„Stories straight from Gaza“: Warum wir nicht aufhören dürfen, für Palästina zu kämpfen

15.06.2025, Lesezeit 5 Min.
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Bild: Mohammed Shaat // shutterstock

Ein Berliner Kino zeigte die herausragende Dokumentation von Bisan Owda und Ahmad Alive, die von vielen Kinos als zu kontrovers abgelehnt wurde.

Vergangenen Samstag, am 14. Juni, fand im City Kino Wedding (Berlin) eine Filmvorführung unter dem Titel „Stories straight from Gaza to Berlin: BISAN & AHMAD ALIVE“ statt. Gezeigt wurden zwei zusammengehörige Filme der palästinensischen Journalist:innen Bisan Owda und Ahmad Ghunaim (bekannt unter seinem Künstlernamen Ahmad Alive), die das Leben in Gaza kurz vor und während des Genozids dokumentieren. 

Beide produzierten vor dem Genozid Videos für Social Media, wo sie die Kultur, das Essen, die Musik und die Landschaft Gazas zeigten. Ghunaim wollte Reisevlogger werden, aber da er nicht aus Gaza ausreisen konnte, fokussierte er sich darauf, seinen Zuschauer:innen verschiedene Regionen Gazas und ihre Besonderheiten vorzustellen. 

Der Beginn der israelischen Bombardements nach dem 7. Oktober wird in den Filmen, die beide größtenteils mit einer Handykamera gefilmt wurden, in all seiner Grausamkeit gezeigt. So stehen die Wände von Ahmads Haus zum Teil nicht mehr, die Möbel aber schon. Er überlegt, seine Familie zu verlassen und woanders Zuflucht zu suchen, da er befürchtet, dass seine Angehörigen durch seine Tätigkeit als Journalist Repressionen erfahren werden, wenn er dort bleibt. Bisan geht durch ein Haus, in dem Spielsachen und eine Handtasche unter den Trümmern zu sehen sind und sie überlegt, welche Geschichten die Gegenstände erzählen und wie das Leben der Menschen sein könnte, würde das Haus noch stehen. 

Ahmad und Bisan reisen jeweils durch Gaza, von einem angeblich sicheren Ort, der dann doch schlussendlich bombardiert wird, zum nächsten. Der Film zeigt ebenfalls, wie die israelische Armee durch anonyme Anrufe und Flugblätter Falschinformationen verbreitet und Orte als sicher deklariert, die sie kurz darauf angreifen. 

Besonders eindrucksvoll und traurig waren für mich die Szenen, in denen Bisan im Al-Shifa Krankenhaus, in dem vor dem Bombardement über 60.000 Schutzsuchende untergebracht waren, Kinder interviewte. Ein achtjähriges Mädchen, welches ihre Katze mitgenommen hatte und sich darüber freute, dass sie Katzenleckerlis gefunden hatte. Ein neunjähriger Junge, der gerne zur Schule ging, als dies noch möglich war, und nun Kaugummi verkauft, um seine Familie finanziell ein wenig zu unterstützen. Kurz darauf werden Bilder davon gezeigt, wie Bomben das Krankenhaus zerstören. 

Doch die Filme zeigen auch, dass wir nicht aufgeben dürfen, und wir für einen echten Frieden und für ein freies Palästina kämpfen müssen. Ahmad erzählt davon, wie ihn die große Palästina-Solidaritätsbewegung in Südafrika inspirierte, was er als Anlass nimmt, dorthin zu fliehen. Bisan spricht über die Unibesetzungen in den USA und in vielen Ländern Europas, und wie es ihr Hoffnung gibt, dass immer mehr junge Menschen sich weltweit gegen Apartheid und Genozid stellen und dafür auch Repressionen in Kauf nehmen. 

Die Organisator:innen der Veranstaltung berichteten, dass nur zwei Kinos in Berlin für eine Vorführung zugesagt hatten, da die Filme zu kontrovers seien. In Kanada hätten laut Yusuf Omar, einem der Produzenten des Films, mit dem es ein Q&A gab, ganze neun Kinos erst zu- und dann wieder abgesagt. Gemeinsam mit anderen Kolleg:innen hat der ehemalige CNN-Journalist Yusuf Omar die Plattform Seen.tv gegründet, der über 50 palästinensiche Journalist:innen angehören und die ihnen eine Plattform bietet, ihre Geschichten zu erzählen. Er betonte, dass die Filme helfen sollen, Palästinenser:innen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu humanisieren.

Kunst und Kultur müssen politisch sein. Es ist eine Schande, dass so viele Kinos Zensur betreiben, indem sie Filme von Palästinenser:innen aus ihrem Programm heraushalten. Die Beschäftigten in den Theatern und Kinos sollten gemeinsam demokratisch entscheiden dürfen, welche Werke sie zeigen wollen. 

Auch, wenn sich viele Regierungen der europäischen Länder jetzt palästinasolidarischer inszenieren als zuvor, können wir ihnen nicht trauen. Trotz Lippenbekenntnissen zum Leiden in Gaza hat Deutschland die Waffenlieferungen an den genozidalen israelischen Staat nicht eingestellt. Die Menschen in Gaza sind noch immer in Gefahr, wie beispielsweise der Internet-Blackout, der vor wenigen Tagen begann, zeigt. Auch die politischen Versuche, palästinasolidarische Stimmen mundtot zu machen, müssen wir weiter bekämpfen. 

Am 17. Juni steht Anasse Kazib, Eisenbahner und Gewerkschafter, in Paris vor Gericht, wegen einem Tweet, in dem er seine Solidarität mit dem palästinensischen Volk ausdrückte. Zu sieben Jahren möchte die Staatsanwaltschaft ihn verurteilen: Das ist ganz klar ein Versuch, einen Präzedenzfall zu schaffen, um Aktivist:innen in Europa noch stärker kriminalisieren zu können als zuvor. Wenn es dem französischen Staat gelingt, einen landesweit bekannten Sprecher einer linken Organisation für einen Tweet einzubuchten, holt sie sich damit einen Freifahrtschein für maßlose Repression gegen die gesamte Bewegung. In verschiedenen Ländern sind deshalb vor den französischen Botschaften Kundgebungen geplant.

Wir dürfen nicht aufhören, hier im Herzen des Imperialismus über Palästina zu sprechen. Unser stärkster Schutz gegen die Repression ist die Öffentlichkeit. Wir müssen den westlichen Regierungen zeigen, dass sie mit der Schikane und Gewalt gegen die Palästinabewegung nicht unbeschadet davonkommen. Kommt deshalb in Berlin am 17. Juni um 17 Uhr zur französischen Botschaft am Pariser Platz, um gemeinsam für die Freilassung von Anasse Kazib und allen von der Repression Betroffenen zu protestieren.

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