„Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist in einem imperialistischen Land die Frage der Revolution wieder in aller Munde“

21.12.2018, Lesezeit 4 Min.
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Am Donnerstag demonstrierten 150 Menschen vor der Französischen Botschaft am Brandenburger Tor in Berlin unter dem Motto "Solidarität mit dem Kampf der Gelbwesten in Frankreich". Stefan Schneider sprach für Klasse Gegen Klasse über den Aufstand in Frankreich und die sozialen Forderungen hier in Deutschland.

Von Berlin aus senden wir heute unsere Solidarität mit dem Aufstand der #GiletsJaunes in Frankreich, der den französischen Staat in seinen Grundfesten erschüttert hat.

Seit über einem Monat gehen regelmäßig hunderttausende Menschen gegen die Kürzungspolitik des verhassten Präsidenten Emmanuel Macron auf die Straße. Sie stellen sich der ungeheuerlichen Polizeirepression entgegen, die schon hunderte Schwerverletzte und sogar Tote gefordert hat. Wir verurteilen die beispiellose Militarisierung, die die größten Ausmaße seit 1968 erreicht hat.

Die übergroße Mehrzahl der Forderungen der Gelbwesten zeigt, zu welchem Elend die Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse, die Rentner*innen, die Jugend, die Frauen, die Migrant*innen geführt haben.

In Frankreich hat die Bewegung inzwischen erste Siege errungen und sich ein höheres Ziel gesetzt: „Macron, démission!“ Macron muss zurücktreten – und nicht nur er, die ganzen undemokratischen Institutionen des Präsidialsystems müssen weg.

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist in einem imperialistischen Land so die Frage der Revolution wieder in aller Munde. Das ist eine enorme Gegentendenz zu dem Aufstieg reaktionärer Kräfte wie Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien oder Salvini in Italien, oder auch dem Aufstieg der AfD hier in Deutschland.
Die sozialen Forderungen – Erhöhung des Mindestlohns, Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Erhöhung der Renten und Sozialleistungen und ihre Anpassung an die Inflation – sind Forderungen, die wir auch hier in Deutschland erheben.

Hartz IV hat Millionen von Menschen in Elend gestürzt, es muss weg und ersetzt werden durch ein unbefristetes, sanktionsfreies Arbeitslosengeld, das nicht an Bedingungen geknüpft ist und den Lebensstandard von Facharbeiter*innen decken kann. Wir wollen außerdem die Verteilung der Arbeit auf alle. Dazu fordern wir eine radikale Senkung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich, sowie die Aufstockung des Personals in der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie Erziehung, Soziales, Verkehr oder Gesundheit.

Gegen Massenentlassungen und Betriebsschließungen fordern wir die entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung dieser Betriebe unter Arbeiter*innenkontrolle. Genauso fordern wir die Angleichung der Löhne in Ost und West und das Ende jeglicher Benachteiligung von Menschen im Gebiet der ehemaligen DDR, als Teil eines allgemeinen Programms für gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Auch für Geflüchtete und Migrant*innen insgesamt, die häufig zu illegalisierter, unsicherer Arbeit gezwungen werden.

Für alle Menschen ohne deutschen Pass fordern wir daher die gleichen Rechte wie für Deutsche, insbesondere Bleiberecht, Arbeitsrechte und demokratische Rechte. Wir fordern freien Zugang zu Bildung und das Recht auf einen Ausbildungs- oder Studienplatz für alle. Außerdem fordern wir eine Abschaffung des Lagersystems und die Möglichkeit des Familiennachzugs für alle Geflüchteten.

Wie können wir dieses Programm erkämpfen?

Die Bewegung in Frankreich hat erstens gezeigt, dass durch Bittstellerei nichts erreicht wird, sondern nur durch die Konfrontation mit dem Staat.
Sie hat aber auch gezeigt, welche verräterische Rolle die Spitzen der reformistischen Parteien und Gewerkschaftsverbände gespielt haben. Statt den Kampf der Gelbwesten mit aller Kraft zu unterstützen – und so auch den Versuchen von rechts, die Bewegung zu vereinnahmen, einen Riegel vorzuschieben –, paktieren sie mit Macron, um den „sozialen Frieden“ wiederherzustellen.

Deshalb müssen wir uns an der Basis der Gewerkschaften selbst organisieren. Wir müssen Komitees zum Kampf gemeinsam mit antirassistischen Initiativen, sozialen Bewegungen und der Schüler*innen- und Studierendenbewegung aufbauen, um die Kämpfe zusammenzuführen. Wir müssen den Gewerkschaftsführungen den Generalstreik aufzwingen. Nur so können wir die Gewerkschaften als Kampforgane unserer Klasse zurückerobern. Das ist die Aufgabe von Linken und kämpferischen Gewerkschafter*innen heute – in Frankreich wie in Deutschland.

Wir stehen heute hier, um unsere internationalistische Solidarität zu bekräftigen. Wer heute noch nicht begriffen hat, dass unser Kampf nur international sein kann; wer heute noch nicht begriffen hat, dass die Arbeiter*innenklasse kein Vaterland hat und nur über alle Grenzen vereint gegen das Kapital und den Imperialismus kämpfen kann, sollte genauer hinschauen: nicht Grenzen sind schuld an unserer Armut, nicht die unter Mindestlohn beschäftigte Leiharbeiterin drückt unsere Löhne, sondern Großunternehmen und Regierungen im Dienste des Kapitals.

Hoch die internationale Solidarität mit den Gelbwesten in Frankreich! Nieder mit Macron und seiner 5. Republik! Für den Generalstreik!

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