Sieg vor Gericht: „From the river to the sea“ nicht strafbar

12.06.2025, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Elaine Toszka / Klasse Gegen Klasse

Im Prozess gegen unsere Genossin hat die Staatsanwaltschaft eine Niederlage eingesteckt. Sie argumentierte, dass die Parole „From the river to the sea“ nicht pauschal ein Verwenden von Kennzeichen „terroristischer Organisationen“, hier der Hamas sei und grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Widersprüche staatlicher Erzählungen offenbaren sich zuweilen auch anhand der Urteile der bürgerlichen Juristerei. So scheiterte die Staatsgewalt bereits im vergangenen Jahr daran, das Verbot der Parole „From the river to the sea“ vor dem Amtsgericht Tiergarten zu behaupten. Im konkreten Fall hatte die Staatsanwaltschaft Berlin unserer Genossin Caro vorgeworfen, die Parole auf der Demo anlässlich des internationalen Frauenkampftags 2024 angestimmt zu haben, und sie deswegen angeklagt und den Erlass eines Strafbefehls beantragt.

Schon vor dem Amtsgericht Tiergarten scheiterte die Staatsanwaltschaft: „Mangels hinreichenden Tatverdachts“ sei der Strafbefehl abzulehnen, heißt es im Beschluss des Gerichts vom 17. September 2024. Allerdings würde der Sachverhalt selbst bei „bei voller Beweisbarkeit nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen“ erfüllen, um als verbotenes Kennzeichen der Hamas zu gelten. Historisch sei die Parole „nicht nur der Hamas, sondern schon länger gleich mehreren palästinensischen Organisationen als kennzeichnend zugeordnet“, wusste das Gericht und lehnte den Erlass des Strafbefehls ab.

Obwohl sich der Ausspruch „From the river to the sea“ grundsätzlich eigne, ein verbotenes Kennzeichen zu sein, handele es sich um eine „auslegungsbedürftige und auslegungsfähige kommunikative Äußerung“, argumentierte die Kammer. Anders ausgedrückt: Der Spruch kann je nach Kontext und Absicht Unterschiedliches bedeuten. Aus dem Ausruf unserer Genossin im Rahmen der Frauenkampftagsdemo am 8. März – immerhin ein halbes Jahr nach dem Angriff der Hamas auf israelische Zivilist:innen und Militärstrukturen, als es „bereits zu Fluchtbewegungen von rund 1,5 Millionen Menschen, Plünderungen und einer schwierigen humanitären Lage im Gazastreifen gekommen war“, wie das Gericht bemerkte – sei „nichts anderes zu entnehmen, als dass in diesem Zusammenhang im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung (auch) auf die Situation der in Gaza lebenden Menschen hingewiesen“ wurde. Das Anliegen der Staatsanwaltschaft, also die Kriminalisierung unserer Genossin für einen Demospruch, wurde entsprechend abgelehnt.

Damit wollte sich die Staatsanwaltschaft jedoch nicht begnügen und legte hiergegen Beschwerde vor dem LG Berlin I ein. Die Argumentation strikt: Die Parole sei sich durch die Hamas zu eigen gemacht worden und das Verwenden der Parole „From the river to the sea“ sei daher immer – ohne Ausnahme – ein Verwendung des Kennzeichens einer „terroristischen Organisation“ und stützte sich zudem auf eine Verfügung des Bundesinnenministerium aus Oktober 2023. Das Berliner Landgericht hatte erst im Herbst 2024 eine Aktivisten wegen des Verwendens der Parole „From the river to the sea“ verurteilt. Doch die nun zuständige Kammer beim Landgericht Berlin I folgte der anderen Kammer nicht.

Entsprechend zufrieden zeigte sich der Verteidiger unserer Genossin, Timo Winter, im Gespräch mit der Redaktion von Klasse Gegen Klasse: „Das ist ein schöner Erfolg und zeigt, dass die jahrzehntelange palästinasolidarische Parole, die lange vor der Existenz der Organisation Hamas existierte, nicht einfach verboten werden kann. Das ist meiner Meinung nach allerdings weniger eine rechtliche Frage, sondern ist vor allem der großen Proteste gegen die israelische Kriegspolitik – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – geschuldet.“ „Ich denke, dass es gerade das Engagement von Personen wie meiner Mandantin ist, das dazu führt, dass die Menschen in Palästina eine Stimme bekommen und auch die Politik Deutschlands angeprangert wird“, so Winter weiter. „Während die Staatsanwaltschaft sogar die Entscheidung des Amtsgerichts nicht akzeptieren wollte, liefert  derselbe Staat, der der zweitwichtigste Waffenlieferant für Israel ist, das nach überzeugender rechtlicher Bewertung, wie von der UN-Sonderberichterstatterin und Rechtswissenschaftlerin Francesca Albanese bestätig wird, einen Genozid in Gaza begeht. Hier soll offenbar darüber hinaus versucht werden, solidarische Stimmen mit Palästina zu kriminalisieren.“

Auch wenn das Ergebnis erfreulich ist, werden wir uns auch in Zukunft nicht auf den Staat verlassen können. Gerade in der jetzigen Phase, in der der Genozid durch Israel in eine neue Phase geht, ist es umso wichtiger, sich für das palästinensische Volk einzusetzen.

AG Tiergarten, Beschluss vom 17.09.2024 – 235 Cs 1071/24 (Link: https://openjur.de/u/2521405.html)
LG Berlin I, Beschluss vom 23.04.2025 – 504 Qs 75/25 (Link: https://openjur.de/u/2521400.html)

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