Liebe SPD, Wir sind schlimmer als P*mmel

13.09.2021, Lesezeit 3 Min.
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Shutterstock: Andy Gin

Im Endeffekt hat der Vorfall #Pimmelgate mehr als das fragile Ego von Andy Grote bewiesen. Er zeigt, wie niedrig die Hemmschwelle für repressive Abwehrreaktionen der Regierungsparteien geworden ist und dass sich wirklich niemand davor sicher fühlen kann.

Hamburg, letzten Mittwoch kurz nach 6 Uhr, sechs Bullen brechen in eine Wohnung ein und sacken alle Geräte ein, auf denen Twitter laufen kann. Drei Monate zuvor wurde der Hamburger Innensenator Andy Grote wohl von einem dieser Geräte aus, als “1 Pimmel” auf Twitter bezeichnet.

Die Reaktion ist nicht nur überzogen, sie ist auch zutiefst zynisch. Für die Mehrheit von uns ist es vollkommen utopisch, von der Polizei auf irgendeine Aufklärung zu hoffen, falls wir von irgendwelchen Gestalten im Internet (aber auch außerhalb) Beleidigungen, Belästigungen oder viel schlimmeres erfahren. Besonders Frauen müssen dies immer wieder erleben, wenn sie solche Formen sexualisierter Gewalt vergeblich anzeigen, ohne, dass sich die Polizei je bei ihnen meldet.

Dabei handelt es sich offensichtlich nicht um ein Problem mangelnder Ausrüstung der Polizei. Sie haben bereits die Mittel, uns im Internet zu überwachen, setzen diese jedoch nur dann ein, wenn es ihnen passt. Andy Grote musste sie nicht mal dazu auffordern, die Polizei hat für ihn Anzeige erstattet und ihn nur nach einem Strafantrag, quasi zur Ausführung, gefragt. In Rekordzeit standen dann die Bullen vor der Tür des Betroffenen.

Doch was heißt das für uns?

Der bittere Beigeschmack bei diesem Fall kommt nicht nur von der oben genannten Verzweiflung echter Opfer sexualisierter oder rassistischer Gewalt. Es zeigt auch uns den Hammer, der über unseren Köpfen schwebt. Die Polizei ist jederzeit bereit, ihn für die Landes- und Bundesregierungen und die herrschende Klasse auf unsere Köpfe herabfallen zu lassen. Um beim Beispiel zu bleiben: Nach, vor und während G20 ließ der damalige Hamburger SPD-Innensenator Andy Grote eine Welle an Repression los. Hunderte Aktivist:innen wurden niedergeschlagen, verletzt und eingesperrt, Häuser durchsucht und dreiste Lügen-Verfahren eingeleitet und brutale Einschnitte in demokratische Rechte durch den staatlichen Sicherheitsapparat vorgenommen.

Wir, die Arbeiter:innen und Jugendlichen, sind eine schlimmere Bedrohung für sie als Pimmel, wir gehen gegen sie auf die Straße, wir agitieren und organisieren uns gegen sie. Auch im Internet können sie linke Stimmen verfolgen und mundtot machen. Immer mehr Seiten (wie linksunten.indymedia) verschwinden aus dem Netz oder werden aufgrund der Zensur der Internet-Riesen Facebook und Co. von Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder TikTok ohne Begründung gelöscht. Auch wir von Klasse Gegen Klasse kämpfen mit “shadow bans” (eine Methode, mit dem Inhalte vor Nutzer:innen versteckt werden) und Löschungen. Erst vor wenigen Tagen wurde unser Wahlaufruf zu den Bundestagswahlen 2021 von Instagram gelöscht. Deshalb folgt uns auch auf Kanälen wie Telegram oder immer hier auf klassegegenklasse.org.

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