Vielfalt in Kitas einschränken: Die CDU will eine weitere Forderung der AfD umsetzen

22.06.2025, Lesezeit 5 Min.
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Drei Kinder mit Erzieherin im HF (das spätere WF) Kinderheim (Kinderheim im Sinne einer Kindertagesstätte). Besteller: Hobner, Abteilung: k.A. Foto, Juli 1954, CC BY-NC-SA

Die CDU möchte, dass in Kitas weniger über Vielfalt und insbesondere queere Lebensrealitäten gesprochen wird.

Das „Berliner Bildungsprogramm für Kitas und Kindertagespflege“ (kurz: Berliner Bildungsprogramm) soll dieses Jahr überarbeitet und neu herausgegeben werden. Statt Fortschritten und neuen pädagogischen Erkenntnissen könnte es jedoch erhebliche Rückschritte enthalten, wie der Tagesspiegel berichtete.

Der Entwurf, der unter der Aufsicht der Bildungssenatorin in Berlin, Katharina Günther-Wünsch (CDU), erstellt wurde, sieht vor, dass „zentrale Inhalte zur Anerkennung und aktiven Thematisierung von Diversität, queeren Lebensweisen, geschlechtlicher Vielfalt und diskriminierungskritischer Bildung komplett gestrichen oder auf ein Minimum reduziert“ werden sollen, so Alexander Freier-Winterwerb, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der SPD, zu dem bislang intern vorliegenden Entwurf.

Doch was bedeutet das? Das Berliner Bildungsprogramm ist die zentrale Handreichung für Erzieher:innen und Beschäftigte in der Kindertagespflege in Berlin. Für verschiedene Themen wie Gesundheit, Kommunikation oder Natur und Technik legt es dar, was die Ziele zur Förderung der Kinder sind und gibt Tipps für Bildungsangebote und Projekte zu den Bereichen. Im Berliner Bildungsprogramm steht aktuell zum Beispiel, dass es wichtig ist, dass jedes Kind mit seiner Familienform akzeptiert wird (S. 85).

„Familien haben nicht nur unterschiedliche Potentiale für ihre Lebensgestaltung, sie sind auch unterschiedlich betroffen von Abwertungen und Ausgrenzung auf Grund des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Orientierung, einer Behinderung, der Hautfarbe, der Religion, der ethnischen Herkunft, der sozioökonomischen Lage“ (S. 86), wird im Berliner Bildungsprogramm richtigerweise festgestellt, mit einem Appell an Pädagog:innen, die verschiedenen Lebensrealitäten der Kinder anzuerkennen und dementsprechend antidiskriminierend zu arbeiten. Kindern sollen laut dem Bildungsprogramm bestärkt werden, Stereotype zu hinterfragen, wie dass ein Junge nicht Ballett tanzen könne oder dass der beige Stift die „Hautfarbe“ repräsentieren würde. 

Welche negativen Folgen es für das Selbstbewusstsein und das Zugehörigkeitsgefühl von Kindern haben kann, wenn ihr Familienmodell in der Kita keinen Platz haben darf, habe ich bereits anhand einer Kritik des Wahlprogramms der AfD ausführlich beschrieben.

Mit der von der CDU angestrebten Änderung würde den Pädagog:innen nicht verboten werden, über Diskriminierung oder verschiedene Lebensrealitäten zu sprechen. Jedoch ist zu befürchten, dass es in der Ausbildung einen kleineren Platz finden könnte als bisher, da die Erzieher:innenausbildung in Berlin eng mit dem Berliner Bildungsprogramm arbeitet. Für Pädagog:innen wäre es bei Widerständen aus dem Team oder aus der Leitung schwieriger, Projekte zu verschiedenen Familienformen durchzuführen, wenn sie keine rechtliche Grundlage haben, auf der sie dies tun sollen. Der neue Entwurf des Berliner Bildungsprogramms bedient sich dem AfD-Programm, welches ein komplettes Verbot der Behandlung queerer Themen in der Kita fordert, um einen Angriff auszuführen, der Familien und Pädagog:innen trifft.

Unabhängig davon, ob die SPD dem Entwurf des CDU-geführten Ministeriums noch etwas entgegensetzen kann (oder möchte), ist es eine alarmierende Entwicklung für Kinder und Familien sowie Pädagog:innen. Dass ausgerechnet die Bildungssenatorin Günther-Wünsch keine geeignete Person ist, irgendetwas bezüglich Pädagogik oder Kindern zu entscheiden, dürfte vielen mittlerweile klar sein. Vor allem, nachdem sie die kollektive Gefährdungsanzeige der streikenden Erzieher:innen im TV-L nicht annahm. Oder als sie durchsetzen ließ, dass Referendar:innen noch mehr Unterrichtsstunden abhalten müssen als zuvor. 

Die geplanten Änderungen sind Teil des allgemeinen Rechtsrucks, den wir gerade erleben. Er zeigt sich nicht nur in einer stärkeren AfD und vermehrten Angriffen auf CSDs, sondern auch darin, dass bei Bildung der Rotstift angelegt wird und die zu vermittelnden Inhalte mehr und mehr einem konservativen Weltbild entsprechen sollen.

Ein Beispiel hierfür ist die Aussage der CDU-Bildungsministerin Karin Prien, dass an Schulen gendern nicht mehr zulässig sein solle. Welche Inhalte ihnen in Bildungseinrichtungen vermittelt (oder nicht vermittelt) werden, kann erheblich dazu beitragen, das Selbstbewusstsein und der positive Bezug zur eigenen Identität von jungen Menschen zu stärken oder sie eben zu schmälern.

Als Pädagog:innen dürfen wir nicht zulassen, dass der Rahmen, in dem wir lehren und die Kinder stärken dürfen, immer kleiner wird. Wir müssen uns in unseren Betrieben und Gewerkschaften dafür einsetzen, dass jedes Kind so angenommen werden muss, wie es ist, und dass wir den Kindern Wissen an die Hand geben, das ihnen hilft, sich gegen Diskriminierung zu behaupten. Wir müssen Betriebsversammlungen zu den Themen abhalten, die von den Betriebsgruppen und Betriebsräten organisiert werden, um Aufklärung zu dem Thema zu schaffen und zu diskutieren, wie wir gegen diese Angriffe vorgehen können. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat durch ihre Abhängigkeit von Lohnarbeit als angestellte Arbeiter:innen die Kraft, durch Streiks einen materiellen Druck auf die Regierung und ihre rechten Angriffe auf unser Leben auszuüben. Wir müssen unseren Protest gemeinsam aus den Betrieben, Hochschulen und Schulen auf die Straßen tragen. Für kostenfreie, qualitativ hochwertige Pädagogik und Kinderbetreuung unter demokratischer Kontrolle von Beschäftigten und Eltern – finanziert durch die Vergesellschaftung von Großkonzernen und Banken!

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