Stonewall was a riot: Pride verteidigen, Rechtsruck zurückschlagen 

21.06.2025, Lesezeit 10 Min.
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Foto: Baki Devrimkaya (KGK).

Kommt mit Klasse Gegen Klasse und Waffen der Kritik zum Christopher Street Day und zur Internationalistischen Queer Pride!

Ob in Bautzen, Zwickau, Freiberg, Landshut oder Leipzig: Schon im vergangenen Jahr wurden CSDs zum Schauplatz rechter Mobilisierungen. Oftmals waren die Teilnehmer:innen auffällig jung, was auch in dem Phänomen neu entstehender extrem rechter Jugendgruppen Ausdruck findet. Neben Angriffen auf Migrant:innen und Linke finden diese in ihrer Queerfeindlichkeit ein neues Betätigungsfeld. In diesem Jahr musste bereits der CSD in Gelsenkirchen aufgrund einer „abstrakten Bedrohungslage“ spontan abgesagt werden, vor dem CSD in Wernigerode kündigte eine Person an, einen Anschlag mit Schusswaffen verüben zu wollen. In Regensburg wurde die Pride-Demonstration, die am 5. Juli hätte stattfinden sollen, ebenso wie in Gelsenkirchen aufgrund einer „abstrakten Bedrohungslage“ präventiv abgesagt, während das Stadtfest weiterhin stattfinden soll. In Schönebeck wiederum lösten Ordnungsamt und Polizei den CSD mit dem Verweis auf angeblich nicht erfüllte Auflagen vorzeitig auf. Gegenüber dem Veranstalter hieß es zunächst von Seiten des Ordnungsamtes, dass ein Auftritt einer nicht-binären Künstler:in nicht politisch genug sei; eine unmittelbar neu angemeldete Versammlung wurde ebenfalls mit der Begründung untersagt, diese sei nicht spontan genug. In Bad Freienwalde stürmte ein Dutzend Vermummter das Straßenfest, das vom Bündnis „Bad Freienwalde ist bunt“ gegen Queerfeindlichkeit, Hass und Rechtsruck veranstaltet wurde. Die Angreifer, die laut Augenzeugenbericht zum Teil mit Quarzsandhandschuhen ausgestattet waren und mindestens zwei Menschen ins Gesicht geschlagen haben, konnten letztlich durch Ordner:innen abgewehrt werden. Zwar ist noch nicht bekannt, wer genau hinter dem Angriff steckt; in Bad Freienwalde seien aber verschiedene extrem rechte Gruppen aktiv wie beispielsweise „Deutsche Jugend Voran“ sowie der „III. Weg“ und die zur Partei gehörende Jugendgruppe „Nationalrevolutionäre Jugend“. 

All diese Vorfälle, die sich innerhalb weniger Wochen ereigneten, zeigen, dass antifaschistischer Selbstschutz notwendig ist. Es gilt also auch in diesem Jahr, CSDs und Pride-Veranstaltungen gemeinsam zu verteidigen, wie es beispielsweise in Saarbrücken bereits geschah: Neun Nazis standen 250 Gegendemonstrant:innen und 60.000 CSD-Teilnehmer:innen gegenüber. Auch Gewerkschaften wie die IG Metall und ver.di rufen zur Beteiligung an den CSD-Paraden auf und weisen daraufhin, dass „[d]er CSD […] mehr als nur eine Party [ist] – er ist ein Fest der Vielfalt, ein Gedenktag und eine wichtige Demonstration für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung“. Ihnen kommt im Kampf gegen Rechts und damit ebenso bei der Verteidigung der CSDs eine zentrale Rolle zu: Die Gewerkschaften sollten ihre Basis zu demokratischen Versammlungen in den Betrieben aufrufen, um über den Aufbau von Selbtschutzkomitees und die Verbindung mit sozialen und politischen Forderungen in kommenden Streiks zu diskutieren. 

