Ägypten: Stoppt das Massaker!

18.09.2013, Lesezeit 6 Min.
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// Nieder mit dem Putsch! Für die unabhängige Mobilisierung der ArbeiterInnen! //

Die bestialischen Massaker mit circa 1.000 Toten bei der Räumung der Zeltstädte der Muslimbruderschaft, die massenhafte Verhaftung von Führungspersonen und Mitgliedern dieser Organisation, die Repression gegen die Streiks wie bei Suez Steel und die Ausrufung des „Ausnahmezustands“ zeigen klar und deutlich den tiefgründig reaktionären Charakter der zivil-militärischen Regierung, die aus dem Putsch vom 3. Juli hervorgegangen ist. Als hätte noch ein Beweis gefehlt, ließ die ägyptische Justiz auch den Ex-Diktatur Mubarak frei. Zwar übernahm die Regierung die Macht mit dem Versprechen von Wahlen innerhalb der nächsten sechs Monate. Doch sie greift auf konterrevolutionäre Methoden zurück, um die militärische Kontrolle über die Situation zurückzuerlangen.

Auch wenn sie vom Präsidenten des Verfassungsgerichts Adi Mansur angeführt wird und zivile Figuren beinhaltet, ist ihr „starker Mann“ der General al-Sisi. Er ist der Chef der Armee und Verteidigungsminister. Es ist im Grunde genommen eine „Marionettenregieurng“ der Militärs, die mit der Zusammenarbeit von bürgerlich-liberalen und reformistischen Sektoren eingesetzt wurde. Sie stützt sich auf die breite Ablehnung der Massen gegenüber dem abgesetzten Präsidenten Mursi. Die Mursi-Regierung war eine „Ablenkungsregierung“, die aus Wahlen hervorging und von Abkommen zwischen der Muslimbruderschaft und der Armee aufrechterhalten wurde. Das ganze lief unter der Zustimmung des Imperialismus. Die Mursi-Regierung hat den Repressionsapparat aufrechterhalten und versucht, einen neoliberalen und proimperialistischen Kurs durchzusetzen. Sie arbeitete mit einer islamisierenden Verfassung, die die demokratischen Freiheiten angriff, die beim Sturz der Mubarak-Diktatur errungen wurden. Des Weiteren versuchte sie, sich uneingeschränkte Macht zu sichern. Dies stieß einen sehr breiten Prozess von Massenmobilisierungen an, der drohte, die Mursi-Regierung auf revolutionärem Wege zu stürzen.

Der Putsch des 3. Juli versuchte, diese Massenmobilisierung politisch zu enteignen und einen reaktionären Ausweg aus der zugespitzten politischen Krise durchzusetzen. Der Versuch, die Muslimbruderschaft in diesen Plan zu integrieren, scheiterte an ihrer Forderung der Wiedereinsetzung von Mursi. In der Folge begann die neue Regierung eine grausame Eskalation der Repression, wodurch ihre bonapartistischen Züge klar erkenntlich wurden.

Zwar gibt es bei wichtigen Sektoren der Bevölkerung einen gewissen Glauben in die Armee und ihre Versprechen. Jedoch fordern ihre brutalen Repressionsmethoden einen hohen politischen Preis, schwächen die Legitimität der neuen Regierung und entblößen die Widersprüche und Grenzen, vor denen sie steht. Es wird sich noch zeigen, ob sich ein „Fahrplan“ hin zu beschränkten Neuwahlen und einer „retuschierten“ reaktionären Verfassung durchsetzt, die den islamistischen Einfluss begrenzen und die fundamentalen Positionen der ägyptischen Großbourgeoisie, des Militärs und des Imperialismus sichern würde. Oder ob die Situation offenere diktatorische Züge annimmt.

Der Imperialismus ließ den Putsch geschehen und weigert sich, ihn als solchen zu definieren. Stattdessen unterstützt er die Militärs, ihre Verbündeten und wichtigsten AgentInnen in Ägypten. Dennoch beginnt er, einige lauwarme Gesten des Drucks auszutesten. So die Aussetzung der Waffenverkäufe durch die EU oder die Verzögerung in der Auszahlung der Militärhilfen durch die USA. Damit soll der Kurs beeinflusst werden, den die Regierung in Kairo in einer verschärften Situation einnehmen muss. Denn wenn sie über die Kräfteverhältnisse hinausschießt, könnte dies zu neuen Massenaufständen führen. Auf einer regionalen Ebene kann die Militärregierung auf die Unterstützung der reaktionären Monarchie Saudi-Arabien und auf Isreal zählen. Erstere zermalmte mit ihren Panzern die Aufstände in Bahrain und zielt darauf, den Prozess des „arabischen Frühlings“ zu liquidieren. Israel wiederum sieht im Sturz der Muslimbruderschaft eine Möglichkeit zur Schwächung der Hamas.

Die Liberalen und NationalistInnen reihten sich in den Putsch ein und gaben den Militärs und ihrem Plan Rückendeckung. Einige haben sich distanziert, um sich als mögliche politische Alternative für die Zukunft zu erhalten. So zum Beispiel el-Baradei, der als Vizepräsident zurücktrat und ins Exil in die Schweiz ging. Doch das ändert nichts an ihrer unheilvollen Rolle in der Zusammenarbeit mit den Militärs und dem Imperialismus.

Leider unterstützte auch ein Großteil der Führungen mit Einfluss bei Sektoren der Jugendavantgarde den Putsch. Dies geschah unter der falschen Sichtweise, dass es, weil die IslamistInnen reaktionär sind, keinen anderen Ausweg als die Unterstützung der „laizistischen“ Variante des Übergangs gäbe. Und diese würde heute von Mansur und al-Sisi repräsentiert. So unterstützt die Bewegung Tamarod (Rebellion), die die Kampagne gegen Mursi anführte, die Militärs. Sie rechtfertigt die Repression gegen die Islamistinnen, weil sie „TerorristInnen“ seien . Und der Ex-Präsident der Föderation Unabhängiger Gewerkschaften, Abu Aita, nahm den Posten als Arbeitsminister an und ruft dazu auf, die Streiks zu beenden.

Trotz der reaktionären Maßnahmen der Regierung ist der revolutionäre Prozess noch nicht niedergeschlagen worden. Er bleibt offen, wobei er durch die Wirtschaftskrise und die tiefgründigen Erwartungen der Massen, die große politische Erfahrungen machen, neues Feuer bekommt. Die Interessen der ArbeiterInnenklasse und der armen Massen stoßen auf diejenigen der Militärkräfte. Letztere haben die Rolle des nationalen Schlichters an sich gerissen, kontrollieren ein Drittel der Wirtschaft und sind eng mit dem aktuellen „Modell“ der Ausbeutung und mit den Vereinbarungen mit dem Imperialismus verbunden. Dies wirft ein Szenario der Konfrontation zwischen den ArbeiterInnen und der „zivil-militärischen“ Regierung auf.

Ausgehend von der Denunzierung der Massaker und der Repression durch die Armee und ihre zivilen Komplizen, aber ohne irgendein Vertrauen in die Muslimbruderschaft zu setzen, die schon ihren reaktionären Charakter gezeigt hat, als sie an der Macht war, ist es notwendig, die unabhängige Mobilisierung der ArbeiterInnen, der Jugend und der Massen zu entwickeln, um die Putschregierung zu stürzen und eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung durchzusetzen. Diese muss wirklich frei und souverän sein. Sie muss auf den Ruinen des Regimes aufbauen und von einer provisorischen Regierung der Organisationen der ArbeiterInnen und der Massen, die den Kampf anführen, garantiert werden.

22. August 2013

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