusetzen.

Vorbereitung des nächsten Outsourcings?

Es ist schon jetzt absehbar, sollten künftig nur zwei Hausmeister*innen am Botanischen Garten verbleiben, dass diese ihre Dienste auf Dauer nicht zufriedenstellend werden leisten können. Die Leidtragenden der Ausgliederung des Servicebereichs Technik werden auch die Gärtner*innen vor Ort sein, die keinen konkreten Ansprechpartner mehr haben, der auftretende technische Defekte und anfallende Kleinreparaturen an Werkzeug und Arbeitsmitteln Hand in Hand mit ihnen schnell und problemlos beheben kann. Zwangsläufig wird sich ein verstärkter Einsatz von Fremdfirmen ergeben. Diese Fremdfirmen werden dann genau das machen, was die Beschäftigten des Technikservice bereits jetzt erledigen.

Genau so wurde auch beim Outsourcing des Servicebereichs Reinigung verfahren. In der Reinigung wurde ebenfalls zunächst Personal abgebaut und anschließend qualitative und quantitative Mängel geltend gemacht, mit denen dann die Notwendigkeit des Outsourcings begründet wurde.

Vom ursprünglich angedachten Betriebsübergang analog zum BGB § 613 a ist man mit diesen Plänen zur Betriebsänderung weit entfernt.

Vorenthaltung des Personalstrukturplans 2018plus:

Um diese Vorhaben zu kaschieren, werden die Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats konsequent ignoriert. Unsere Fragen zum Betriebsübergang werden seit Monaten mit nichtssagenden „Copy & Paste – Antworten“ oder überhaupt nicht beantwortet. Uns liegt nicht einmal eine Personalstrukturplanung für die Jahre 2018plus vor, in der die vom Betriebsübergang betroffenen Beschäftigten dann mit ihrem neuen Beschäftigungsverhältnis bei der Freien Universität abgebildet sind. Auch ein Organigramm für den künftigen Einsatz der mittleren und oberen Führungsebene wird nicht zugestellt. Inzwischen haben wir erfahren, dass außerhalb der Interessenausgleichsverhandlungen auf einzelne Beschäftigte zugegangen wurde – mit der Information, dass man nach dem Betriebsübergang nicht mehr mit ihnen plane. Andere Beschäftigte zum Beispiel im Besucherservice, die eigentlich laut einem von der Freien Universität zugestellten Planungsszenario an die Freie Universität mit übernommen werden sollten, bewerben sich vergeblich zu dritt auf nur eine ausgeschriebene Stelle.

Auf Anfrage zum Personalstrukturplan 2018plus wurde uns kurzerhand mitgeteilt, dass es künftig keine feste Zuordnung der Gärtner*innen und Gartenarbeiter*innen in Sammlungsbereichen mehr geben soll. Es gäbe künftig nur noch zwei Bereiche: Freiland & Gewächshausbereich, in denen Gärtner*innen hin und her verschoben werden können. Das alles sorgt für große Unsicherheit und alle stellen sich die Frage, was von dem einfachen Betriebsübergang nach BGB 613a – alle Beschäftigten wechseln aus dem Gemeinschaftsbetrieb und die Betriebsgesellschaft zur Freien Universität – überhaupt noch übrig? Die Bezeichnung „Betriebsübergang“ erweckt in der Öffentlichkeit vielmehr den falschen Eindruck von Kontinuität im Botanischen Garten. Jedoch hinter den Kulissen werden ohne die Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte weitreichende Betriebsänderungen vorangetrieben und nicht mehr zu ändernde Fakten geschaffen! Aus dieser Unsicherheit resultiert unsere Forderung den Interessenausgleich mittels einer Betriebsvereinbarung verbindlicher zu regeln. Auch dieser Vorschlag wird von der Freien Universität strikt abgelehnt. Man möchte keine verbindliche Regelung um sich auf Kosten der Beschäftigten alles offen zu halten.

In den Interessenausgleichsverhandlungen wird uns regelmäßig mitgeteilt, dass, sollte es zu keiner Einigung kommen, der Betriebsübergang nach Vorgaben des Präsidiums „einfach durchgezogen“ wird. Wir, der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes, sind ab dem 01.01.2018 nicht mehr im Amt, daher versucht das Präsidium nun genau über diesen Zeitpunkt hinaus Informations- und Mitbestimmungsansprüche des Betriebsrats auszusitzen. Auch wo und wie die Beschäftigten des Gemeinschaftsbetriebes in Zukunft eingesetzt werden, möchte man mittlerweile lieber nach dem 01.01.2018 entscheiden.