Hierbei hat die Partei Die Linke eine besondere Verantwortung, in einem Moment, in dem sie Zehntausende junge Menschen neu organisiert. Die große Welle an Neumitgliedern, von denen viele selbst queer sind, ist im Zuge der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD über deren rassistischen Fünf-Punkte-Plan der Partei beigetreten. Diese ruft ebenfalls bundesweit zu CSDs auf. Wenn sie sich jedoch wie gewohnt nur durch eigene Wagen selbst zur Schau stellt, trägt sie ihrer neuen Verantwortung keine Rechnung. Anstatt sich einer liberalen Partykultur anzupassen, die für die Entpolitisierung unseres Kampfes sorgt, muss sie alle Anstrengungen unternehmen, um die Verteidigung unserer CSDs als ihre zentrale Aufgabe zu verstehen. Die Partei besitzt wichtige Stellungen in den Gewerkschaften des DGB sowie in studentischen Vertretungen, weshalb sie selbst die Organisierung in Betrieben, Unis und Schulen vorantreiben könnte.

Wir brauchen politische Streiks gegen die Kürzungen, zur Verteidigung unseres Streikrechts, gegen Abschiebungen und für offene Grenzen sowie ein Gesundheitssystem, das anstatt auf Profite auf die Bedürfnisse der Menschen und insbesondere auch derjenigen queerer Personen ausgerichtet ist. Da Die Linke in den letzten Jahren durch ihre Anpassung an den bürgerlichen Staat immer wieder gegenteilig handelte, wie beispielsweise durch Abschiebungen während ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin, die Schließung der Geburtshilfe in Neuperlach, die Schließung des Klinikums Links der Weser in Bremen oder ihre Zustimmung zum jüngsten Aufrüstungspaket, muss die politische Linke ein unabhängiges Programm aufwerfen, während wir zur Einheit auf der Straße aufrufen. Nur so kann eine tatsächliche Opposition und antikapitalistische Alternative gegen die extreme Rechte ebenso wie die rassistische, militaristische und queerfeindliche Politik der etablierten Parteien unter Führung der Regierung von Friedrich Merz entwickelt werden. Die Gewerkschaften als Massenorganisationen müssen die antifaschistische Verteidigung der CSDs deutschlandweit organisieren und dabei an die Kämpfe anknüpfen, die seit jeher Teil der queeren Bewegung sind.  

Ursprünglich als Protest gegen die wiederholten Schikanen und Drangsalierungen von Gästen – vor allem Dragqueens, trans Personen und People of Color – der Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street in New York entstanden, gleichen die meisten Pride-Paraden heutzutage eher Pinkwashing-Kampagnen großer Konzerne. In Folge der Politik der Trump-Regierung zogen sich vor allem internationale beziehungsweise US-Firmen aus dem Sponsoring zurück, wodurch beispielsweise den CSDs in Berlin, Köln, München und Nürnberg empfindliche Summen fehlen, die nun ausgeglichen werden müssen. Der CSD in Dresden findet dieses Jahr hingegen unter der Schirmherrschaft des Axel-Springer-Verlages statt, der mit seinen rechten Blättern Welt und Bild regelmäßig gegen queere Menschen hetzt und über seine Immobilienplattform Yad2 von der israelischen Besatzung in Palästina profitiert. Darüber hinaus nehmen regelmäßig queerfeindliche Parteien wie die CSU/CDU sowie Rüstungskonzerne und die Polizei ganz selbstverständlich an CSDs teil, während im vergangenen Jahr ein linker, palästinasolidarischer Block in München im Voraus ausgeschlossen wurde. Ein Jahr später setzt Israel den Genozid in Gaza mit Unterstützung der deutsche Regierung, die weiterhin Waffenlieferungen genehmigt und mit extremen Repressionen gegen die Palästinabewegung vorgeht, weiter fort; auch, indem sie die systematische Aushungerung der Gesellschaft als weiteres Mittel des Völkermords verwendet. Darüber hinaus befahl Benjamin Netanjahu die Bombardierung von Gebieten im Iran, wobei innerhalb der ersten drei Tage bereits mindestens 224 Menschen getötet wurden. Die Führung des CSD in München gibt sich derweil stolz, mit dem israelischen Be’er Sheva, einer Partnerstadt Münchens, verbunden zu sein. Für Palästinenser:innen bedeutet Be’er Sheva dagegen ein Leben unter Besatzung und in Apartheid. Wir lehnen das Pinkwashing, das Konzerne, Regierungen und auch die IDF gleichermaßen betreiben, entschieden ab und kämpfen als Jugendbewegung und Arbeiter:innen gegen Aufrüstung, Militarisierung und den Genozid in Gaza. Veranstaltungen im Sinne des „Rainbow Capitalism“ sollten also nicht darüber hinwegtäuschen, wofür Konzerne, Kriegsbündnisse und Repressionsorgane ansonsten stehen: für die Ausbeutung und Unterdrückung nicht nur, aber auch von queeren Menschen. 

