München: antikapitalistisch und palästinasolidarisch in den Stadtrat

30.10.2025, Lesezeit 8 Min.
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Das Münchner Rathaus beflaggt mit der Fahne Israels – unten spricht der Palästina-Protest. Foto: KGK

Im März sind Kommunalwahlen. Am 11. November wollen wir mit allen Interessierten diskutieren, was es braucht, damit eine antikapitalistische und palästina-solidarische Liste zu den Stadtratswahlen antreten kann.

Mehr als eine Million Münchner:innen werden zum 8. März 2026 aufgerufen, Bürgermeister:in, Stadträte und Bezirksausschüsse neu zu wählen. Wir von Palästina Spricht (PS) und der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO / Herausgeberin der Zeitung Klasse Gegen Klasse) denken, dass es eine unabhängige Alternative zu den etablierten Parteien braucht. Wir laden daher am 11. November um 19 Uhr ins Eine-Welt-Haus (Schwanthaler-Straße 80) ein, um über die Möglichkeiten zur Bildung einer eigenen Wahlliste zu diskutieren.

SPD, Grüne, CSU: Politik für Krieg und Konzerne

Seit über zwei Jahren haben wir von PS und RIO mit der Palästina-Bewegung gegen den Genozid protestiert. Die etablierte Stadtpolitik mit den großen Fraktionen von SPD / Volt, Grünen / Rosa Liste und CSU / Freien Wählern hat seitdem keinen Versuch unterlassen, gegen uns zu hetzen und uns juristisch und polizeilich zu schikanieren. Sie instrumentalisieren den Vorwurf des Antisemitismus, um Kritik am Völkermord mundtot zu machen. Sie wollen nicht, dass Palästina-Solidarität in München einen Platz hat, während sie sogar nach zehntausenden Ermordeten in Gaza die Israel-Fahnen schwenken. Sie sind vereint in der Logik des Militarismus und der Kürzungspolitik. Die Münchner Rüstungsindustrie baut ihre Produktion von Panzern und Drohnen aus, während gleichzeitig an Schulen, kulturellen und sozialen Einrichtungen, Frauenhäusern und Krankenhäusern gespart wird. Diese Parteien stehen für eine Politik der Konzerne und Autoindustrie, für hohe Mieten und die Einschränkung demokratischer Rechte.

AfD: Partei der Reichen und der rassistischen und sexistischen Gewalt

Die AfD zeigt zu verschiedenen Anlässen immer wieder ihre üble Hetze: Besonders gegen Muslime und Migrant:innen, trans- und queere Personen. Sie ist eine extreme pro-Israel-Partei und ein Feind der Jugendlichen und Arbeiter:innen. Sie will Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche und noch härter gegen die Ärmsten vorgehen wie auch gegen die Gewerkschaften. Auch Merz und Söder schließen sich ihrem Diskurs an, wenn sie von einem problematischen „Stadtbild“ sprechen. Von der Hetze von Union und AfD fühlen sich rassistische, frauen- und queerfeindliche Gewalttäter ermutigt. Nicht zufällig ist gerade München eine Stadt mit trauriger Tradition rechter Terroranschläge. Wir müssen uns konsequent der AfD entgegenstellen und der rassistischen Ideologie, die längst in den Parteien der politischen Mitte angekommen ist.

Die Linke: Kompromisse mit rot-grün statt klare Kante

Im Wahlprogramm der Partei Die Linke kommt die Solidarität mit Palästina nur als kleiner Unterpunkt vor – nach zwei Jahren weitgehenden Schweigens. Anstatt den vollständigen Abbruch aller Beziehungen mit dem Apartheidstaat Israel zu fordern, wollen sie die Städtepartnerschaft mit der Kolonialstadt Beʾer Scheva weiter ausbauen. Wir begrüßen jede Teilnahme der Linkspartei an unserer Bewegung. Wir reichen allen aufrichtigen Mitgliedern der Linkspartei die Hand, um gemeinsam gegen die kapitalistischen Zustände zu kämpfen. Wir haben aber kein Vertrauen darin, dass die Führung der Partei sich in der Palästina-Frage konsequent gegen SPD und Grüne stellt. Die Linke stellt sich in ihrem Programm gegen deren Sparpolitik, hat sie aber in der Vergangenheit schon mitgetragen. Linken-Kandidat Stefan Jagel stimmte mit SPD und Grünen für die Schließung des Kreißsaals Neuperlach. Im Wahlprogramm heißt es dann scheinheilig: „Geburtshäuser wollen wir erhalten und finanziell absichern.“ Die Führung der Linken will keinen Bruch mit den kapitalistischen Bedingungen, sondern den rot-grünen Sparhaushalt mitverwalten.

Für eine unabhängige Alternative

Keine der Parteien im Stadtrat ist heute unabhängig vom Staat, den Konzernen und den bürokratischen Apparaten der Gewerkschaften und Verbände. Keine von ihnen will, dass die Jugendlichen und Arbeiter:innen selbst über die Politik bestimmen. Sie versuchen, die sozialen Bewegungen und die Palästina-Bewegung zu isolieren, klein zu halten oder auszubremsen. Wir hingegen wollen sie ausweiten und mit unseren Streiks verbinden.

