TVöD: Unbefristet streiken – Aufrüstung stoppen

11.03.2025, Lesezeit 9 Min.
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Foto: KGK

Krankenhaus, Stadtreinigung, Kitas: Diese Woche ist erneut spürbar, wer das Land am Laufen hält. Denn durch die Streiks im öffentlichen Dienst stehen große Teile des täglichen Lebens still. Die Streiks müssen ausgeweitet und mit anderen Sektoren verbunden werden, damit Milliarden in Krankenhäuser und Schulen investiert werden, statt in Panzer.


Kommentar von Yunus, der als Pflegekraft in der Berliner Krankenhausbewegung aktiv ist.

Seit Montag ruft unsere Gewerkschaft ver.di erneut zu Streiks auf, am Montag zunächst an den Flughäfen und in der Berliner Stadtreinigung (BSR) und ab Mittwoch auch im Rest des öffentlichen Dienstes. In Berlin streiken ebenfalls die Beschäftigten der Tochterunternehmen der Berliner Kliniken für ein Ende des Outsourcing wie bei der CFM – Charité Facility Management. Ohne uns Beschäftigte läuft hier nichts – und das wird gerade durch die Streiks deutlich. Doch während wir uns gegen immer schlechtere Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen, wird in den Koalitionsgesprächen über neue Kriegskredite und Aufrüstung diskutiert. Unter dem Deckmantel der „Infrastruktur“ planen Union und SPD Milliarden für Panzer und Rüstung auszugeben, während die wirkliche soziale Infrastruktur weiter vernachlässigt wird und unsere Forderungen ignoriert werden.

Trotz Wochen der Streiks gibt es von der Verhandlungsführerin Nancy Faeser (SPD) und der Regierung bisher keinerlei nennenswerte Zugeständnisse. In der zweiten Verhandlungsrunde gab es noch nicht einmal ein Angebot. Warum blockiert die SPD die Forderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst? Die Antwort ist offensichtlich: Es gibt kein Interesse daran, Milliarden in soziale Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Pflege zu investieren. Stattdessen werden Milliarden in die Aufrüstung gesteckt, die den sozialen Sektor weiter schwächen. Wir können also nicht darauf hoffen, dass bei ihren Gesprächen über die Finanzpakete irgendeine substantielle Verbesserung unserer Situation herausspringt.

Dabei zeigen gerade die Streiks, wer dieses Land am Laufen hält: Jeder kriegt es mit, wenn Busse und Bahnen nicht fahren, die Stadtreinigung, das Bodenpersonal der Flughäfen, die Krankenpfleger:innen oder Kitaerzieher:innen streiken, da sie in essenziellen Bereichen des täglichen Lebens arbeiten. Wenn diese sich zusammenschließen und ihre Streiks ausweiten, dann kann die Regierung unsere Forderungen nicht länger ignorieren. Wie die GEW-Kollegin Inés Heider sagt: „Leute würden nicht mehr zur Arbeit kommen und die Stadt würde zum Himmel stinken, bis die Forderung erfüllt wird, und glaubt mir, das würde dann ganz schön schnell passieren!“

Nein zur Schlichtung – Ja zum unbefristeten Streik

Wir kommen wir nun zu einem sektorübergreifenden, unbefristeten Streik? Leider gibt es einige Hürden.

Vielen Kolleg:innen ist Schlichtung ein Begriff. Schlichtung bedeutet im deutschen Arbeitsrecht, dass die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sich freiwillig darauf einlassen, sich mit Hilfe einer Schlichtungsperson zu einigen. In dieser Zeit dürfen dann keine Streiks mehr stattfinden. In nahezu allen Fällen endet die Schlichtung zu Gunsten der Arbeitgeberseite, da der Druck der Streiks eben weg ist.

Nun existiert jedoch im öffentlichen Dienst (TVöD) die sogenannte Schlichtungsvereinbarung. Sie sieht vor, dass ver.di in eine Schlichtung gehen muss, sobald die Arbeitgeber – also die Regierung – dazu aufrufen. Voraussetzung ist, dass die Tarifverhandlungen nach drei Runden für gescheitert erklärt werden.