Unterstützung erfahren sie dabei nicht nur von explizit rechten Kräften. So setzten sich in Großbritannien mitunter radikalfeministische Frauenorganisationen inklusive ihrer Gallionsfigur J. K. Rowling für eine Klage ein, die mit einem Urteil des Supreme Courts endete, wonach trans Frauen gesetzlich nicht als Frauen anzusehen sind. Ungarn ließ Pride-Demonstrationen gesetzlich verbieten und legte fest, dass nur zwei Geschlechter existieren, was gleichermaßen eine der ersten Amtshandlungen Donald Trumps war. Dies hinderte den deutschen Staat allerdings nicht daran, eine nicht-binäre Person rechtswidrig an Ungarn auszuliefern. Sollte der US-Senat Trumps „One Big Beautiful Bill“, gegen den seine ehemalige rechte Hand Elon Musk mittlerweile wettert, zustimmen, dann würde dies ein Ende der gesundheitlichen Versorgung von trans Personen durch Medicaid bedeuten. 

Auch in Deutschland ist zu erwarten, dass die massive Aufrüstung Einsparungen und Kürzungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit nach sich ziehen wird, was ebenfalls eine Verschlechterung für queere Personen darstellt – etwa durch Kürzungen bei der queeren Jugendarbeit, aufgrund mangelnder oder nur schwer zugänglicher gesundheitlichen Versorgung oder auch durch die Aushöhlung und Aufhebung von Rechten von Beschäftigten, was in Folge queere Prekarität verstärkt, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Des Weiteren machte die Union unter anderem mit der Position Wahlkampf, das erst im November 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen zu wollen, was so auch von der AfD vertreten wird. Im Koalitionsvertrag nimmt sich die neue Regierung unter Merz, in dessen Kabinett sich einige reaktionäre Kulturkämpfer:innen und Ultrakonservative befinden, eine Evaluierung mit besonderem Fokus auf „die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen“ vor. Nicht nur dürfte dies einen Angriff auf die Rechte von trans Kindern und Jugendlichen bedeuten, sondern darüber hinaus schwingt dabei das Narrativ mit, trans Frauen seien eine Gefahr für cis Frauen oder eben keine Frauen. Hier zeigt sich eine Kontinuität zu Kampagnen aus Kreisen der „Trans Exclusionary Radical Feminists“ (TERFs) sowie dem rechten Kulturkampf von Trump, Musk und Co. 

Diese Entwicklungen können nicht losgelöst von der Krise des Kapitalismus beziehungsweise der Krise der neoliberalen Globalisierung betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund konnte die internationale Rechte erstarken, die nicht nur eine Rückkehr zur nationalstaatlichen Ordnung, sondern auch zu einem traditionellen Familienbild anstrebt. Die bürgerliche, patriarchal organisierte Kleinfamilie inklusive kostenloser Reproduktionsarbeit, die größtenteils von Frauen übernommen wird, ist ein zentraler Baustein der kapitalistischen Gesellschaft. Es ist diese wirtschaftliche und soziale Struktur, die von queeren Menschen zumeist gesprengt wird. Weiterhin sind sexistische und queer- beziehungsweise transfeindliche Ideologien eng mit dem kapitalistischen System verwoben, insofern sie eine Spaltung der Arbeiter:innenklasse verursachen, die wiederum den Interessen der Kapitalist:innen dient. Doch tatsächlich sind die Interessen von Arbeiter:innen und queeren Personen, die ohnehin mehrheitlich Teil der Arbeiter:innenklasse sind, gemeinsame – gleichermaßen richtet sich auch der Rechtsruck sowohl gegen Queers und Migrant:innen als auch gegen Arbeiter:innen und Arbeitslose. 

