Amazon bestraft Kranke – die Beschäftigten streiken

10.04.2017, Lesezeit 3 Min.
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Bei Amazon wird Beschäftigten der Lohn gekürzt, wenn sie krank sind. Nicht nur das: Auch ihre Kolleg*innen verdienen dann weniger. Es gibt aber auch Protest gegen dieses System aus Leistungsdruck und gegenseitiger Kontrolle.

Beim Onlineversandhändler Amazon gibt es ein an Krankheitstage gekoppeltes Prämienmodell. In der Amazon-Betriebsvereinbarung heißt es dazu: “Ziel des Neugestaltung ist eine Reduktion der sogenannten paid-sickness-rate”. Im Klartext heißt das, dass kranke Mitarbeiter*innen mit Kürzungen von bis zu 10 Prozent ihres Bruttolohns bestraft werden sollen.

Boni oder Gehaltskürzung?

In der Betriebsvereinbarung und in offiziellen Statements spricht Amazon von Boni und argumentiert, dass Arbeiter*innen im Krankheitsfall ja nicht der Lohn, sondern nur ein Bonus gekürzt wird. Man sollte sich aber vor Augen halten, dass Amazons Lohnsystem stark auf Boni und Prämien aufbaut, wie zum Beispiel den Erfolgsprämien. Dadurch müssen Angestellte, um den gleichen Lebensstandard wie im letzten Monat zu erreichen, mindestens genau so wenig krank sein und genauso hart arbeiten wie im Monat davor. Dadurch entsteht ein permanenter Leistungsdruck, der in vielen Fällen genau zu einem führt – zu mehr Krankheiten.

Kranke werden zu Kamaradenschweinen

Der Gesundheitsbonus basiert aber nicht nur auf individuellen Krankheitstagen, sondern auch auf den Krankheitstagen von Kolleg*innen derselben Abteilung. Wenn also Mitarbeiter*innen aus einer Abteilung oft krank sind, bekommen alle aus der Abteilung weniger Lohn. Somit entsteht durch die Gesundheitsprämie neben dem individuellen Leistungsdruck auch eine starke negative Abhängigkeit von den anderen Beschäftigten. Sie werden dadurch gegeneinander ausgespielt.

Arbeiter*innen werden auf Grund dieses Lohnmodells gezwungen, auch krank zur Arbeit zu erscheinen, um nicht unter der doppelten Bestrafung des Lohnmodells und dem Unmut der Kolleg*innen zu leiden. Daran ist auch gut zu erkennen, dass diese System nur auf kurzfristigen Profit für Amazon und nicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter*innen ausgelegt ist.

Gegenwind aus Belegschaft und Gewerkschaft

Amazon zog durch die Einführung dieses Prämienmodells einiges an Aufmerksamkeit von Presse und Gewerkschaften auf sich. Ver.di hatte dazu am Freitag, dem „Weltgesundheitstag“, an vier Standorten zum Streik aufgerufen. Die Beschäftigten kämpfen nun schon seit genau vier Jahren mit Streiks tapfer für einen Tarifvertrag und bessere Bedingungen beim Onlinehändler. Und auch wenn Amazon es abstreitet: Sie haben dabei schon einige Verbesserungen durchsetzen und Angriffe zurückschlagen können. Um den Tarifvertrag zu erreichen, ist aber noch einiges an Kämpfen nötig.

Umso besser, dass es nun wieder zu koordinierten Aktionen an mehreren Standorten kam. Damit wurde die Strategie vereinzelter Streiks, wie es sie in der letzten Zeit unter dem Stichwort der „Nadelstichtaktik“ gegeben hatte, zumindest unterbrochen. Dies ist wichtig, um die volle Kampfkraft der Kolleg*innen zu entwickeln. Es erleichtert auch die Solidarität aus anderen Sektoren.

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