Uns droht also eine Schlichtung, falls die dritte Verhandlungsrunde ab dem 14. März scheitert, bevor ver.di zu einer Urabstimmung rufen kann. Leider weigern sich der ver.di Bundesvorstand und die Mehrheit der Bundestarifkommission (BTK) bisher, diese Vereinbarung zu kündigen.

Deswegen ist es notwendig, dass wir uns als ver.di-Mitglieder in Versammlungen dafür stark machen und fordern müssen, dass die Bundestarifkommission (BTK) kein Ergebnis während der Schlichtung annimmt und eine Urabstimmung für einen unbefristeten Streik organisiert. Nur so kann die gesamte Kampfkraft der streikenden Sektoren ausgeschöpft werden, um einen Reallohnverlust für Millionen Beschäftigte abzuwenden.

Vor jeglicher Empfehlung zur Annahme eines Angebotes seitens der Bundestarifkommission (BTK) sollten Versammlungen der Streikenden an Streiktagen organisiert werden, um über das Angebot zu beraten. Denn nach einer Empfehlung seitens der Bundestarifkommission (BTK) steigt der öffentliche Druck durch Äußerungen in Medien auf die streikenden Kolleg:innen so sehr, dass es uns sehr schwer gemacht wird, ein Angebot danach abzulehnen.

Als Gewerkschaft gegen die Aufrüstung ein Zeichen setzen

Gerade weil wir eine Ausfinanzierung von Schulen, Kitas und  Krankenhäusern und bessere Arbeitsbedingungen wollen, müssen wir uns gegen die Aufrüstungspläne stellen. Während die Regierung Milliarden in Panzer stecken will, wollen wir in Krankenhäuser und Schulen investieren. Diese Aufrüstungsmaßnahmen schneiden in unser aller Leben. Es ist notwendig, dass wir uns als ver.di-Mitglieder und als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gegen die Aufrüstungs-Gesetze im Bundestag positionieren. In Versammlungen sollten wir diskutieren und abstimmen, ob und wie wir uns als Gewerkschaft dafür einsetzen wollen, diese zu verhindern.

Ich denke, dass wir uns trauen sollten, auch mal ein Gesetz, das im Bundestag beschlossen werden soll, durch unseren Druck auf der Straße zu verhindern. Denn wir hätten mit den Streiks die Macht dazu. Es braucht nur den politischen Willen. Stellen wir uns vor, was passieren würde, wenn wir als Streikende es ablehnen, einem Angebot zuzustimmen, solange die Gesetzesvorhaben bezüglich der Aufrüstung nicht zurückgezogen werden. Wie lange würde die Regierung halten, falls wochenlang kein Flugverkehr stattfindet, der Nahverkehr nicht funktioniert und der Müll nicht eingesammelt wird?

Doch der Bundesvorstand von ver.di scheint die Aufrüstungsvorhaben zu begrüßen. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke meint: „Der Vorschlag von Union und SPD, die Anrechnung der Verteidigungsaufwendungen im regulären Haushalt zu deckeln und Zusatzausgaben über Kredite zu finanzieren, also keine Steuereinnahmen dafür zu verwenden, geht deshalb in die richtige Richtung.“

Ist das denn wirklich positiv? Es geht nicht um eine Deckelung der Verteidigungsausgaben, sondern im Gegenteil durch deren Ausnahme aus der Schuldenbremse, um ihre Vervielfachung! Ebenfalls stellt Werneke das angekündigte Infrastrukturpaket so dar, als ob es sich vor allem um soziale Investitionen handelt.  Die 500 Milliarden Euro sollen zu großen Teilen aber nicht in Krankenhäuser oder Schulen fließen, sondern in Straßen und Schienen, also in die zivile Kriegsinfrastruktur, um Deutschland kriegstüchtiger zu machen. Selbst Expert:innen bei der Tagesschau leugnen das nicht! 

Verteidigt das EU-Militär wirklich unsere Freiheit als arbeitende Menschen?

