Mensa mal anders
Seit kurzer Zeit hat ein neues Phänomen in den deutschen Mensen Einzug gehalten: Das „Bändern“. Was verbirgt sich hinter dieser neuen Form der Esskultur und des kritischen Konsums? Ein Gastbeitrag von Gesine Pfautsch von der Freien Universität Berlin

Manchmal sind in der Mensa so Menschen zu beobachten, die am Geschirrband stehen und sich dort das Essen runterschnappen. Selten einzeln sondern meistens in Gruppen warten sie und kratzen die Essenreste ihrer Kommiliton*innen zusammen. Und manch eine*r fragt sich dann: „Was machen die da eigentlich?“ Diese Leute „bändern“ – eine der vielen Arten der Lebensmittelrettung, die vor allem in Universitäten praktiziert wird. Jede*r kennt die Situation, dass das Auge mal wieder größer war als der Magen und vom voll geknallten Teller die Hälfte übrig bleibt. Wer dann keine Tupperdose oder nimmersatte Kommiliton*innen dabei hat, schmeißt halt weg. Warum nicht mal ans andere Ende der „Nahrungskette“ gehen und das Essen vor der Tonne bewahren? Der Begriff „bändern“ kam im Frühjahr diesen Jahres in die Medien, als einige Studierende der Uni Freiburg Schlagzeilen machten. Rund 40 Menschen hatten sich da zusammengeschlossen, um die Essensreste der anderen vom Förderband zu nehmen und untereinander zu teilen. Das ging so weit, dass die Uni Maßnahmen ergriff, um die Aktivist*innen zu stoppen, z.B. durch Trennwände zwischen Mensabereich und Förderband. Aufhalten ließen sie sich dadurch nicht.
Die Gründe der Bänder*innen sind vielseitig: Natürlich ist der hübsche Nebeneffekt des Geldsparens nicht zu verachten, denn gerade prekär lebende Studis müssen oft jeden Euro zwei Mal umdrehen. Das erste Mal kostet vielleicht ein bisschen Überwindung, aber wer einmal verstanden hat, dass „Secondhand-Kartoffeln“ immer noch gut schmecken, isst ob sofort gratis. In erster Linie soll so aber ein sozialkritisches Zeichen gesetzt werden gegen die Überfluss- und Wegwerfgesellschaft. Gerade die Nahrungsmittelindustrie in unseren Breitengraden produziert enorme Summen an guten Lebensmitteln, die unangetastet im Müll landen. Auch wenn dieses Problem natürlich struktureller Art ist und eine politische Antwort braucht, ist dies ein Weg, um genau darauf aufmerksam zu machen.
Ein berechtigter Einwand gegen das Bändern ist der zeitliche Aufwand. Aber mal ehrlich, bis mensch sich sein Essen in der Mensa ausgesucht, sich angestellt und bezahlt hat, sind vielleicht fünf Portionen Nudeln, Kartoffeln mit Gemüse und Nachtisch in den Müll gewandert. Außerdem schön am Bändern: Mensch is(s)t oft in Gemeinschaft, denn Menschen, die bändern, teilen gern. So wird quasi jeder Mensaausflug zum sozialen Happening. Vielleicht gibt es ja auch bald an den Berliner Unis eine Bändererszene?
Dieser Artikel entstand beim Workshop über kritischen Journalismus an der FU Berlin.
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