Damit wir als Jugendliche und Arbeiter:innen unsere Interessen durchsetzen können, müssen wir unsere eigenen Mittel nutzen. In den nächsten Wochen organisieren wir daher Bildungsstreiks, die Proteste zum Tag gegen Gewalt an Frauen (25. November) und die Streiks zur Tarifrunde der Länder – die sich direkt gegen die Sparpolitik richten.

Wir denken nicht, dass die Parlamente die Orte sind, um durch Kompromisse und Mehrheiten größere Veränderungen in unserem Interesse zu erwirken – wir lehnen auch jede Regierungsbeteiligung ab. Ein Sitz im Stadtrat wäre aber eine Möglichkeit, um bei jeder Ungerechtigkeit eine breitere Öffentlichkeit herzustellen. Schon die Wahlen können ein Mittel sein, um die Interessen der Bewegungen vor einem breiten Publikum bekannt zu machen. Mehr als eine Million Münchner:innen werden zur Wahl aufgerufen sein. Wir wollen ihnen zeigen, dass es nicht notwendig ist, sich mit dem „kleineren Übel“ abzufinden. Sondern eine Alternative entwickeln, die tatsächlich die Kraft von Streiks und Protesten stärkt und sich gegen die Herrschenden richtet.

Einladung zur Diskussion über eine gemeinsame Liste

Wir wollen nicht einfach eine Liste von PS und RIO bilden, sondern wir laden alle Interessierten ein, mitzudiskutieren, wie ein Wahlantritt aussehen könnte.

Wir richten uns explizit an die Palästina-Bewegung, mit der wir seit zwei Jahren unermüdlich auf der Straße kämpfen. Wir adressieren Menschen mit Migrationshintergrund. Obwohl viele von uns einen Großteil ihres Lebens hier verbracht haben oder sogar hier geboren sind, sind 20 Prozent der Münchner:innen nicht einmal wahlberechtigt. Wir werden überzogen mit rassistischen Schikanen der Regierungen wie mit der Aussage von Merz zum Stadtbild. Wir sind für ein Wahlrecht für alle in München lebenden Menschen. Alle, die von der Wahl ausgeschlossen werden, aber sich mit uns solidarisieren, laden wir dazu ein, gemeinsame Aktionskomitees zu gründen und unsere Kandidatur zu unterstützen.

Wir laden Fridays For Future ein, die ihre Palästina-Position in den vergangenen Wochen zum Positiven verändert haben. Wir adressieren die feministische Bewegung, die sich gegen den rassistischen „Feminismus“ der Merz-Regierung stellt. Wir rufen Studierende und Schüler:innen auf, die sich gegen Einsparungen bei der Bildung und gegen die Wehrpflicht stellen wollen. Wir richten uns an Beschäftigte, die sich an Arbeitskämpfen beteiligen und für klassenkämpferische Gewerkschaften eintreten. Und wir wollen mit kritischen Mitgliedern der Linkspartei und der radikalen Linken aus München und Umgebung über die notwendige Strategie im Kampf gegen Rechtsruck, Militarisierung und Kürzungspolitik diskutieren.

Wie geht es weiter?

Die Veranstaltung am 11. November dient zunächst dazu, über die inhaltlichen und organisatorischen Aspekte eines möglichen Wahlantritts zu diskutieren. Gruppen und unabhängige Einzelpersonen können ihr Interesse an einer Teilnahme an der Wahlliste signalisieren. Die Bereitschaft für eine eigene Kandidatur ist aber keine Voraussetzung, um mitzudiskutieren. Wir freuen uns auch darüber hinaus über Unterstützung und konstruktive Diskussionen.

Die Grundlage eines gemeinsamen Wahlantritts ist für uns dabei stets die Unabhängigkeit vom Staat, den staatstragenden Parteien, Bürokratien und Konzernen. Wir stellen uns gegen die Vorstellung, den Rechtsruck durch eine breite demokratische Front aller Parteien bis zur CSU zu stoppen. Stattdessen stehen wir für die Einheit und Selbstorganisierung der Arbeiter:innen und Unterdrückten. Wir nehmen keine Gelder vom Staat oder Unternehmen an. Wir wollen – im Falle eines Einzugs in den Stadtrat – eine Rotation des Amtes und die Begrenzung der Pauschalen auf ein durchschnittliches Gehalt einer Pflegekraft.

Bis zum 11. November werden wir einige Grundzüge eines möglichen Programms veröffentlichen. Anschließend wollen wir mit allen, die offen sind, diesen Weg mit uns zu gehen, ein finales Programm entwerfen und bis Anfang Dezember die Kandidat:innen wählen. Ab dem 10. Dezember beginnt die Unterschriftensammlung – das Wahlrecht beinhaltet nämlich eine undemokratische Hürde: Neue Parteien und Wählergruppen müssen bis zum 19. Januar 1.000 Unterschriften sammeln, um antreten zu dürfen. Dies ist eine ernstzunehmende Herausforderung, die aber genommen werden kann, sofern das Projekt von genug motivierten Menschen getragen wird. 

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