Weiterhin erklärt unser Gewerkschaftsvorsitzender Werneke: „Die autoritäre Entwicklung der USA und Trumps neue Nähe zu Putin und anderen Autokraten ist beängstigend. […] Europa muss sich verteidigen können, die Bundeswehr muss einsatzfähig sein.“  Für wessen Interessen soll denn die Bundeswehr einsatzfähig sein? Das Militär von USA, Russland und China wird aufgerüstet, um die Interessen ihrer eigenen Milliardäre mit Waffengewalt zu verteidigen. Es geht darum, Rohstoffe, Handelsketten und billige Arbeitskräfte zu sichern. Wo wirtschaftliche und politische Unterwerfung für diese Ziele nicht ausreichen, dort wird das Militär eingesetzt. 

Verfolgt jedoch die EU andere Interessen? Nein. Auch die Außenpolitik ihrer Regierungen richten sich nach den geopolitischen Profitinteressen der eigenen Milliardäre. Denken wir an das Spardiktat, das Griechenland von EU-Banken auferlegt wurde. Oder an die neoliberalen Reformen wie Privatisierungen, die alle Länder durchführen müssen, um Teil der EU zu werden. Oder daran, dass deutsche Unternehmer unsere Kolleg:innen in Osteuropa als billigere Arbeitskräfte ausbeuten.

Spätestens bei dem Ukraine-Deal um Mineralien, bei dem USA und EU miteinander konkurrierten, um die Rohstoffe der Ukraine für sich zu sichern, oder bei den Riesensummen an Schulden, die ukrainische Arbeiter:innen durch Lohnverzicht bezahlen müssen, muss uns allen klar werden: Den Weltmächten, auch der EU und Deutschland, geht es nie um die Freiheit der arbeitenden Bevölkerung, sondern um die Freiheit der Milliardäre. Wo bleibt die Verteidigung der Freiheit und Demokratie bei den Deals, die die EU und Deutschland mit Erdoğan, Saudi Arabien und mörderischen Regimen in Nordafrika abgeschlossen hat?

Eine weitere Aufrüstung in Europa ist nicht ein Akt der Verteidigung der Demokratie gegen die Autokratien, sondern eine Fortführung der weltweiten Militarisierung und Autokratisierung in Europa. So wie es in der Geschichte immer war: Je offensiver das eigene Militär im Ausland interveniert, desto öfter werden die Grundrechte im Inland eingeschnitten – für das sogenannte „ruhige Hinterland“. 

Es ist offensichtlich, dass die Mitglieder des ver.di-Bundesvorstandes durch ihre Zugehörigkeit zu den Regierungsparteien beeinflusst werden und leider deren außenpolitische Positionen übernehmen. Anstatt Unterstützung für die Regierung zu zeigen, müssen wir als Gewerkschafter:innen aber alles daran setzen, jeden weiteren Krieg, jede weitere Bombe zu verhindern. Denn ihre Kriege sind unsere Toten. Wir sollten unsere Leben und die unserer Kinder nicht für die Profite der Reichen geben.

Merz und Co. entgegentreten!

Die kommende Merz-Regierung hat bereits angekündigt, die Abschiebepolitik weiter zu verschärfen, das Bürgergeld abzuschaffen und die tägliche Höchstarbeitszeit zu erhöhen. Sie richtet sich gegen diejenigen, die ohnehin am meisten unter der Krise leiden. Die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und Schulen werden sich weiter verschlechtern, und die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen werden angegriffen.

Am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, haben zehntausende Menschen in Deutschland gegen diese Entwicklungen demonstriert. Schon in den Wochen vor der Wahl stellten sich Millionen gegen den Rechtsruck. Wir sollten diesen Schwung mitnehmen und mit den aktuellen Streiks verbinden.

Wir brauchen die vollständige Umsetzung aller Forderungen in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst und eine breite Einheit von Arbeiter:innen, Frauen und Migrant:innen, um die Aufrüstungs- und Kürzungspläne zurückzuschlagen. Wir brauchen eine große Protest- und Streikwelle gegen Merz und Co., die sich nicht nur gegen die Regierung richtet, sondern auch gegen die geplanten Kriegskredite und die Erhöhung der Rüstungsausgaben.

Als einen ersten Schritt sollten sich unsere ver.di-Streikversammlungen dringend mit den aktuellen Koalitionsgesprächen befassen und eine klare Position gegen die geplante Aufrüstung einnehmen. 

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