Weiche Landung für die Verantwortlichen:

Das Betätigungsfeld eines Geschäftsführers, der in den letzten Jahren durch eine ganze Reihe an Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz und auch durch hartes persönliches Vorgehen gegen einzelne Betriebsräte negativ aufgefallen ist und für Schlagzeilen gesorgt hat, bleibt demgegenüber ohne weiteres erhalten. Für ihn soll sogar eine neue Abteilung in der Zentraleinrichtung geschaffen werden, so dass garantiert ist, dass er etwaigen Synergieeffekten nicht zum Opfer fällt. Künftig soll er mit einem hochdotierten Abteilungsleiterposten im öffentlichen Dienst ausgestattet werden mit der Verantwortung für den Bereich Garten, für den er über keinerlei Ausbildung verfügt.

Mehr Personal für den Botanischen Garten?

Die von der FU dabei ins Auge gefassten Personalverlagerungen aus dem Botanischen Garten in die technische Abteilung der FU sind umso erstaunlicher, als sie weder sachlich geboten noch vor dem Hintergrund darstellbar sind, dass die Zentraleinrichtung gegenüber dem Senat zu Recht immer wieder mehr Haushaltsmittel für neue Stellen einzufordern versucht. Würde man den gegenwärtigen Plänen der FU folgen, würden der Botanische Garten und das Botanische Museum gegenwärtig nicht über zu wenig, sondern ganz offensichtlich über zu viel Personal verfügen. Denn anders wäre das Herausziehen des Servicebereichs Technik mit neun Beschäftigten aus dem Botanischen Garten, nicht erklärbar. Uns erschließt sich nicht, wie ein zusätzlicher Personalbedarf, ohne den genauen Personalstrukturplan 2018plus erörtert zu haben, überhaupt seriös angemeldet werden kann.

Synergieeffekte sind von der Maßnahme jedenfalls nicht zu erwarten, sondern allenfalls ein neues Einfallstor für den verstärkten Einsatz von Fremdfirmen und neues Outsourcing im Bereich Technik des Botanischen Gartens. Und es handelt sich hierbei keineswegs um gewagte Spekulationen. Nahezu zeitgleich mit Abschluss des Tarifvertrages für die Beschäftigten der Betriebsgesellschaft wurde unsere hauseigene Tischlerei outgesourct, obwohl sie fester Bestandteil des Tarifvertrages war. Sie ist (war) ebenfalls dem Bereich Technik zugeordnet. Auch an vielen anderen Stellen am Botanischen Garten wird Outsourcing vorangetrieben.

Wie geht es weiter?

Uns ist bewusst, dass Sie als Verantwortliche im Senat mit der Ausfinanzierung der Tariferhöhungen für die Beschäftigten der Betriebsgesellschaft einen hohen Anteil an den Verbesserungen der Arbeitsbedingungen am Botanischen Garten haben, wofür wir Ihnen ausdrücklich danken. Als der Tarifvertrag im Dezember 2016 unterzeichnet wurde, waren wir alle froh, dass dieses Kapitel nun versöhnlich beendet werden konnte.

Um nun unter Wahrung der Interessen der Beschäftigten einen Betriebsübergang durchführen zu können ist es zwingend erforderlich, dass mit uns, den Interessenvertretungen tatsächlich auf Augenhöhe verhandelt wird. Es muss der Personalstrukturplan 2018plus Bestandteil des Interessenausgleiches werden sowie Regelungen zu Arbeitszeiten, Tätigkeiten und Einsatzorten. Alles andere wäre gegenüber den Beschäftigten nicht vermittelbar. Die Folge wäre sonst, dass nach dem sogenannten Betriebsübergang eine unüberschaubare Anzahl an Beschäftigten am Botanischen Garten erneut in Bedrängnis geraten.

Dass es sich bei den Plänen der Freien Universität offensichtlich nicht nur um einen Betriebsübergang handelt, haben Beschäftigte, ihre Interessenvertretungen und Unterstützergruppen bereits erkannt. Sie fordern in einer Stellungnahme die schnelle und reibungslose Eingliederung der drei Bereiche Besucherservice, Gartenservice und Technikservice in die Zentraleinrichtung Botanischer Garten / Botanisches Museum. Sie möchten mit ihrer Position sicherstellen, dass nachfolgendes Ziel weiterhin Bestand hat:

Ein Betrieb, eine Belegschaft, einheitliche zuständige Interessenvertretungen, die durch Orts- und Sachnähe, die Interessen aller im Botanischen Garten tätigen Mitarbeiter/innen gleichermaßen vertreten sollen.

Bei den zuletzt gemachten Erfahrungen wurde für uns erneut deutlich, dass eine wie in der Stellungnahme geforderte einheitliche Interessenvertretung gerade zum Schutz der Beschäftigten am Botanischen Garten zwingend notwendig ist.

Für das Erreichen dieses Ziels werben wir um Ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen

Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes Botanischer Garten / Botanisches Museum

Der Brandbrief wurde am 27. Oktober hier veröffentlicht.

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