Queer- und Transfeindlichkeit bleiben jedoch nicht unbeantwortet: Letztes Jahr kam es in Frankreich zu einer Mobilisierung gegen ein transfeindliches Gesetz, an der sich Zehntausende in mehr als 45 Städten beteiligten. Anfang Februar gingen in Argentinien Hunderttausende für die Verteidigung queerer Rechte und gegen die Politik von Javier Milei auf die Straße. Sie verbanden dies mit dem Kampf von Beschäftigten des Bonaparte-Krankenhauses, das 70 Prozent der Leistungen für trans Personen durchführt. Dies gilt es auszuweiten, denn der Kampf für queere Befreiung ist ein Kampf, der nicht isoliert stattfinden kann. Einerseits ist die Arbeiter:innenklasse so queer wie nie zuvor; andererseits heißt für queere Befreiung zu kämpfen immer auch, gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Krieg, Aufrüstung, Patriarchat, Imperialismus und Kapitalismus zu kämpfen. 

Weltweit gingen Millionen Menschen gegen den Genozid in Gaza auf die Straße, in Los Angeles finden massive Proteste gegen die Razzien und Entführungen von migrantischen Personen durch die ICE-Behörde statt. In diesem Sinne gilt es, CSDs wieder zu politischen Veranstaltungen zu machen, die dem Motto der Anfänge folgen: Stonewall was a riot! Lasst uns auch in diesem Jahr die Pride-Demonstrationen gegen die extreme Rechte verteidigen und genauso wie an jedem anderen Tag für eine Welt kämpfen, in der alle frei und selbstbestimmt leben können!

Wir wollen als Klasse Gegen Klasse unter anderem folgende Forderungen in bestehenden Kämpfen und Bewegungen sowie an den Orten, an denen wir aktiv sind – wie den Unis und Betrieben –, stark machen:

Pride verteidigen: Selbstschutz gegen die extreme Rechte organisieren statt auf den Staat vertrauen!

Echte Selbstbestimmung jetzt! Volle Rechte über Körper und Geschlecht! Kostenfreie und unbürokratische medizinische Versorgung bei Geschlechtsangleichung!

Weg mit Paragraph 218!

Für ein Gesundheitssystem ohne Profite und die Enteignung von Pharmakonzernen, da sie nicht im Interesse der Gesundheit von trans Personen funktionieren!

Stoppt die Morde und Gewalt gegen trans Personen! 

Offene Grenzen und gleiche Rechte für alle! Queere Befreiung geht Hand in Hand mit dem Kampf gegen Rassismus!

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, keine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt!

Enteignung von Wohnungskonzernen, um die häufige Obdachlosigkeit und Prekarität von trans Personen zu beenden!

Keine Kriminalisierung von Sexarbeitenden, sondern Kampf gegen die Ursachen, die viele trans Personen dazu zwingen, und Förderung der gewerkschaftlichen Organisierung!

Für eine Aufklärung in Betrieben und Schulen, die weder Geschlecht noch Sexualität diskriminiert!

Kommt mit Klasse Gegen Klasse und Waffen der Kritik zum Christopher Street Day und zur Internationalistischen Queer Pride:

28. Juni: CSD München (Infostand von Brot und Rosen ab 12 Uhr, Stand Nr. R-353, Residenzstraße: vom Marienplatz aus kurz vor Ecke Viscardigasse bzw. vom Odeonsplatz aus kurz nach Ecke Viscardigasse)

26. Juli: Internationalistische Queer Pride Berlin (weitere Infos folgen)

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